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BGH: Pressehaftung

BGH, Urteil v. 26.04.1990, Az. I ZR 127/88

a) Zur Frage der Haftung der Presse für die Veröffentlichung von Anzeigen mit einem einen Mitbewerber des Inserenten herabsetzenden Inhalt.

b) Das die Haftung der Presse auf Vorsatz beschränkende Privileg des § 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 UWG ist auf Wettbewerbsverstöße nach § 1 UWG grundsätzlich nicht anwendbar.

c) Zur Frage der Erstattung der Kosten für eine durch eine vorangegangene Anzeige herabsetzenden Inhalts veranlaßte „Gegenanzeige“.

BUNDESGERICHTSHOF

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: I ZR 127/88

Verkündet am: 1990-04-26

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. März 1988 insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung eines 2.781,60 DM nebst Zinsen übersteigenden Betrages verurteilt hat.

Im Umfange der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf, 12. Zivilkammer, vom 18. März 1987 zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt im rheinischen Raum Warenhäuser. Die Beklagte ist Verlegerin der B.-Z.. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Veröffentlichung einer geschäftsschädigenden Anzeige auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin bot im Juni 1986 in ihren Warenhäusern Jeans an, die die Marke „Closed“ trugen. Auf Antrag der deutschen Generalimporteurin von „Closed“-Jeans wurde ihr durch einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Juni 1986 untersagt, ohne Zustimmung der Generalimporteurin Jeans-Hosen zu vertreiben, die mit dem Warenzeichen „Closed“ gekennzeichnet sind, weil es sich bei den von der Klägerin verkauften Jeans um Fälschungen gehandelt haben soll. Die Klägerin stellte daraufhin den Verkauf von „Closed“-Jeans ein und erwirkte ihrerseits gegen die Generalimporteurin eine einstweilige Verfügung vom 27. Juni 1986, es zu unterlassen, Zeitungsanzeigen veröffentlichen zu lassen, in denen behauptet wird, die Klägerin biete an und verkaufe gefälschte Jeans-Hosen mit dem Zeichen „Closed“.

Am 2. Juli 1986 veröffentlichte die Beklagte im Auftrage der Generalimporteurin in verschiedenen Regionalzeitungen der B.-Z. folgende Anzeige:

Quelle: Bundesgerichtshof

Mit anwaltlichem Abmahnschreiben vom 2. Juli 1986 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und zur Anerkennung einer Schadensersatzverpflichtung auf. Die Beklagte gab lediglich die Unterlassungserklärung ab und stellte der Klägerin für die Ausgabe der B.-Z. vom 4. Juli 1986 Anzeigenraum für eine „Gegenanzeige“ zur Verfügung. Die Klägerin ließ daraufhin in den Regionalausgaben der B.-Z., in denen die von ihr beanstandete Anzeige erschienen war, ihrerseits eine „Information“ veröffentlichen, in der es auszugsweise heißt:

Wir haben es nicht nötig, Fälschungen zu verkaufen und wir würden uns schämen, unseren Kunden so etwas anzubieten.

Die von uns verkauften „Closed-Hosen“ wurden uns als Originale verkauft. Es bedarf noch einer weiteren gerichtlichen Klärung, ob wir nicht auch Recht behalten und echte Hosen verkauft haben. Wir werden Sie nach Klärung dieses Rechtsstreits informieren.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zum Ersatz aller Schäden, die ihr durch die Anzeige vom 2. Juli 1986 entstanden sind und/oder noch entstehen werden; außerdem verlangt sie Zahlung der Abmahnkosten in Höhe von 5.483,40 DM.

