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Spickmich.de – Stellungnahme der bayerischen Datenschützer

Eine Antwort auf das Gutachen der bayerischen Datenschutzbehörde zu Spickmich.de

Die Benotung und Bewertung von Lehrern auf der Internetseite spickmich.de ist datenschutzrechtlich unzulässig. Zu diesem Ergebnis kommt die Bayerische Datenschutzaufsichtsbehörde für den nicht-öffentlichen Bereich in einem heute veröffentlichten Gutachten. Anders als das OLG Köln im November (Telemedicus berichtete) hält die Behörde die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Lehrer für höherrangig gegenüber dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit.

Die Stellungnahme der bayerischen Behörde ist eher ein politisches Statement als ein taugliches juristisches Gutachten. Die Abwägung zwischen den betroffenen Rechtsgütern ist einseitig, unvollständig und wird dem Fall nicht gerecht.Eine knappe halbe Seite widmet der Text der Meinungsfreiheit, die als eher am Rande betroffen angesehen wird:

Die Benotung und die Veröffentlichung von Zitaten von Lehrern auf einer leicht zugänglichen Internetplattform sind wohl nicht gerade Paradebeispiele dafür, was sich unsere Verfassung unter der Ausübung der Meinungsfreiheit vorstellt. Es geht bei spickmich.de nämlich nicht darum, politische oder weltanschauliche Meinungen zu verbreiten. Das wären die klassischen Schutzobjekte des Grundrechts auf Meinungsfreiheit. Es geht hier vielmehr um ein weltweites Bewerten und Kritisieren anderer Menschen im Internet.

Die schwache Stellung der Meinungsfreiheit

Immerhin: Trotz dieser marginalen Bedeutung gewährt die bayerische Behörde den Lehrerbewertungen eine Aufnahme in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, weist ihr aber gleichzeitig eine nur schwache Stellung bei der erforderlichen Rechtsgutabwägung zu:

Man mag derartige Äußerungen noch in den weit zu fassenden Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 Grundgesetz einbeziehen. Dann muss man aber im Hinblick auf ihre vorgenannten Inhalte bei der Gewichtung dieser Rechtsposition erhebliche Abstriche vornehmen.

Allerdings, so die Behörde, stelle ein Verbot derartiger Meinungsäußerungen nur einen geringen Eingriff dar:

Dass eine geringe Gewichtung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit im vorliegenden Fall gerechtfertigt ist, kann man auch daraus ersehen, dass derjenige, der z. B. wegen einer Grundrechtskollision rechtlich gehindert ist, andere im weltweiten Internet zu beurteilen und an den Pranger zu stellen, in der angemessenen Entfaltung seiner Persönlichkeit wohl nur wenig eingeschränkt wäre.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht: Von kritischen Schülern und Mundpropaganda

Sehr viel ausführlicher fällt die Analyse des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Lehrer aus. Zunächst wird das hierin enthaltene Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorgestellt und die Eröffnung seines Schutzbereichs bejaht. Zugestanden wird, dass der Lehrerberuf im Rampenlicht stünde: Lehrer müssten sich Kritik von Schülern und Lehrern gefallen lassen und mit "Mundpropaganda" umgehen können. Hier aber liege der Fall anders:

Dieser dem Beruf immanente Bekanntheitsgrad eines Lehrers im Umfeld der Schule erfährt jedoch mit der elektronischen Bewertungs- und Abrufmethode von spickmich.de im Internet eine unverhältnismäßige Steigerung. Die einzelnen Noten können durch die Schüler durch Knopfdruck leicht eingegeben werden. Die Gesamtnoten werden automatisch errechnet. Das Ergebnis wird in einem Zeugnis dokumentiert und steht zum weltweiten Abruf für jedermann bereit.

Hinzu komme, dass die Benotungen auf der Internetseite nach Aufbereitung und Form "geradezu einen halboffiziellen Charakter" hätten und die Persönlichkeit der Lehrer "in wesentlich höhrerem Maße" beeinträchtigten.

Der hohe Standard des Datenschutzrechtes

Anschließend folgt eine Darstellung des einfachgesetzlichen Datenschutzrechts, das einen "hohen Standard" setze und den Bereich der zulässigen Datenverarbeitung "eng abgesteckt". In "weit höherem Maße" müsse dies für öffentliche Benotungen gelten – die damit verbundenen "Zurschaustellungen" und "Anprangerungen" könnten schließlich "zu weitaus größeren Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts" führen.

