Open Access in Harvard, Spiegelarchiv gratis
In der Bildungslandschaft werden die Karten neu gemischt. Nachdem vor sieben Jahren die Wikipedia angetreten war, den etablierten Verlagen den Kampf anzusagen, hat sich die Welt in einem Jahrzehnt drastisch verändert: Die Tendenz geht zur freien Verfügbarkeit von Inhalten.
So können Wissenschaftler in der geisteswissenschaftliche Fakultät (FAS) der Universität Harvard ihre Werke nun als „Open Access“ veröffentlichen. Dabei werden die Inhalte durch das Internet weltweit frei und kostenlos verfügbar gemacht. Forscher können sich aussuchen, ob sie unter Open Access oder auf andere Weise publizieren.
Die Fakultät zieht damit die Konsequenzen aus den rapide gestiegenen Kosten und den restriktiven Bestimmungen der wissenschaftlichen Verlage. „Viele Verlage erlauben den Forschern nicht einmal die Nutzung und Verbreitung ihrer eigenen Werke“, beklagt Professor Stuart Shieber von der FAS. Auch hätten viele individuelle und institutionelle Nutzer angesehene Fachzeitschriften aus Kostengründen abbestellt. Von einer Nutzung des Wissens in ärmeren Ländern könne obendrein gar keine Rede sein. Die Fakultät wolle daher ein deutliches Zeichen setzen, dass die Akademiker mehr Kontrolle über ihre Forschungsergebnisse brauchen, so Shieber weiter.
Spiegel gibt Paid Content auf
Und auch der Spiegel lockert seine Nutzungsbedingungen: Mit dem Portal „Spiegel Wissen“ werden 300.000 Artikel aus dem Printarchiv der Spiegel-Verlagsgruppe (Spiegel, Spiegel Online, Manager Magazin) für die private Nutzung kostenlos veröffentlicht. In einem ähnlichen Schritt hatte Ende letzten Jahres die New York Times Aufsehen erregt.
Das Portal ist ein Joint Venture von Spiegel und Bertelsmann und vereint Spiegel-Archiv und Bertelsmann-Lexika unter einem Dach. Auch Inhalte aus der deutschen Wikipedia sind auf dem Portal enthalten. Hauptfunktion des Portals soll aber nicht die bloße Suche nach Artikeln aus den drei Archiven sein, sondern die intelligente Verknüpfung der Inhalte, meldet heise. Dazu hat das Portal eine achtköpfige Redaktion, die die Inhalte aufbereiten, ständig aktualisieren und erweitern soll.
Als weiteres Schwergewicht setzt der Brockhaus-Verlag nun auf werbefinanzierte Inhalte: Zunächst wurde mit Meyers Lexikon Online ein Auftritt ähnlich der Wikipedia geschaffen. Nachdem sich die Website schnell großer Nachfrage erfreute, geht der Traditionsverlag nun auch mit der Brockhaus-Enzyklopädie online – gratis und mit Multimedia-Inhalten. Diversen Medien zufolge soll sogar die Print-Ausgabe eingestellt werden.
Digitale Revolution
Waren akademische Inhalte schon lange im Internet, ist es jetzt selbstverständlich, auch online „im Lexikon nachzuschlagen“. Die Forderung der Universität Harvard nach freiem Zugang könnte in der Wissenschaft eine ähnliche Signalwirkung haben, wie die Öffnung der New York Times-Archive für den Journalismus. Schließlich fechten Brockhaus und Bertelsmann nun online um die Vorherrschaft beim Wissen im deutschsprachigen Raum, wobei mit Spiegel und Wikipedia sehr ungleiche Bündnispartner mit ganz eigenen Vorstellungen dazukommen. Dass die Leser nun einerseits zu den Inhalten beitragen, und sie gleichzeitig kostenfrei ins Haus bekommen, gleicht einer Revolution. Genau der Revolution, um derentwillen die Wikipedia vor etwa sieben Jahren angetreten war.