Die Klägerin hat behauptet, die von ihr angebotene Ware sei echt gewesen. Sie hat in der Veröffentlichung der beanstandeten Anzeige einen Wettbewerbsverstoß gesehen. Bei der Anzeige der Generalimporteurin habe es sich für die Beklagte erkennbar um einen Racheakt gehandelt; eine Warnfunktion habe der Anzeige ersichtlich nicht mehr zukommen können.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat Widerklage auf Zahlung der Kosten für die „Gegenanzeige“ vom 4. Juli 1986 in Höhe von 7.602,66 DM erhoben. Sie hat vorgebracht, nach den Erkenntnissen der Generalimporteurin sei davon auszugehen, daß es sich bei den Jeans der Klägerin um Fälschungen gehandelt habe; es habe deshalb ein allgemeines Informationsinteresse an der Aufklärung über diesen Sachverhalt bestanden. Sie hat sich auf das Presseprivileg gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG (a.F.) berufen, nach dem eine Haftung nur bei Vorsatz in Betracht kommt, und vorgebracht, sie habe keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Anzeigeninhalts gehabt. Eine Überprüfung einer ihr in Auftrag gegebenen Anzeige auf ihren Wahrheitsgehalt sei ihr nicht zumutbar.

Das Landgericht hat der Klage mit dem unbezifferten Antrag auf Ersatz aller Schäden stattgegeben; die weitergehende Klage und die Widerklage hat es abgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte auch zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 4.389,– DM verurteilt; außerdem hat es den Tenor des landgerichtlichen Urteils hinsichtlich der Verurteilung gemäß dem unbezifferten Antrag dahin neu gefaßt, es werde festgestellt, daß die Beklagte der Klägerin alle Schäden zu ersetzen habe, die ihr durch die in der B.-Z. vom 2. Juli 1986 veröffentlichte Anzeige der Generalimporteurin entstanden sind und/oder noch entstehen werden. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung und ihren Zahlungsantrag aus der Widerklage weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:
I.

Das Berufungsgericht hat den mit dem unbezifferten Klageantrag, der als Feststellungsantrag zu verstehen sei, geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach § 1 UWG für begründet erachtet und dazu ausgeführt: Die Beklagte habe mit der Veröffentlichung der beanstandeten Anzeige zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt. Sie habe durch ihr Handeln die wettbewerbliche Situation der Generalimporteurin von Erzeugnissen der Marke „Closed“ zu Lasten der Klägerin tatsächlich (objektiv) gefördert. Die Beklagte habe auch eine entsprechende Absicht gehabt. Aus der Natur des Anzeigengeschäfts folge zwangsläufig, daß Verleger und Anzeigenredakteur, wenn nicht in erster Linie, so zumindest auch zugunsten des Inserenten tätig werden. Die Anzeige sei auch ihrem Inhalt nach sittenwidrig, da sie die namentlich genannte Klägerin in geschäftsschädigender Weise herabsetze. Ein sachlicher Anlaß für eine solche Anzeige sei selbst dann nicht anzuerkennen, wenn – was unterstellt werden könne – die von der Klägerin in der Zeit vom 20. bis 24. Juni 1986 angebotenen und verkauften Jeans unerlaubterweise mit dem Warenzeichen „Closed“ versehen gewesen seien. Zum Zeitpunkt des Erscheinens der Anzeige am 2. Juli 1986 habe kein Bedürfnis mehr bestanden, zukünftigen Warenzeichenverletzungen durch eine Anzeige zu begegnen, denn die Generalimporteurin sei bereits seit dem 26. Juni 1986 im Besitz einer Unterlassungsverfügung gegen die Klägerin gewesen. Es sei auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensbeseitigung nicht notwendig gewesen, eine breite Öffentlichkeit zu informieren. Die Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt; sie hätte erkennen können, daß der Inhalt der Anzeige wettbewerbswidrig gewesen sei. Die durch Art. 5 GG garantierte Pressefreiheit rechtfertige nicht den Abdruck einer solchen Anzeige. Das Presseprivileg des § 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 UWG greife nicht ein, da es sich nur auf den Irreführungstatbestand des § 3 UWG beziehe. Der bezifferte Schadensersatzanspruch sei lediglich in Höhe von 4.389,– DM begründet, da die für das anwaltliche Abmahnschreiben nach § 118 Abs. 1 BRAGO angefallene 10/10-Gebühr nur nach dem Streitwert des Unterlassungsanspruchs zu berechnen sei.

