Vor einigen Monaten veröffentlichten wir auf Telemedicus und auf Netzpolitik.org den Aufruf, gemeinsam einen Alternativentwurf zum Telemediengesetz auszuarbeiten. Im Verlauf des Projekts arbeiteten verschiedene Juristen zusammen und erzielten dabei einige Fortschritte – einen endgültigen, vollständigen Entwurf erreichten wir aber nicht.
In der aktuellen JurPC sind nun zwei Aufsätze erschienen, die sich mit den Ergebnissen beschäftigen.
Simon Möller, Stephan Ott:
Von dem Versuch, ein Gesetz in einem Wiki zu schreiben
Am Anfang des Projektes stand eine Idee: Ist es möglich, ein Gesetz unter Einbindung all derjenigen zu entwerfen, die direkt von ihm betroffen wären – also insbesondere den Bürgern und den mit diesem Rechtsgebiet befassten Juristen? Ein solcher Entwurf könnte geschrieben werden, indem all diese „Stakeholder“ über eine sog. Wiki-Software eingebunden werden. Mittels dieser Software – so war die Idee – sollten sich die Beteiligten über mögliche Gesetzesänderungen austauschen und schließlich einen vollständigen Entwurf eines neuen Gesetzes präsentieren.
Das Projekt wurde durchgeführt, indem versucht wurde, einen Neuentwurf für das Telemediengesetz auszuarbeiten. Ein vollständiger Entwurf wurde aber letztlich nicht erreicht. Dieser Beitrag beschreibt die Ansatzpunkte des Versuchs, die Schwierigkeiten, die sich daraus ergaben und benennt die Gründe für das partielle Scheitern. Schließlich soll erörtert werden, ob ein ähnliches Projekt – unter anderen Rahmenbedingungen – erfolgreich sein könnte.
Stephan Ott, Simon Möller
TMG Wiki: Vorschläge für eine Neuregelung der Impressumspflicht für Webseiten
Auf der einen Seite wurde vorgebracht, der Entwurf käme faktisch einer Abschaffung der Impressumspflicht gleich. Es wäre lebensfremd zu glauben, ein Websitebetreiber würde seine Adresse herausrücken, damit er verklagt werden kann. Auf der anderen Seite kann jedoch auch von einem rechtstreuen Anbieter als Leitbild ausgegangen werden, der seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt. Wenn er dies nicht tut, verletzt er zudem eine im Interesse des Verletzten liegende Vorschrift und wird schadensersatzpflichtig für Schäden, die durch ein ungerechtfertigt langes Zögern oder eine Nichtbeantwortung entstehen. Es liegt also im Interesse des Betreibers, zu antworten, zumal seine Identität ohnehin nicht langfristig zu verbergen sein wird.
Einigkeit bestand darüber, dass sich die Bedenken gegen eine derartige Lösung noch weiter zerstreuen ließen, wenn es gelänge, die Offenlegung der Identität des Websitebetreibers bei einem berechtigten Interesse besser zu garantieren. Dies könnte z.B. dadurch erreicht werden, dass nicht nur dieser, sondern auch ein neutraler Dritter über die Daten verfügt. Und an dieser Stelle kam der Entwurf eines Bürgerportalgesetzes ins Spiel.
In der Folge fomuliert der Aufsatz einen Vorschlag für eine Neufassung der Impressumspflichten: Statt völliger Offenlegung soll es bei privaten Angeboten auch ausreichen, geschützte Pseudonymität zu wahren. Dabei kommt das DE-Mail-System aus dem neuen Bürgerportalgesetz zur Anwendung, das für diesen Fall das optimale rechtliche Framework stellt.
Das TMK-Wiki-Projekt ist derweil weitestgehend eingeschlafen. Dennoch zeigen die beiden Aufsätze m.E., dass sich der Aufwand gelohnt hat.