Prof. Dr. Hoeren von der Uni Münster hat vorgestern eine sehr lesenswerte Stellungnahme zum GEMA-Youtube-Streit veröffentlicht. In dieser nimmt er die vom LG Hamburg angesprochene Verpflichtung von Youtube zur manuellen Wortfilterung unter die Lupe. Diese Vorsorgemaßnahme soll den zukünftigen Upload von gemeldeten, rechtsverletzenden Content verhindern. Aus der Stellungnahme:
„Rein faktisch werden die Nutzer sehr schnell durch falsche oder unvollständige Dateinamen den Filter umgehen. Auch besteht die Gefahr des grundrechtsrelevanten Overblocking, da durch die Wortfilter auch Videos identifiziert würden, die das gesuchte Werk gar nicht enthalten. So zeigen sich bei Eingabe eines der streitgegenständlichen Lieder „Im Kindergarten“ von Rolf Zuckowski 183 Treffer bei Youtube, einschließlich Videos zum hier diskutierten Urteil. All diese müßten erst einmal gesperrt werden. Das Gericht schlägt dann zwar vor, doch die betroffenen User vorab einzubinden und diese verfahrensmäßig vor der Sperrung über die „bedenklichen“ Schlüsselbegriffe zu informieren. Doch das ist mühevoll und kompliziert. Wer weiß schon, ob etwas rechtens ist? Und: Rührt sich der User nicht, käme es wohl zur Sperrung. Insofern würden viel Unschuldige durch ein solches Notice and Take Down Verfahren eingeschüchtert und in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt.“
Leider hat das LG Hamburg versäumt näher darauf einzugehen, ob und inwieweit das Wortfilter-System überhaupt wirtschaftlich zumutbar ist. Denn gerade die manuelle Nutzung des Wortfilters, der Verfahrensablauf und die gegebenenfalls anschließende Entfernung von Videos infolge einer Take Down Notice ist in Anbetracht der Millionen von Musikvideos auf Youtube kostspielig und zeitaufwendig.
Es bleibt abzuwarten, ob die Berufungsinstanz sich zu diesen Punkten äußern wird. Dieses ist schließlich nicht nur für Youtube, sondern auch für weitere Hostprovider von Bedeutung.
Weiter zur Stellungnahme von Prof. Dr. Hoeren bei beck.de.
Telemedicus zum erstinstanzlichen Urteil. Artikel vollständig lesen
Das Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) der Westfälischen-Wilhelms Universität Münster (WWU) schreibt die bundesweit erste Juniorprofessur für IT-Recht aus. Lehrstuhlinhaber Professor Dr. Thomas Hoeren wird diese betreuen. Das Dienstverhältnis soll sechs Jahre dauern und wird durch die RWTÜV-Stiftung (Rheinisch-Westfälische Technische Überwachungsverein e. V.) finanziert. Diese fördert Forschung und Wissenschaft in den Gebieten Sicherheit, Technik und Umwelt.
Eine Juniorprofessur ermöglicht es, Professor zu werden, ohne zu habilitieren. Voraussetzungen sind ein abgeschlossenes Studium und eine besondere Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten. In der Regel beweist dies eine herausragende Promotion. Ein Juniorprofessor übernimmt Lehraufgaben und forscht selbstständig.
IT (Informationstechnik) ist in Deutschland rechtlich kaum erforscht. Dies führt dazu, dass die meisten Softwareprojekte beim ersten Versuch scheitern. Professor. Dr. Thomas Hoeren erklärt dies damit, „dass (…) weder Auftraggeber noch Auftragnehmer bei Abschluss des Vertrages wissen, was genau bei einer solch hochkomplexen Entwicklungsaufgabe auf sie zukommt. (…) Da hilft das 100 Jahre alte Werkvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches oft nicht mehr weiter.” Dieses Problemfeld zu erforschen, soll Ziel der Stiftungsprofessur sein. Laut dem Vorstandsvorsitzenden der Stiftung soll sich der Inhaber der Professur „mit der Frage beschäftigen, wie sich die permanent erforderlichen Änderungen im Verlauf eines Softwareprojektes in rechtlich klare Sollvorgaben fassen lassen.”