Die Widerklage der Beklagten auf Zahlung der Kosten für die „Gegenanzeige“ der Klägerin sei demgegenüber unbegründet, da nicht vom Abschluß eines entgeltlichen Anzeigenauftrags ausgegangen werden könne.

II.

Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben nur zu einem geringen Teil Erfolg.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch nach § 1 UWG zu, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß die Beklagte mit der Veröffentlichung der beanstandeten Anzeige zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt hat. Ein solches Handeln ist anzunehmen, wenn in objektiver Hinsicht ein Verhalten vorliegt, das geeignet ist, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen und wenn der Handelnde dabei in subjektiver Hinsicht in der Absicht vorgeht, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter andere Beweggründe zurücktritt (st. Rspr., vgl. u.a. BGH, Urt. v. 30.6.1972 – I ZR 1/71, GRUR 1973, 203, 204 – Badische Rundschau).

Rechtsfehlerfrei und von der Revision insoweit unbeanstandet hat das Berufungsgericht in objektiver Hinsicht angenommen, daß die beanstandete Anzeige geeignet ist, den Wettbewerb der Generalimporteurin von Erzeugnissen der Marke „Closed“ zum Nachteil der Klägerin zu fördern. Denn in der Anzeige werden nach Aufmachung und Inhalt einerseits „Closed“-Erzeugnisse herausgestellt, andererseits wird die namentlich benannte Klägerin, die Waren gleicher Art vertreibt, im geschäftlichen Verkehr dadurch herabgesetzt, daß sie ohne sachlich gerechtfertigten Anlaß einer breiten – von den Vorgängen überwiegend nicht betroffenen – Öffentlichkeit gegenüber des Fälschungsvorwurfs bezichtigt wird (vgl. nachfolg. unter II 1 b).

Soweit das Berufungsgericht in subjektiver Hinsicht die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht bejaht hat, beanstandet dies die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß es sich beim Anzeigengeschäft der Presse um eine typische wettbewerbsfördernde Maßnahme außerhalb des meinungsbildenden und informierenden Funktionsbereichs handelt, bei der auf die Vermutung vom Bestehen einer Wettbewerbsabsicht zurückgegriffen werden kann (vgl. v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 17 Rdn. 45). Zwar verfolgt der Verleger bei der Veröffentlichung von Anzeigen in erster Linie die Absicht, sein eigenes Anzeigengeschäft zu fördern. Die Absicht, auch den Wettbewerb des Auftraggebers zu unterstützen, tritt dabei aber nicht in den Hintergrund; das Anzeigengeschäft dient vielmehr objektiv stets dem Zweck, den Wettbewerb des Auftraggebers zu unterstützen (vgl. BGH GRUR 1973, 203, 204 – Badische Rundschau). Der Umstand, daß die beanstandete Anzeige vorliegend keine unmittelbar auf den Absatz bestimmter Waren gerichtete Werbung enthält, rechtfertigt entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung keine andere Beurteilung. Denn Aufmachung und Inhalt der Anzeige mit der namentlichen Benennung der Klägerin und der Bezugnahme auf die von der Auftraggeberin vertriebenen Erzeugnisse waren erkennbar geeignet, den Absatz zugunsten der Auftraggeberin zu fördern.

b) Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die streitgegenständliche Anzeige sei als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG zu beanstanden, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts enthielt die Anzeige nach Art, Inhalt und Aufmachung eine geschäftsschädigende Herabsetzung der namentlich genannten Klägerin, und zwar selbst dann, wenn – wovon aufgrund der Unterstellung des Berufungsgerichts für die Prüfung in der Revisionsinstanz auszugehen ist – die von der Klägerin veräußerten Jeans unberechtigterweise mit dem Warenzeichen „Closed“ versehen waren. Das Berufungsgericht ist dabei zu Recht davon ausgegangen, daß nicht jede wahrheitsgemäße geschäftsschädigende Behauptung zulässig ist. Eine solche Behauptung ist nur dann wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Wettbewerber einen hinreichenden Anlaß zu der Behauptung hat und sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen hält (vgl. BGH., Urt. v. 14.7.1961 – I ZR 40/60, GRUR 1962, 45, 48 – Betonzusatzmittel; BGH, Urt. v. 20 .12.1967 – Ib ZR 141/65, GRUR 1968, 262, 265 – Fälschung). Im Streitfall fehlt es an einem sachlich gerechtfertigten Anlaß, die Klägerin in der sich aus der Anzeige ergebenden Art und Weise herabzusetzen. Das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend darauf abgehoben, daß in Anbetracht der bereits mehrere Tage vor Anzeigenaufgabe unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel gegen die Klägerin ergangenen Unterlassungsverfügung künftige Warenzeichenverletzungen nicht zu befürchten waren; weiter, daß die Veröffentlichung einer Anzeige der vorliegenden Art, die angesichts des Erscheinens in verschiedenen Regionalausgaben der B.-Z. und deren bekannter Auflagenstärke eine Vielzahl unbeteiligter Personen erreicht hat, im Hinblick auf die nur kurze Verkaufszeit von wenigen Tagen und einen kleinen Kreis betroffener Kunden auch als Schadensbeseitigungsmaßnahme nicht geboten war.

c) Auch die weitere Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Veröffentlichung der als wettbewerbswidrig zu beanstandenden Anzeige in einer nach § 1 UWG zum Schadensersatz verpflichtenden Weise verschuldet, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Nach der Rechtsprechung des Senats sind Verleger und Redakteur auch bei der Entgegennahme von Anzeigenaufträgen grundsätzlich zur Prüfung verpflichtet, ob die Veröffentlichung der Anzeige gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, und sie sind gehalten, Anzeigen mit gesetzwidrigem Inhalt abzulehnen (BGH GRUR 1973, 203, 204 – Badische Rundschau; vgl. auch BGHZ 50, 76, 78 ff). Bei der Frage nach den Anforderungen an die Prüfungspflicht ist zu beachten, daß die Gewährleistung der Pressefreiheit durch Art. 5 Abs. 1 GG auch den Anzeigenteil einer Druckschrift einschließt, weil auch in der Veröffentlichung von Anzeigen die Verbreitung von Nachrichten liegt (vgl. BVerfGE 21, 271, 278 ff). Die danach gebotene verfassungskonforme Auslegung hat – wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat – zu berücksichtigen, daß die Presse unter Zeitdruck steht und daß eine umgehende Überprüfung sämtlicher Anzeigen auf Gesetzesverstöße die Arbeit der Presse unzumutbar erschweren würde. Die Anforderungen an das Ausmaß der Prüfung dürfen deshalb entsprechend den praktischen Notwendigkeiten des Pressewesens nicht überspannt werden. Andererseits findet die Pressefreiheit aber ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG); die Presse hat daher grundsätzlich auch die wettbewerbsrechtlichen Regelungen zu beachten. Bei der Anzeigenwerbung ist es der Presse in der Regel zumutbar, ihre Prüfungspflicht zumindest auf grobe Verstöße zu erstrecken; die Verantwortlichen wären überfordert, wenn sie jeweils eine eingehende wettbewerbsrechtliche Überprüfung vornehmen müßten (BGH GRUR 1973, 203, 204 – Badische Rundschau).

