Ein Gastbeitrag von Sören Rößner, LL.M., Berlin
Noch steht nicht endgültig fest, ob das Bundeskartellamt die Übernahme des Kabelnetzbetreibers Kabel Baden-Württemberg durch die Unitymedia-Eignerin Liberty Global erneut prüfen muss, nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf den entsprechenden Freigabebeschluss überraschenderweise aufgehoben hat. Die gegen die Entscheidung eingelegte Beschwerde ist noch vor dem Bundesgerichtshof anhängig. Allerdings muss man es derzeit als nicht unwahrscheinlich ansehen, dass die Rechtsmittel zurückgewiesen werden und dieser für die deutsche TK- und Medienbranche höchst bedeutsame Milliardendeal somit Gegenstand einer weitergehenden fusionskontrollrechtlichen Untersuchung werden wird.
Insofern kann bereits jetzt die Frage gestellt werden, inwiefern sich die Kriterien, die das Bundeskartellamt bei einer erneuten Prüfung anzulegen hätte, von denjenigen im ersten Anlauf unterscheiden könnten. Zunächst liegt es auf der Hand, dass die Maßgaben des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu berücksichtigen wären. Dabei würde sich das Bundeskartellamt insbesondere mit den Ausführungen des Senats zur sachlichen und räumlichen Abgrenzung des Signalmarktes sowie zur Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch die strukturelle Verhinderung zukünftigen potenziellen Wettbewerbs auseinandersetzen müssen.
So sei nach dessen Auffassung aufgrund ausreichend konkreter Anhaltspunkte mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass ohne den Zusammenschluss in den nächsten Jahren im Netzgebiet von Unitymedia, also in Hessen und Nordrhein-Westfalen, potenzieller Wettbewerb durch Kabel BW entstehen würde. Auch würde das Bundeskartellamt die Erwägung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu beachten haben, dass die Verpflichtungen, mit denen die Freigabe dieses Milliarden-Deals verbunden worden waren, nicht geeignet gewesen seien, die aus der Fusion resultierende Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von Unitymedia auf dem leitungsgebundenen Signalmarkt hinreichend zu kompensieren, so dass zu prüfen wäre, ob der Zusammenschluss unter geänderten Bedingungen und Auflagen freigegeben werden kann.
Daneben böte sich im zweiten Anlauf auch die Gelegenheit, sich verstärkt mit den Inhalteaktivitäten des Medienkonzerns Liberty Global und denen seines Chairmans John Malone zu befassen. So verfügen diese über zahlreiche Beteiligungen an TV-Veranstaltern, die auch im deutschen Medienmarkt vertreten sind. Zu nennen sind hier Discovery Communications als Betreiber von Discovery Channel, Animal Planet und DMAX, Eurosport als Betreiber von Eurosport und Eurosport 2 sowie QVC als Betreiber von QVC, QVC Plus und QVC Beauty & Style.
Bereits im Jahr 2002 hatte sich das Bundeskartellamt im Rahmen des Versuchs der Übernahme der KDG bzw. der entsprechenden Regionalgesellschaften mit den Inhalteaktivitäten von Liberty auseinanderzusetzen und den Deal nicht zuletzt mit Blick darauf untersagt. Schon damals war Liberty über verschiedene Beteiligungsunternehmen als Inhalteanbieter tätig. Dies hatte die zuständige Beschlussabteilung seinerzeit maßgeblich in ihre Erwägungen einbezogen.
So hatte das Bundeskartellamt eine zusammenschlussbedingte Verstärkung der marktbeherrschenden Stellungen der KDG-Regionalgesellschaften auch unter dem Aspekt der Verbesserung des Zugangs zu Inhalten gesehen, nämlich durch verbesserten Zugriff auf Inhalte von mit Liberty verbundenen Unternehmen und durch die Erhöhung der Einkaufsmacht – auch verbunden mit der Möglichkeit, Ausschließlichkeitsvereinbarungen mit den Inhalteanbietern zu schließen. Hierdurch hätte sich die Position von Liberty im Wettbewerb um Gestattungsverträge verbessert.
Diese Erwägung betraf insbesondere diejenigen Programmveranstalter, an denen Liberty Mitkontrolle ausübte. Die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten hätten in der Weise genutzt werden können, dass der Inhalteanbieter veranlasst wird, Liberty bevorzugt mit Programmen zu beliefern. Liberty hätte daher im Ergebnis bei Beteiligungsunternehmen günstiger einkaufen können als andere Netzbetreiber, die mit ihr im potenziellen Wettbewerb stehen.
