BVerfG, Beschluss v. 17.04.2002, Az. 1 BvR 680/02
1. Werden die Gesichter abgebildeter Personen vor der Weitergabe und Veröffentlichung der Bilder im Fernsehen anonymisiert, ist ausgeschlossen, dass ein auf Leib und Leben gerichtetes Risiko von der Fernsehberichterstattung ausgeht.
2. Die Gesichter abgebildeter Personen sind in diesem Fall vor der Veröffentlichung und der Weitergabe der Aufnahmen an andere Fernsehveranstalter durch ein technisches Verfahren so zu anonymisieren, dass nur eine Verwendung in anonymisierter Form möglich bleibt, es sei denn, die betroffenen Personen sind mit der Veröffentlichung ihres Bildnisses einverstanden.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
– 1 BvR 680/02 –
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. des Zweiten Deutschen Fernsehens, Anstalt des öffentlichen Rechts,
vertreten durch ihren Intendanten Markus Schächter, ZDF-Straße 1, 55100 Mainz,
2. der RTL Television GmbH,
vertreten durch ihren Geschäftsführer Gerhard Zeiler, Aachener Straße 1044, 50858 Köln,
– Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Professor Dr. Konrad Redeker und Koll.,
Mozartstraße 4-10, 53115 Bonn –
gegen die sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden des 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. März 2002 und die ergänzende Verfügung des Vorsitzenden vom 11. April 2002 – 5-2 StE 9/01-4-6/01 –
hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Steiner,
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und den Richter Hoffmann-Riem
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 15. April 2002 einstimmig beschlossen:
Der Vorsitzende des 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main wird angewiesen, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, damit einem von den deutschen öffentlichrechtlichen und privaten Fernsehveranstaltern gemeinsam gestellten und namentlich sowie mit sonstigen Personalien vorher ausgewiesenem Fernsehteam von höchstens drei Personen (so genannte Pool-Lösung) gestattet wird, ab dem 16. April 2002 für fünf Minuten vor dem jeweiligen Beginn der Verhandlung in dem Strafverfahren 5-2 StE 9/01-4-6/01 Fernsehaufnahmen in Anwesenheit der Angeklagten im Sitzungssaal des Gerichts anzufertigen. Die Gesichter abgebildeter Personen sind vor der Veröffentlichung und der Weitergabe der Aufnahmen an andere Fernsehveranstalter durch ein technisches Verfahren so zu anonymisieren, dass nur eine Verwendung in anonymisierter Form möglich bleibt.
In diesem Umfang werden die sitzungspolizeilichen Anordnungen des Vorsitzenden vom 21. März und 11. April 2002 ausgesetzt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen für das einstweilige Anordnungsverfahren zur Hälfte zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG betreffen sitzungspolizeiliche Maßnahmen über das Fertigen von Fernsehaufnahmen in dem Strafverfahren gegen mutmaßliche El-Kaida-Terroristen vor dem Oberlandesgericht Frankfurt.
Der Antrag gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG ist teilweise begründet. Bei der gebotenen Abwägung der für und gegen eine einstweilige Anordnung sprechenden Gründe überwiegen diejenigen, die eine Anordnung rechtfertigen. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht, so könnte eine Fernsehbildberichterstattung über das Strafverfahren, das eine erhebliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden hat, nicht in einer dem Informationsinteresse gerecht werdenden Weise stattfinden.
Unter Hinweis auf die Besonderheiten dieses gegen mutmaßliche El-Kaida-Terroristen gerichteten Strafverfahrens hat der Vorsitzende seine Verfügung unter anderem auf Risiken für Leib oder Leben der Angeklagten und gegebenfalls weiterer am Verfahren beteiligter Personen gestützt. Werden die Gesichter abgebildeter Personen vor der Weitergabe und Veröffentlichung der Bilder im Fernsehen anonymisiert, ist ausgeschlossen, dass ein solches Risiko von der Fernsehberichterstattung ausgeht. Die Antragsteller haben im Übrigen zugesichert, Aufnahmen nur in der so genannten Totalen vorzunehmen.
Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34 a Abs. 3 BVerfGG.
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. des Zweiten Deutschen Fernsehens, Anstalt des öffentlichen Rechts,
vertreten durch ihren Intendanten Markus Schächter, ZDF-Straße 1, 55100 Mainz,
2. der RTL Television GmbH,
vertreten durch ihren Geschäftsführer Gerhard Zeiler, Aachener Straße 1044, 50858 Köln,
– Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Professor Dr. Konrad Redeker und Koll.,
Mozartstraße 4-10, 53115 Bonn –
gegen die sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden des 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. März 2002 und die ergänzende Verfügung des Vorsitzenden vom 11. April 2002 – 5-2 StE 9/01-4-6/01 –
hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Steiner,
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und den Richter Hoffmann-Riem
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 17. April 2002 einstimmig beschlossen:
Der Tenor des Beschlusses vom 15. April 2002 wird in entsprechender Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO dahin gehend berichtigt, dass der letzte Satz des ersten Absatzes wie folgt lautet:
„Die Gesichter abgebildeter Personen sind vor der Veröffentlichung und der Weitergabe der Aufnahmen an andere Fernsehveranstalter durch ein technisches Verfahren so zu anonymisieren, dass nur eine Verwendung in anonymisierter Form möglich bleibt, es sei denn, die betroffenen Personen sind mit der Veröffentlichung ihres Bildnisses einverstanden.“