Nach derart gründlicher Vorbereitung kann die eigentliche Abwägung in zwei Absätzen abgewickelt werden:

Die Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass bei den Benotungen und den Wiedergaben von Äußerungen von Lehrern im Internet die dargestellte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Lehrer schwerer zu gewichten ist als die in diesen Fällen nur mit gewissen Abstrichen anzuerkennende Meinungsfreiheit auf der Seite von spickmich.de. Eine andere Beurteilung wäre mit dem hohen Anspruch, den das Bundesdatenschutzgesetz dem informationellen Selbstbestimmungsrecht beigelegt hat, nicht vereinbar.

Das Ergebnis der Abwägung hat zur Folge, dass das Bestehen eines schutzwürdigen Interesses der Lehrer am Ausschluss der Benotungen und der Wiedergabe ihrer Äußerungen im Internet anzuerkennen ist. Somit sind die abrufbaren Benotungen und Äußerungen der Lehrer auf der Plattform von spickmich.de rechtswidrig.

Kritik

Diese Schlussfolgerung und der argumentative Weg dorthin sind aus mehreren Gründen zweifelhaft.

1. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit lässt sich nicht in "Paradebeispiele" und Randzonen aufteilen. Die Bewertung einer anderen Person enthält ein Werturteil, somit eine "Meinung", so dass der Schutzbereich eröffnet ist. Richtig ist wohl, dass das BVerfG bei der Verhältnismäßigkeitsabwägung der Meinungsfreiheit je nach ihrer konkreten Anwendung unterschiedliches Gewicht beimisst. Besonders geschützt sind Äußerungen im "geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage" (BVerfGE 61, 1ff., 11). "Erhebliche Abstriche" bei der Güterabwägung müssen außerhalb dessen aber keineswegs gemacht werden. Die Meinungsfreiheit besitzt insgesamt "wertsetzende Bedeutung" für den freiheitlich demokratischen Staat (BVerfGE 7, 198ff., 209).

2. Die Lehrerbewertungen bei spickmich.de stehen keineswegs "zum weltweiten Abruf jedermann bereit". Um die Bewertungen einsehen zu können, muss der Benutzer sich anmelden, den Namen seiner Schule und seine Mailadresse angeben und erhält ein Passwort zugeschickt. Dies ist zwar keine Garantie dafür, dass nur das betroffene Umfeld des Lehrers Einsicht erhält, es führt aber beileibe nicht zu einem uneingeschränkten Abruf. Vor allem tauchen die Lehrernamen nicht in den einschlägigen Suchmaschinen auf, was bei ausdrücklich als solchen konzipierten "Prangerlisten" regelmäßig der Fall ist.

3. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht besteht aus verschiedenen einzelnen Rechten. Verletzt sein könnten hier das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Recht auf Schutz der Privatsphäre, welches den Einzelnen vor herabsetzenden Äußerungen schützt. Die Stellungnahme der Bayern prüft hier einzig das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

4. Bei dieser Prüfung versäumt sie allerdings die notwendige Auseinandersetzung mit dem Schutzbereich des Grundrechts. Vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt sind "persönliche Lebenssachverhalte und Daten" des Einzelnen (BVerfG 2 BvR 152/01). Es lässt sich gut vertreten, dass hierunter nur Tatsachen fallen, nicht aber Werturteile Dritter über diese Person – dies entspricht auch besser dem Begriff der "persönlichen Daten" in § 3 Abs. 1 BDSG ("Verhältnisse"). Das Recht wäre dann nur betroffen durch die Nennung der Namen und der beruflichen Stellung der Lehrer, nicht aber durch die Veröffentlichung der Bewertungen. Das OLG Köln konnte diese Frage offenlassen; die vorliegende Stellungnahme hingegen stellt maßgeblich auf Datenschutzgesichtspunkte ab und hätte sich der Vollständigkeit halber mit diesem Problem auseinandersetzen müssen.

Der rechtliche Streit um die Zulässigkeit von Lehrerbewertungen ist keinesfalls entschieden. Für beide Seiten lassen sich gute Argumente finden. Die Stellungnahme der bayerischen Datenschützer ist leider zu ungenau und fehlerhaft, um zu dieser Diskussion beizutragen. Gerade die Befürworter eines stärkeren Persönlichkeitsschutzes im Internet sollten sich daran stören.

Zur Stellungnahme der Bayerischen Datenschutzaufsichtsbehörde.

, Telemedicus v. 31.01.2008, https://tlmd.in/a/631

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