Nach Auffassung des Berufungsgerichts könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die Beklagte wettbewerbswidrig gehandelt habe, als sie die Anzeige der Generalimporteurin abgedruckt habe. Denn der Anzeigenauftrag habe vom Inhalt und vom Aussehen der Annonce her Ungewöhnliches enthalten. Die Beklagte habe selbst nicht in Abrede gestellt, daß derartige Anzeigenaufträge bei ihr in der Regel nicht vorkämen. Der Prüfung, die der Beklagten deshalb oblegen habe, sei auch ohne größere Schwierigkeiten nachzukommen gewesen. Selbst wenn die Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige nicht für jeden offensichtlich sein möge, sei jedoch zu berücksichtigen, daß die Mitarbeiter der Beklagten auf juristische Berater zurückgreifen konnten und können. Für solche Personen läge es auf der Hand, daß die Werbung der Generalimporteurin den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs widerspreche.

Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht dabei nicht übersehen, daß es entscheidend auf das Vorliegen eines groben Verstoßes und insoweit auch auf die Erkennbarkeit des Verstoßes für die Anzeigenabteilung ankommt. Denn das Berufungsgericht hat bereits im Rahmen der vorangehenden Feststellungen zum Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes auch die Schwere dieses Verstoßes erörtert. Die von der Revision angegriffenen nachfolgenden Ausführungen des Berufungsgerichts befassen sich ergänzend mit der Frage der Erkennbarkeit des Wettbewerbsverstoßes. Insoweit hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, daß die Anzeige – nach Inhalt und Aufmachung – so ungewöhnlich sei, daß sie dem Anzeigenpersonal auffallen mußte und selbst dann, wenn dieses die Wettbewerbswidrigkeit nicht erkannt haben sollte, doch zumindest Veranlassung zur Rückfrage gegeben habe. Darin liegt kein Rechtsfehler. Die gebotene Überprüfung auf grobe Verstöße kann im Einzelfall – bei Zweifelhaftigkeit – zu einer Rückfragepflicht bei der Rechtsabteilung führen, wenn so außergewöhnliche Umstände, wie sie hier gegeben sind, einen Verstoß nahelegen. Im Streitfall ist die Anzeige vom Inhalt und von der Aufmachung her besonders auffällig und nicht mit üblichen Kleinanzeigen zu vergleichen. Sie war daher von den Mitarbeitern der Anzeigenabteilung der Beklagten auch bei flüchtiger Durchsicht nicht zu übersehen. Die Gesetzwidrigkeit des Anzeigeninhalts mußte sich ihnen geradezu aufdrängen. Denn der herabsetzende Inhalt war offensichtlich, und es war auch eindeutig erkennbar, daß es worauf das Berufungsgericht zu Recht hingewiesen hat – um ein bereits abgeschlossenes Verhalten der Klägerin ging, die Anzeige also nicht als Warnung oder unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung zukünftiger Beeinträchtigungen gerechtfertigt sein konnte.

Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht greift vorliegend auch das sogenannte Haftungsprivileg der Presse gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UWG a.F. (= § 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 UWG n.F.) nicht ein. Nach dieser Bestimmung sind Redakteure und Verleger nur dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie wußten, daß die von ihnen gemachten Angaben irreführend waren; d.h. wenn ihnen ein vorsätzliches Verhalten zur Last fällt. Diese Vorschrift, die sich ihrem Wortlaut nach nur auf die Haftung in den Fällen der irreführenden Werbung nach § 3 UWG erstreckt, ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Sie läßt sich deshalb auf die Veröffentlichung von Anzeigen, die als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG zu beurteilen sind, nur dann entsprechend anwenden, wenn nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes eine umfassende Privilegierung beabsichtigt war. Davon kann nicht ausgegangen werden (a.A. Henning-Bodewig, GRUR 1985, 258, 261).