Ein hochinteressantes Gebiet und ein Sprungbrett in eine (nicht unbedingt nur) akademische Karriere.
Erst wenige Wochen ist es her, da hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) ein Gutachten zum Two-Strikes-Verfahren vorgelegt. Untersucht und im Ergebnis bejaht wurde die Frage, ob Warnhinweise für notorische Urheberrechtsverletzer im Netz auch in Deutschland denkbar wären (Telemedicus berichtete). Der Verband der deutschen Internetwirtschaft „eco” hatte damals bereits Bedenken geäußert. Allerdings wollte man die Studie in aller Ruhe bewerten.
Das ist jetzt offenbar geschehen – mit Hilfe von dritter Seite. Thomas Hoeren, Juraprofessor an der Uni Münster, hat im Auftrag des Branchenverbandes eco ein Gegengutachten erstellt, wie Zeit Online berichtet. „Weisungsfrei und unabhängig” sei es laut Einleitung erstellt worden, so das Blatt unter Berufung auf das dort vorliegende Gutachten. Darin komme Hoeren zu dem Ergebnis, dass solche Modelle in mehrerlei Hinsicht rechtswidrig sind. „Erhebliche Bedenken” bestünden „sowohl aus politischer, praktischer, technischer als auch aus rechtlicher Sicht”.
Das Gutachten selbst wurde (noch) nicht veröffentlicht. Für die Gegner solcher Warnmodelle dürfte es aber schon jetzt ein wichtiger Schritt weg vom „Two-Strikes”-Modell sein.
Update, 03.03.2012: Das 40-seitige Kurzgutachten ist nun als PDF auf den Seiten des eco abrufbar.
Zum Bericht bei Zeit Online.
Telemedicus zum BMWi-Gutachten.
Schattenbericht zum BMWi-Gutachten von der Digitalen Gesellschaft. Artikel vollständig lesen
Thomas Hoeren hat erneut sein kostenloses Skriptum „Internet-Recht“ aktualisiert. Nunmehr befindet es sich auf dem Stand von Oktober 2011. Das mittlerweile 579 Seiten starke Skript wird seit jeher zum kostenlosen Download zur Verfügung gestellt und hat sich über die Jahre zu einem Standardwerk entwickelt.
Hoeren selbst zu den Neuerungen:
Das Skriptum Internetrecht wurde einem grundlegenden Relaunch unterzogen Alle Fußnoten wurden noch einmal geprüft, ergänzt und um aktuelle Belege erweitert. Die Literaturhinweise wurden aktualisiert. Neu sind Themen wie Social Media, aktuelle Rechtsprechung zur Haftung (Incl. BGH, Thumbnail 2/ EuGH, L´oreal), Änderungen beim internationalen Gerichtsstand u.v.a. Es wurden mehr als 300 Urteile neu eingearbeitet und ganze Kapitel neu geschrieben.
Darüber hinaus wurde auch sein Skript „IT-Recht“ aktualisiert.
Skript Internetrecht, Stand Oktober 2011 (PDF).
Professor Hoeren vom ITM in Münster beschäftigt sich im Editorial der aktuellen MMR mit dem „Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme“, das das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Online-Durchsuchung geschaffen hat:
„Da ist schon der Titel des neuen Grundrechts selbst, der mich nachdenklich macht. Ein „System“ kann nicht vertraulich und integer sein. Vertraulichkeit und Integrität sind personelle Tugenden. Geschützt sein kann nur die Vertraulichkeit der von dem System verarbeiteten Daten sowie die Integritätserwartung der Betroffenen, was die Sicherheit des Systems angeht […]. Und was ist hier mit „informationstechnisches System“ gemeint? Die Software, die Hardware, das Zusammenspiel? Die Entscheidung erwähnt als Beispiele für ein System den „Personalcomputer“ […], „Telekommunikationsgeräte“ […] oder „elektronische Geräte, die in Wohnungen oder Kraftfahrzeugen enthalten sind“ […]. Die Terminologie ist hier eigentümlich antiquiert und vage.“
Der Kommentar von Prof. Hoeren bei der MMR. Artikel vollständig lesen