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Streit um pan-europäische Musiklizenzen

Erneut hat die CELAS, der Zusammenschluss der britischen Verwertungsgesellschaft MCPS-PRS sowie der deutschen GEMA, europaweite Musiklizenzen vergeben. Das Online-Musikportal roccatune kann nun seinen Nutzern in ganz Europa das Repertoire des Labels EMI via On-Demand-Streaming anbieten.

Das würden auch andere Verwertungsgesellschaften gerne tun. Aber als die niederländische Buma grenzüberschreitende Nutzungsrechte für das Weltrepertoire an einen Online-Musikdienst vergeben hatte, wurde sie just von PRS und der GEMA verklagt. Beide Verwertungsgesellschaften machten in jeweils getrennten Prozessen geltend, die Buma sei zu diesem Schritt nicht berechtigt gewesen. Diese Ereignisse zeigen, wie umstritten die grenzüberschreitenden Lizenzen sind. Und das hat mit dem bisherigen System der kollektiven Rechtewahrnehmung zu tun – das es so womöglich bald nicht mehr geben wird.
Angefangen haben die Probleme mit der Ausbreitung des Internets: Musik-Dienste, die prinzipiell Nutzern aus aller Welt offen stehen, sahen sich streng national organisierten Verwertungsgesellschaften gegenüber. Sie hätten also für jedes Land, in dem ihr Angebot genutzt werden kann, bei der zuständigen Verwertungsgesellschaft Lizenzen beantragen müssen. Zunächst versuchten die Verwertungsgesellschaften dieses Problem selbst zu lösen. Das „Santiago-Abkommen“ führte ein One-Stop-Shop-System ein; durch „Gegenseitigkeitsvereinbarungen“ durften die beteiligten Verwertungsgesellschaften Rechte für die Nutzung von Musik im Internet auch über ihre Zuständigkeitsgrenzen hinaus anbieten. Doch auch hier blieb man dem Territorialitätsprinzip treu. Denn eine solche pan-europäische Lizenz bekommt man nur bei der Verwertungsgesellschaft des eigenen Landes (Klausel über den wirtschaftlichen Mittelpunkt).

EU-Kommission will mehr Wettbewerb

Ein Wettbewerb unter den Verwertungsgesellschaften ist somit ausgeschlossen. Wettbewerb ist aber genau das, was die EU-Kommission gerne haben möchte. Deshalb hat auch sie sich in die Diskussion eingemischt und Bedenken gegen solche einschränkenden Territorialitätsbestimmungen geäußert. Die Buma hat diese Äußerungen ernst genommen und das Santiago-Abkommen nicht unterschrieben. Und das wurde ihr in den Prozessen gegen PRS und GEMA zum Verhängnis, weil ihr damit das Recht zur grenzüberschreitenden Rechteeinräumung fehlt.

Allerdings hat die EU-Kommission am 16. Juli entschieden, dass genau solche einschränkenden Gegenseitigkeitsvereinbarungen mit EU-Recht nicht vereinbar sind, weil sie nationale Monopole sichern. Zwar hat die GEMA Ende September eine Anfechtungsklage gegen diese Entscheidung beim Europäischen Gericht Erster Instanz eingereicht; dennoch stehen die Verträge zwischen den Verwertungsgesellschaften erstmal auf wackeligen Füßen. Deswegen existieren bereits zwei alternative Geschäftsmodelle zur Erteilung europaweiter Musik-Lizenzen für das Internet: Das „Pan-European Digital Licensing“ (PEDL) erlaubt es Musikverlagen, nicht-exklusive Rechte einzuräumen; die teilnehmenden Verwertungsgesellschaften dürfen daraufhin europaweite Lizenzen an Online-Musikdienste vergeben. Eine solche Vereinbarung steht prinzipiell allen Verwertungsgesellschaften offen.

Kleine Verwertungsgesellschaften in Gefahr?

Das Gegenmodell ist die CELAS. Hier vertreiben die britische MCPS-PRS und die deutsche GEMA das Repertoire des Labels EMI. Allerdings haben sie sich von dem Musikverlag exklusive Lizenzen einräumen lassen. Andere Verwertungsgesellschaften können sich daran also gerade nicht beteiligen. Mit der aktuellen Kartell-Entscheidung der EU-Kommission könnte die nationale Struktur der Verwertungsgesellschaften bald der Vergangenheit angehören; dann werden diese Geschäftsmodelle vollständig an die Stelle der bisherigen Gegenseitigkeitsvereinbarungen treten. Kritiker befürchten aber, dass sich gerade kleine Verwertungsgesellschaften in dem neuen System nicht mehr behaupten können. Ohne Zweifel hätten hier große Gesellschaften wie die der CELAS einen enormen Vorteil, weil sie für die Verlage als Vertragspartner attraktiver sind.

Auch das EU-Parlament hat sich nun ausdrücklich diesen kritischen Stimmen angeschlossen. In einer Entschließung vom 25. September heißt es:

„[Das Europäische Parlament] ist der Auffassung, dass mit der in dieser Hinsicht getroffenen Entscheidung alle Versuche der betroffenen Parteien, gemeinsam zu handeln, um geeignete Lösungen zu finden – zum Beispiel ein System zur Freigabe der Nutzungsrechte auf europäischer Ebene – unmöglich gemacht werden und einem Oligopol mit einigen großen Verwertungsgesellschaften, die durch exklusive Vereinbarungen an Verlage mit einem weltweiten Repertoire gebunden sind, der Weg geebnet wird;
[es] ist der Auffassung, dass dies zu einer Einschränkung des Angebots und zum Verschwinden kleiner Verwertungsgesellschaften führen wird, zum Nachteil der kulturellen Minderheiten“ […].

Hinter dieser Ansicht steckt die Überzeugung, dass die nationalen Monopole der Verwertungsgesellschaften durchaus ihre Berechtigung haben: Diese Stellung rechtfertigt nämlich auch spezielle Verpflichtungen, die den Gesellschaften kraft Gesetzes auferlegt werden können. So unterliegt zum Beispiel die GEMA einem doppelten Kontrahierungszwang. Das bedeutet, das sie grundsätzlich jedem Interessenten angemessene Lizenzen für ihr Repertoire erteilen muss (Abschlusszwang in § 11 WahrnG); außerdem ist sie verpflichtet, die Rechte jedes Künstlers wahrzunehmen, der sich bei bei ihr anmeldet (sog. Wahrnehmungszwang in § 6 WahrnG). Damit wird gewährleistet, dass das System der kollektiven Rechtewahrnehmung jedem Künstler und auch jedem Lizenznehmer offen steht.

Zur Meldung bei den IUM News.

, Telemedicus v. 10.10.2008, https://tlmd.in/a/1001

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