Daß das Presseprivileg seinem Wortlaut nach allein auf den Irreführungstatbestand des § 3 UWG beschränkt ist, erklärt sich aus seiner Entstehungsgeschichte. Die heutige Regelung geht auf § 1 Abs. 2 Satz 2 des Wettbewerbsgesetzes vom 27. Mai 1896 zurück. Dieses Gesetz kannte noch keine Generalklauseln, sondern nur Einzeltatbestände; den bedeutsamsten – auch mit einer Schadenshaftung ausgestatteten – Tatbestand bildete seinerzeit der § 1, der eine Haftung für unrichtige Angaben in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen begründete. Auf ihn bezog sich das Presseprivileg, das schon damals eine Haftung nur bei Kenntnis der Unrichtigkeit der Angaben vorsah. Den Materialien zum UWG vom 7. Juni 1909 (RGBl. S. 499) läßt sich nicht entnehmen, daß eine umfassende Privilegierung der Presse angestrebt wurde. Noch der Regierungsentwurf vom 8. Januar 1909 beließ es bei der bisherigen Regelung. Erst kurz vor Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens wurde die Generalklausel des § 1 eingeführt, die bisherige Bestimmung über unrichtige Angaben in § 3 übernommen sowie das Presseprivileg dem neugeschaffenen § 13 UWG zugeordnet. Wenn der Gesetzgeber das Privileg über die Irreführungsfälle des § 3 UWG hinaus auch auf Wettbewerbsverstöße nach § 1 UWG hätte ausdehnen wollen, so hätte er dazu verschiedentlich Gelegenheit gehabt. In späteren Novellen – zuletzt im Jahre 1986 – ist das Presseprivileg jedoch nur redaktionell und nicht auch sachlich geändert worden. Angesichts der bewußten Begrenzung des die Presse begünstigenden Ausnahmetatbestandes ist für eine entsprechende Anwendung auf die Fälle des § 1 UWG kein Raum.

d) Ist der Beklagten danach ein schuldhafter Verstoß gegen § 1 UWG anzulasten, so erweist sich die Klage mit dem unbezifferten Antrag auf Zahlung von Schadensersatz, den das Berufungsgericht zutreffend als Feststellungsantrag verstanden hat, als begründet.

Auch der mit dem bezifferten Zahlungsantrag geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der anwaltlichen Abmahnkosten ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Die gegen die Höhe des Anspruchs gerichteten Angriffe der Revision haben jedoch Erfolg. Das Berufungsgericht hat der Klägerin eine volle Gebühr gem. § 118 Abs. 1 BRAGO nach einem Streitwert für den Unterlassungsanspruch in Höhe von 500.000,– DM zugebilligt. Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, daß die Klägerin nach § 13 Abs. 3 BRAGO insgesamt nur eine volle Gebühr nach dem Gesamtstreitwert für das mit dem Abmahnschreiben verfolgte Unterlassungs- und das Schadensersatzbegehren beanspruchen kann. Das bedeutet, daß nach § 118 Abs. 2 BRAGO eine Anrechnung stattzufinden hat. Da der Gegenstandswert der gerichtlichen Tätigkeit im Streitfall niedriger ist, ist die Anrechnung wie folgt vorzunehmen: Gebühr nach dem Gesamtstreitwert von 713.086,06 DM = 4.650,– DM abzüglich der Gebühr für den Streitwert des gerichtlichen Verfahrens von 213.086,06 DM = 2.250,– DM (vgl. das Berechnungsbeispiel bei Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 19. Aufl. 1989, § 118 Rdn. 25 [S. 1193]). Die Differenz von 2.400,– DM zuzüglich einer Pauschale von 40,– DM und der Mehrwertsteuer von 341,60 DM ergibt die der Klägerin zustehende Klageforderung von 2.781,60 DM.

Der Einwand der Revisionserwiderung, § 13 Abs. 3 BRAGO sei nicht anwendbar, weil es sich nicht um dieselbe Angelegenheit handele, ist unbegründet. Im Streitfall ist die Verfolgung der Unterlassungs-, Schadensersatz- und Anwaltskostenerstattungsansprüche vom Kläger im Rahmen einer einheitlichen Tätigkeit wegen ein und desselben Wettbewerbsverstoßes auch als eine Angelegenheit betrieben worden.