Zudem sei zu erwarten gewesen, dass die Liberty-Kanäle nach dem Zusammenschluss bevorzugt in das Netz der erworbenen Regionalgesellschaften eingespeist werden, womit sich deren Bekanntheit und Bedeutung erhöht hätten. Dies konnte nach Ansicht des Bundeskartellamtes auch nicht mit dem Hinweis darauf heruntergespielt werden, dass es sich um bloße Spartenkanäle handelte, da dies die Bedeutung von Spartenkanälen für ein digitales Kabelangebot verkenne. Ebenso hatte die Beschlussabteilung im Rahmen ihrer damaligen Beurteilung nicht gelten lassen, dass es sich bei den Beteiligungen an Inhalteanbietern um bloße Minderheitsbeteiligungen handelte, da im Zusammenhang mit der Fusion gerade auch die Erwägung eine Rolle gespielt habe, dass diese Beteiligungen von der erweiterten Reichweite profitieren würden.
Der verbesserte Zugang zu Inhalten hätte auch dazu geführt, dass sich die Zuschauer an die von Liberty verbreiteten Programme gewöhnen, mit der Folge, dass der Wohnungsgeber bei der Neuvergabe des Gestattungsantrages einen starken Anreiz hat, sich erneut für Liberty zu entscheiden. Zu einer Gewöhnung hätte auch beigetragen, dass Liberty eigene Programme zusammen mit etablierten und bekannten Programmen in Paketen zusammenfasst.
Darüber hinaus vertrat das Bundeskartellamt im Jahre 2002 die Auffassung, dass durch die Kombination mit den Inhalteaktivitäten von Liberty auch die marktbeherrschende Stellung der KDG-Regionalgesellschaften auf den Einspeisemärkten verstärkt worden wäre. So sei ein Kabelnetzbetreiber weniger auf die Einspeisung fremder Inhalte angewiesen, wenn er über eigene Inhalte verfüge. Im Ergebnis sah die Beschlussabteilung angesichts der Tatsache, dass Liberty durch den Zusammenschluss die meisten Breitbandkabelkunden in Deutschland versorgt und das Netz zum Vertrieb eigener Inhalte genutzt hätte, eine deutliche Verstärkung der schon bestehenden marktbeherrschenden Stellung, da die ansonsten zu erzielende Reichweite für Rundfunksender und andere Programmanbieter nicht ausgereicht hätte, um mit wirtschaftlichem Erfolg Konkurrenzprogramme zu denen von Liberty anzubieten.
All diese Aspekte kamen in der bisherigen Prüfung des Bundeskartellamtes zu kurz. In einem möglichen zweiten Anlauf könnte es die Chance nutzen, seine früheren Erwägungen mit Blick auf die Inhalteaktivitäten von Liberty Global wieder aufzugreifen. Sollte die Beschlussabteilung den Zusammenschluss am Ende trotz aller kartellrechtlichen Bedenken nicht untersagen, sondern unter – freilich deutlich verschärften – Bedingungen und Auflagen freigeben, wäre die Medienaufsicht in verstärktem Maße gefordert. So wäre im Rahmen der rundfunkrechtlichen Plattformregulierung darauf zu achten, dass zur Sicherung der Meinungs- und Angebotsvielfalt sowohl Chancengleichheit als auch Diskriminierungsfreiheit in Bezug auf den Zugang und mit Blick auf die Auffindbarkeit sämtlicher Rundfunkangebote umfassend gewährleistet sind, damit andere Inhalteanbieter bei der Verbreitung ihrer Angebote weder unbillig behindert noch gegenüber gleichartigen konzerneigenen Konkurrenten ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt werden.
Hintergründe zu der Entscheidung des OLG Düsseldorf bei der LTO.
Der Autor Sören Rößner, LL.M. ist Rechtsanwalt und Mitgründer der Kanzlei MMR Müller Müller Rößner, Berlin, die unter anderem auf das Telekommunikationsrecht, das Medienrecht und das Urheberrecht spezialisiert ist. Zudem fungiert er als Justiziar des Fachverbandes für Rundfunk- und BreitbandKommunikation (FRK).