Gegen den Fernsehfilm „Eine einzige Tablette“ hat die Aachener Pharmafirma Grünenthal erneut eine einstweilige Verfügung erwirkt. Das Hamburger Landgericht entschied, dass der WDR den Zweiteiler in seiner aktuellen Fassung nicht ausstrahlen darf.
Der Film widmet sich dem Skandal um das Arzneimittel Contergan, jenem Schlafmittel, welches vor nunmehr 50 Jahren in Deutschland auf den Markt kam. Dieses, als „Jahrhundert-Entdeckung“ zunächst gefeierte Medikament, verursachte bei tausenden von Kindern, deren Mütter es während der Schwangerschaft eingenommen hatten, extreme Missbildungen an Organen und Extremitäten. So kam es zu Deutschlands größtem Arzneimittelprozess: Contergan-Hersteller Grünenthal zahlte 100 Millionen DM in eine Stiftung, das Verfahren wurde wegen „geringfügiger Schuld“ eingestellt.
In dem Film wird von einem jungen Anwalt erzählt, dessen Kind contergangeschädigt ist. In einem gerichtlichen Prozess kämpft der Vater gegen das mächtige Pharmaunternehmen.
Vorgeworfen werden der Produktionsfirma und dem WDR als Auftraggeber vor allem nachweisliche Falschdarstellungen und Verdrehungen von Tatsachen. Der Geschäftsführende Gesellschafter der Grünenthal GmbH, Sebastian Wirtz äußert sich:
Um heute einen Unterhaltungsfilm einem Sender gut verkaufen zu können, müssen anscheinend möglichst viele falsche Aussagen mit der historischen Wahrheit vermischt werden. Das können wir als davon schwerwiegend betroffenes Unternehmen, das zu seiner Geschichte steht, nicht akzeptieren.
Die Filmemacher verteidigen sich damit, dass es ihnen nicht um eine dokumentarische Berichterstattung ging. Der Film sei vielmehr eine fiktive Geschichte auf der Grundlage eines historischen Stoffes. Regisseur Adolf Winkelmann:
Zunächst wird man denken, ein Film über Contergan – das kann ja nur ein Gerichtsfilm werden. Schließlich war der Contergan-Prozess der längste, der größte aufwendigste Prozess, den es bis dahin in Deutschland gegeben hatte. Ich will aber die Geschichte der Menschen in den Mittelpunkt stellen. Die Emotionen der Menschen – das ist es, was mich interessiert.
Bereits vergangenen Jahres gab es eine einstweilige Verfügung gegen das Drehbuch. Untersagt wurden insbesondere 15 Szenen, ohne deren Änderung eine Verfilmung und spätere Ausstrahlung nicht zulässig sei. In Bezug auf diese Entscheidung findet am morgigen Dienstag eine mündliche Verhandlung vor dem OLG Hamburg statt.
Ganz klar, der Kunst sind ihre verfassungsrechtlich zugesicherten Freiheiten nicht abzusprechen. Es ist legitim, Rahmenhandlungen zu erfinden und Charaktere zu schaffen. Doch selbst wenn eine fiktive Geschichte erzählt wird: es ist vermeidbar, offensichtlich historisch falsche Umstände zu verbreiten.
Man hätte vielleicht doch mehr Wert auf eine hintergründige Recherche verwenden sollen – anstatt sich in den Accessoires der 60er Jahre, den Blümchentapeten und originalgetreuen Krawattenknoten, zu verlieren.
Meldung vom 17.03.2007 in der taz
„Betrifft: Contergan“ (Die Zeit)
Pressemitteilung der Grünenthal GmbH
Interview mit dem Regisseur Winkelmann