OLG Oldenburg, Urteil v. 06.06.2008, Az. 1 U 116/07
(1) In der Werbung für DSL-Flatrate-Angebote bedarf es keines besonderen Hinweises, wenn der Anbieter Pre-Selection ausschließt.
(2) Die Entscheidung gilt für bestimmte Preis- und Anbieterkonstellationen. Die Übertragung des Ergebnisses auf andere Modelle wurden nicht dargelegt und daher auch nicht entschieden.
Im Namen des Volkes
Urteil
Aktenzeichen: 1 U 116/07
Verkündet am: 2008-06-06
Vorinstanz: 12 O 1663/07 Landgericht Oldenburg
In dem Rechtsstreit
…TEL GmbH vertreten durch die Geschäftsführer …
gegen
Deutsche Telekom AG, …
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts …, den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht … auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2008 für Recht erkannt:
…
I. Die Parteien sind Konkurrenten auf dem Telekommunikations-Dienstleistungsmarkt. Die Klägerin hat die im Tenor des erstinstanzlichen Urteils abgedruckte Werbeanzeige der Beklagten in der …zeitung vom 16. Februar 2007 beanstandet. Dort hatte die Beklagte ihr Angebot „Flat-Komplett-Paket“ dem „Call & Surf Comfort“Tarif der Klägerin gegenüber gestellt und werbend hervorgehoben:
MIT …TEL sparen Sie bis zu 229,63 € im Jahr!“. (ggü. TCom/TOnline)
Die Klägerin hat darin einen wettbewerbswidrigen, weil sachlich unzutreffenden Vergleich gesehen. Sie hat die Beklagte abgemahnt und gemeint, der Text sei auch irreführend. Um eine Vergleichbarkeit der Angebote herzustellen, hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass ihr Angebot im Gegensatz zu dem der Klägerin nicht die zusätzliche Möglichkeit der Nutzung einer „Call by Call“ und / oder einer „Pre-Selection“Schaltung beinhalte. […]
Die Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin entgegengetreten. Sie hat gemeint, es sei nicht erforderlich gewesen, darauf hinzuweisen, dass ihr Angebot ein Telefonieren über „Call-b-yCall“ bzw. „Pre-Selection“ (i.F. auch als Zusatzangebot bezeichnet) nicht mit umfasse. Im Mittelpunkt der Werbung stehe das FlatrateAngebot. Für die damit angesprochenen Interessenten sei namentlich die Nutzung einer „Pre-Selection“-Schaltung parallel zur Inanspruchnahme der Flatrate wirtschaftlich unsinnig, weil der neben den Gebühren der vorgeschalteten Anbieter anteilige Aufwand für die (dann ungenutzte) Flatrate verlorenes Geld sei.
Das Landgericht hat die Klage in Bezug auf beide Zusatzangebote der Klägerin für begründet erachtet und die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil zur Unterlassung der angegriffenen Werbung verurteilt. […] Die Beklagte nimmt die Verurteilung zur Unterlassung ihrer vergleichenden Werbung hin, soweit es um den fehlenden Hinweis auf die von der Klägerin, nicht jedoch von der Beklagten zusätzlich angebotene Möglichkeit der Inanspruchnahme einer „Call-by-Call“Schaltung geht. Sie greift das Urteil des Landgerichts beschränkt auf den fehlenden Hinweis zur „Pre-Selection“-Schaltung an
Die Beklagte nimmt die Verurteilung zur Unterlassung ihrer vergleichenden Werbung hin, soweit es um den fehlenden Hinweis auf die von der Klägerin, nicht jedoch von der Beklagten zusätzlich angebotene Möglichkeit der Inanspruchnahme einer „Call-by-Call“-Schaltung geht. Sie greift das Urteil des Landgerichts beschränkt auf den fehlenden Hinweis zur „Pre-Selection“Schaltung an.
Die Beklagte macht erneut geltend, die von ihr nicht angebotene „Pre-Selection“-Schaltung sei für den von ihrer Werbung angesprochenen Verbraucherkreis aus den bereits genannten Gründen wirtschaftlich uninteressant. Der fehlende Hinweis sei daher wettbewerbsrechtlich bedeutungslos.
Ferner meint die Beklagte, das Landgericht habe seiner Entscheidung eine unzutreffende Verkehrsauffassung zugrunde gelegt. Die im Urteil des Landgerichts erwähnten speziellen Kunden zählten nicht zum durchschnittlichen Verbrauchertypus. Auf ihr Verständnis komme es bei der wettbewerbsrechtlichen Wertung, insbesondere der Frage der Irreführungseignung, nicht an.
Der Kundenkreis der Auslands- und Mobilnetztelefonierer interessiere sich schon gar nicht für das das im Mittelpunkt der Werbung stehende Flatrate-Angebot. Dies mache für sie keinen Sinn, weil damit gerade nicht die Auslandsanrufe verbilligt werden. Für Mobilfunknutzer stünden netzintern günstige Tarifangebote zur Verfügung. […]
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte nach dem Antrag erster Instanz verurteilt wird, also ohne den Zusatz: „… ohne in deutlicher Form darauf hinzuweisen, dass „Call-by-Call“ und „Pre-Selection“Angebote nicht genutzt werden können.“
Die Klägerin macht in erster Linie geltend, dass die Teilberufung der Beklagten unzulässig sei: In der Sache verteidigt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten.
II. Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte zulässigerweise eine relevante Beschwer durch das angefochtene Urteil geltend gemacht und ihren Berufungsantrag mit sachlich tauglichen Angriffen gegen den angefochtenen Teil des Urteils begründet. … (wird ausgeführt).
2. In der Sache hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Denn der vom Landgericht für notwendig erachtete Hinweis auf die von der Klägerin „zusätzlich“ offerierte „Pre-Selection“-Schaltung ist nicht geboten.
Die Beklagte hat zutreffend ausgeführt, dass für den durchschnittlich interessierten (potenziellen) Nutzer einer „Flatrate“ die Kombination mit einer „Pre-Selection“-Schaltung in der Regel wirtschaftlich unsinnig ist.
Bei der „Flatrate“ erkauft sich der Nutzer durch Zahlung eines festen zusätzlichen Entgelts den pauschalen Zugang zum deutschen Telefonfestnetz und erspart sich die in der Regel teurere Einzelabrechnung der Gespräche. Diesen erkauften Vorteil würde er durch eine „Pre-Selection“-Wahl eines anderen Anbieters wieder verlieren. Der Preis für die „Flatrate“ wäre vergebens: Denn bei einer dauerhaften Voreinstellung eines anderen Anbieters („Pre-Selection“) zahlt der Nutzer für jedes einzelne Gespräch, während er beim Telefonieren in das deutsche Festnetz über den „Flatrate“-Anbieter keine Kosten für das einzelne Gespräch mehr hätte. Anders ausgedrückt: er würde die Leistung, die er über die „Flatrate“ bereits bezahlt hat, nochmals beim „Pre-Selection“-Anbieter bezahlen.
Die von der Klägerin behauptete Möglichkeit, dass ihr Kunde seine Gespräche im Wege der „Pre-Selection“ auf einen anderen Anbieter umstellen lässt, dann aber für jedes Gespräch ins deutsche Festnetz jeweils durch Wahl der Telekom-Netzbetreibervorwahl 01033 zur Klägerin zurückkehrt, ist angesichts des erforderlichen Aufwandes und mangelnder Praktikabilität rein theoretischer Natur. Hinzu kommt, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht eindeutig sagen konnte, ob auf diesem Weg eine Nutzung der von ihr angebotenen „Flatrate“ überhaupt möglich ist.
Das Landgericht hat seine abweichende Entscheidung auf die Erwägung gestützt, dass eine „Pre-Selection“-Schaltung für Kunden interessant sein könne, die ganz überwiegend ins Ausland oder ins Mobilnetz telefonieren.
Dem ist entgegenzuhalten, dass der kleine Kundenkreis der häufigen Auslands und Mobilnetztelefonierer sich in der Regel schon gar nicht für das blickfangmäßig im Mittelpunkt der Werbung stehende FlatrateAngebot für das deutsche Festnetz interessiert. Dieses Angebot macht für diesen Personenkreis allein deshalb keinen Sinn, weil die Auslandsanrufe mit der Flatrate gerade nicht verbilligt werden.
Was die Mobilfunknutzer betrifft, standen schon bislang und stehen diesem Nutzerkreis zunehmend netzintern günstige Tarifangebote zur Wahl. […]
5. Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung. Insbesondere sind von den tragenden Gründen dieses Urteils abweichende obergerichtliche Entscheidungen weder von den Parteien vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Das Urteil basiert auf mehreren tatsächlichen Annahmen, die sich als schwer haltbar erweisen.
1. Neben einer Flatrate soll die Verwendung von Pre-Selection-Nummern wirtschaftlich sinnlos sein.
Bei näherem Hinsehen erweisen sich regelmäßig die Verbindungen in (fremde) Mobilfunknetze und selbstverständlich zu ausländischen Anschlüssen als zusätzlich kostenpflichtige Gespräche. Im Preiskampf der TK-Anbieter wäre es denkbar, dass externe Angebote die erwähnten "netzinternen Tarifangebote" unterbieten können und daher eben doch interessant sind.
Dies findet in der Entscheidung keine Berücksichtigung. Ging es in der Entscheidung um eine "echte" Flatrate? Das ist nicht ersichtlich. Die Entscheidung wird jedenfalls nicht unbesehen auf alle derzeitigen Angebote für Flatrates übertragbar sein.
2. Die Ablehnung der Zulassung der Revision ist zu bedauern. Im TK-Markt geht es um eine Vielzahl von Verträgen und in der Summierung der Leistungen werden Umsätze generiert. Hier wäre es durchaus denkbar, die Nutzergruppe von Pre-Selection-Nummern als relevant zu betrachten. Auch relevant genug, um die Frage zu klären, ob eine solche Gruppe selbst schon groß genug ist, dass bzw. ob sie in der Werbung berücksichtigt werden muss.
3. Der Problemkreis des Unterlassens wird in der Regel im Strafrecht mit großer Aufmerksamkeit in Urteilen bewertet. In dem vorliegenden Urteil erscheint das Unterlassen einer weiteren Angabe irgendwie nicht wirklich erörterungswürdig. Ab wann ein Unterlassen irreführende Werbung darstellen kann, ist sicherlich einer gründlicheren Überlegung wert.