2. Auch die gegen die Abweisung der Widerklage auf Zahlung der Kosten der „Gegenanzeige“ in Höhe von 7.602,66 DM gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.

Allerdings ist – wie die Revision zu Recht rügt – die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Klägerin der Beklagten nur einen unentgeltlich auszuführenden Abdruckauftrag erteilt habe, nicht verfahrensfehlerfrei getroffen (§ 286 ZPO). Aus der Tatsache, daß der hier in Rede stehende Auftrag in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Unterlassungsanspruch der Klägerin und der daraufhin abgegebenen Unterlassungserklärung der Beklagten stand, durfte das Berufungsgericht nicht ohne weiteres auf eine (stillschweigend getroffene) Abrede der Unentgeltlichkeit schließen; zumal die Beklagte es abgelehnt hatte, eine Schadensersatzpflicht, die Grundlage eines solchen Auftrags hätte sein können, anzuerkennen. Auch das weitere Verhalten der Klägerin spricht gegen die Annahme einer stillschweigend vereinbarten Unentgeltlichkeit. So ist die Klägerin ihrer Zahlungsverpflichtung als solcher nicht entgegengetreten, als die Beklagte ihr bereits wenige Tage nach der Veröffentlichung der „Gegenanzeige“ vom 4. Juli 1986 die Kosten dafür in Rechnung gestellt hatte. Darüber hinaus hat sie sich mit Anwaltsschreiben vom 16. Juli 1986 und auch noch im Rechtsstreit (vgl. Schriftsatz vom 16.2.1987) auf Aufrechnung mit Kostenerstattungsansprüchen berufen.

Die Widerklage ist aber aufgrund der Hilfserwägung des Berufungsgerichts begründet, die Schadensersatzpflicht der Beklagten umfasse auch die Kosten der „Gegenanzeige“. Zwar sind Anzeigenkosten nur in Ausnahmefällen erstattungsfähig (vgl. BGHZ 70, 39, 43 f – Alkoholtest; BGH, Urt. v. 6.4.1979 – I ZR 94/77, GRUR 1979, 804, 805 – Falschmeldung; BGH, Urt. v. 3.12.1985 – VI ZR 160/84, GRUR 1986, 330, 332 – Warentest III). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend aber gegeben.

Die Schwere des Verstoßes und seine Auswirkungen rechtfertigen es, der Klägerin einen Anspruch auf Erstattung schadensmindernder Aufwendungen, um den es hier geht, zuzubilligen.

Die den Geschäftsbetrieb der Klägerin stark herabsetzende Anzeige machte eine „Gegenanzeige“ in derselben Zeitung erforderlich, da die in mehreren Regionalausgaben der B.-Z. veröffentlichte Anzeige nicht nur in der Aufmachung besonders auffällig war, sondern vor allem auch angesichts der bekannten Auflagenstärke der Zeitung eine breite – von den Vorgängen überwiegend nicht betroffene – Öffentlichkeit erreichte. Die besondere Art dieser Rechtsverletzung ließ den Weg über eine „Gegenanzeige“ als schadensmindernde Maßnahme gegenüber dem Angriff auf den Ruf der Klägerin geboten erscheinen.

III.

Die Revision hat nach alledem nur zu einem geringen Teil Erfolg. Da die Zuvielforderung der Klägerin verhältnismäßig gering ist und keine besonderen Kosten veranlaßt hat, waren die Kosten gem. §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO insgesamt der Beklagten aufzuerlegen.

Via http://www.werbung-schenken.de/werberecht.nsf/urteil/bgh-i-zr-127-88-26-04-1990-pressehaftung.htm

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Weitere Fundstellen: GRUR 1990, 1012; WRP 1991, 19.

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