Telemedicus

, von

Übersicht: Neuregelung der TK-Überwachung

Am 9. November hat der Bundestag nicht nur die Vorratsdatenspeicherung beschlossen, sondern auch eine Reform der Strafprozessordnung (StPO). Genauer: Die Änderung der Normen zur Telekommunikations-Überwachung und anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen. Ziel der Neuregelung ist eine „Harmonisierung des Gesamtsystems“ sowie ein verbesserter Grundrechtsschutz für die Betroffenen. Der Gesetzgeber reagiert damit auch auf eine sprunghafte Zunahme der Überwachungsanordnungen in den letzten Jahren.
Für die Neuregelung war die Entscheidung des BVerfG zum sog. „Großen Lauschangriff“ leitend: Eben weil diese Ermittlungsmethoden unbemerkt durchgeführt werden, greifen sie besonders stark in die Grundrechte der Betroffenen ein. Relevant ist dabei das Fernmeldegeheimnis, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und bei der akustischen Wohnraumüberwachung auch die Unverletzlichkeit der Wohnung. Dieses Eindringen in die Privatsphäre darf nur als äußerstes Mittel eingesetzt werden.

Neuformulierung des Eingriffs-Katalogs

Überwachungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn der Verdacht auf eine der aufgezählten Straftaten vorliegt. Dieser Katalog wird nun geändert: Erfasst sind nur Straftaten, die eine Höchststrafe von über 5 Jahren Freiheitsstrafe vorsehen. Außerdem sind noch Delikte der Wirtschaftskriminalität, des Völkerstrafgesetzbuches sowie solche aus den Bereichen Menschenhandel und Kinderpornographie genannt.

Schutz der Intimsphäre

Das BVerfG verlangt, dass auch bei verdeckten Ermittlungen stets die Intimsphäre als Kernbereich des Privatlebens geschützt bleibt. Diese ist nämlich Bestandteil der Menschenwürde und somit unantastbar – sie kann noch nicht mal durch ein Gesetz eingeschränkt werden. Die Reform normiert deshalb ein umfassendes Erhebungs- und Verwertungsverbot für derartige Kommunikationsinhalte. Gegner des Gesetzes sehen hier Lücken: Gerade die Vorkehrungen die dafür sorgen sollen, dass intime Daten gar nicht erst aufgezeichnet und gespeichert werden, seien nicht ausreichend.

Grundrechtsschutz durch Verfahrensregeln

Der Anspruch des Gesetzes ist es, gerade durch das Verfahren die Grundrechte der Betroffenen zu wahren. So gilt zum Beispiel ein strenger Richtervorbehalt für alle Maßnahmen. Er wird dadurch noch verschärft, dass stets das Gericht am Sitz der ermittelnden Staatsanwaltschaft zuständig ist. Das schaffe Vergleichsmöglichkeiten, die die Sachkompetenz der Richter förderten. Weitere Verfahrensrechte sind eine Benachrichtigungspflicht, die von den Gerichten kontrolliert wird, und nachträgliche Rechtsschutzmöglichkeiten. Für die erhobenen Daten gelten einheitliche Kennzeichnungs-, Verwendungs- und Löschungsregeln.

Aber reichen Verfahrensregeln für einen effektiven Grundrechtsschutz aus? Das wird von Kritikern bezweifelt: Untersuchungen hätten gezeigt, dass nur materielle Eingriffsschranken eine ausreichende Garantie böten. Das Gesetz arbeitet zwar mit Subsidiaritätsklauseln, die eine besondere Begründung für eine Maßnahme verlangen. Diese seien aber uneinheitlich und unbestimmt. Erfordernisse wie eine „wesentliche Erschwerung“ der Ermittlungen (ohne die beantragte Maßnahme) seien für einen wirksamen Schutz der Betroffenen nicht geeignet.

Ausnahmen für bestimmte Berufsgruppen

Neu geregelt hat man auch den speziellen Schutz für zeugnisverweigerungsberechtigte Personen. Er gilt jetzt für alle Maßnahmen einheitlich und erstreckt sich auch auf die Berufshelfer. Allerdings werden die Berufsgeheimnisträger in zwei Gruppen eingeteilt: Seelsorger, Strafverteidiger und Abgeordnete können ihre Rechte aus der Verfassung ableiten. Für sie gilt eine generelle Ausnahme in der Form eines umfassenden Erhebungs- und Verwertungsverbotes.

Die zweite Gruppe erfasst zum Beispiel Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten. Bei diesen kenne die Verfassung keinen grundsätzlichen Interessensvorrang. Vielmehr würde ein solcher die Strafverfolgung und Wahrheitsfindung behindern. Deswegen sei hier stets der Einzelfall entscheidend: Die Zulässigkeit einer Maßnahme ergibt sich aus einer konkreten Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dabei wird die Bedeutung des Grundrechts (zum Beispiel die Pressefreiheit) mit den Interessen der Strafverfolgung (insbesondere die Höhe der Straftat) abgewogen. Relevant für Medienmitarbeiter ist auch der Informantenschutz. Dieser bestimmt ein Verwertungsverbot für Zufallsfunde. Allerdings nur in den Fällen, die eine Straftat zum Gegenstand haben, die mit unter 5 Jahren Freiheitsentzug bedroht ist.

Ausnahme: „Verstrickung“

Aber was, wenn der Verdacht besteht, dass ein Berufsgeheimnisträger selbst in eine Straftat verstrickt ist? Dann sieht das Gesetz ausnahmsweise den Erlass von Überwachungsmaßnahmen vor. Um insbesondere die Pressefreiheit auch in diesen Fällen zu gewährleisten, gelten besondere Voraussetzungen. So muss eine Ermächtigung zur Strafverfolgung (auch gegen den Medienmitarbeiter) vorliegen.

Die Differenzierung nach Berufsgruppen wird zum Teil stark kritisiert: Man hätte so ein ungerechtfertigtes und sachwidriges „Zwei-Klassen-System“ geschaffen. Notwendig sei ein einheitlicher und absoluter Schutz. Ein solcher dürfe keinen Raum für Abwägungen lassen. Die Verstrickungsklausel wird als Einfallstor für Umgehungen des Grundrechtsschutzes gesehen. So könnten die Grundrechte dieser Personen nicht ausreichend gewahrt bleiben.

Zum Gesetzestext (pdf).

Kritische Stellungnahme der Humanistischen Union (pdf).

, Telemedicus v. 16.11.2007, https://tlmd.in/a/513

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter

In Kooperation mit

Kommunikation & Recht

Hosting

Domainfactory