Der Rechtsstreit um die Hartplatzhelden hat, als vergangene Woche die Urteilsgründe veröffentlicht wurden, sein Ende gefunden. In dem Urteil stellt der BGH einiges klar, was eigentlich selbstverständlich ist. Das Urteil war dennoch nötig geworden, denn beide Vorinstanzen hatten noch anders entschieden.
Der Streit um die Hartplatzhelden dauert bereits mehrere Jahre. Das Unternehmen „Hartplatzhelden GmbH” betreibt ein Internetportal, auf dem Nutzer selbst gedrehte Videos von Amateurfußballspielen hochladen können. Im Web2.0-Stil lassen sich diese Videos dann kommentieren, bewerten und weiterverbreiten.
Mit dieser wirtschaftlichen Verwertung „seiner“ Fußballspiele war nun der Württembergische Fußballverband WFV nicht einverstanden. Wieso dürfen die großen Fußballverbände riesige Summen für die Fernsehrechte ihrer Fußballspiele verlangen, aber die kleinen Amateurclubs (bzw. deren Verbände) sollen leer ausgehen? Der WFV klagte auf Unterlassung.
Der Rechtsstreit
Die Frage war nun, woraus sich ein solcher Unterlassungsanspruch ergeben könnte. Echte Schutzrechte, die dem Urheberrecht oder vergleichbaren Gesetzen zu entnehmen sind, gelten für Fußballspiele jedenfalls nicht. Der BGH hat das in ständiger Rechtsprechung (zuletzt in seinem Urteil zu Hörfunkrechten) klargestellt. Auf diese Aussage geht der BGH auch im jetzt veröffentlichten Hartplatzhelden-Urteil ein:
Nach der […] Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs […] steht dem Veranstalter einer Sportveranstaltung anders als dem Veranstalter der Darbietung eines ausübenden Künstlers (§ 81 UrhG) kein verwandtes Schutzrecht zu (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 1990 – KVR 4/88, BGHZ 110, 371, 383 – Sportübertragungen). Die Erlaubnis des Veranstalters zur Fernsehübertragung einer Sportveranstaltung ist daher im Rechtssinn keine Übertragung von Rechten, sondern eine Einwilligung in Eingriffe, die der Veranstalter aufgrund ihm zustehender Rechtspositionen verbieten könnte. Eine solche Rechtsposition ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Hausrecht, mit dessen Hilfe der Berechtigte Dritte von der unentgeltlichen Wahrnehmung des von ihm veranstalteten Spiels ausschließen und sich bei bedeutsamen Sportereignissen somit die Verwertung der von ihm erbrachten Leistung sichern kann (BGH, Urteil vom 8. November 2005 – KZR 37/03, BGHZ 165, 62, 69 f. – „Hörfunkrechte“).
Hervorhebung nicht im Original.
Aus dem Hausrecht war hier aber kein Unterlassungsanspruch abzuleiten:
Das Berufungsgericht hat im Streitfall nicht festgestellt, dass die Fußballspiele, die im Verbandsgebiet des Klägers gefilmt worden sind und im Internetportal der Beklagten in Auszügen angeschaut werden können, unter Verletzung des Hausrechts des für den jeweiligen Veranstaltungsort Berechtigten gefilmt worden sind. Der Kläger hat dies auch nicht geltend gemacht.
Ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz für Fußballrechte?
Neben einem Schutz von Fußballrechten über das Hausrecht war auch über einen „ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz” diskutiert worden. Der Schutz von Fußballrechten wäre dann nicht aus dem Eigentum (§ 903, § 1004 BGB) abzuleiten, sondern aus UWG-Tatbeständen. Diskutiert wurde hier vor allem der Tatbestand des § 4 Nr. 9 UWG. Unlauter (und damit rechtswidrig) handelt nach dieser Vorschrift, wer
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c) die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
Der Gedanke hinter dieser Norm: Im Wirtschaftsleben erarbeiten sich Unternehmen häufig mit viel Aufwand einen „Goodwill“. Dieser hat einen eigenen wirtschaftlichen Wert. Denn eine Marke, eine Unternehmensbezeichnung oder eine bestimmte, typische Gestaltung von Produkten kann Kundenentscheidungen beeinflussen – z.B. kaufen bestimmte Verbraucher Rolex-Uhren für hohe Preise, einfach nur deswegen, weil sie von Rolex sind. Einen solchen „guten Ruf” für sich oder seiner Produkte aufzubauen, kann sehr teuer sein. Für Konkurrenten ist es entsprechend attraktiv, diesen Ruf einfach zu übernehmen. Und so passiert es ständig, dass etablierte Produkte nachgeahmt werden: Durch die Übernahme von spezifischen Merkmalen, ähnliche Produktnahmen, oder indem in der Werbung gezielt eine Verbindung zu dem fremden Produkt hergestellt wird. Das soll § 4 Nr. 9 UWG verhindern.
Die Rechtsprechung hat daher für den ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz bestimmte Regeln etabliert. So sagt der BGH in ständiger Linie, dass eine „Kopie“ einer fremden Leistung nur dann rechtswidrig ist, wenn sie sich auf dessen „wettbewerbliche Eigenart“ bezieht (vgl. nur Sambuc, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG J § 4 Nr. 9 Rn. 57 ff.). Gerade das spezielle Merkmal, an dem die Kunden ihre Entscheidung ausrichten, muss kopiert worden sein.
So richtig passt das nicht auf den Fall der Hartplatzhelden. Gibt es überhaupt einen „Goodwill”, der mit Fußballspielen des WFV verbunden ist? Wodurch sollte dieser gekennzeichnet sein? Und: Haben die Hartplatzhelden überhaupt etwas „nachgeahmt”, wie § 4 Nr. 9 UWG dies verlangt? Die Antwort liegt auf der Hand.
Die Entscheidung des BGH
Das Urteil ist insgesamt relativ knapp gehalten und kommt direkt zum Punkt. Dadurch hebt sich die BGH-Entscheidung deutlich von der Entscheidung des Berufungsgerichts OLG Stuttgart ab, das sein Urteil einerseits extrem langatmig, andererseits aber sehr unpräzise begründet hatte. Der BGH demgegenüber macht hier im wahrsten Sinn des Wortes „kurzen Prozess“.
Der BGH stellt zunächst präzise klar, worin die „Ware oder Dienstleistung” i.S.d. § 4 Nr 9 UWG überhaupt (nur) bestehen könnte: In der Leistung des WFV als Veranstalter:
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stellt der Kläger in seinem Verbandsgebiet den organisatorischen Rahmen für den Fußball-Wettkampfsport im Amateurbereich zur Verfügung. Er erstellt insbesondere das Regelwerk und die Spielpläne, organisiert das Schiedsrichterwesen und hält eine Sportgerichtsbarkeit vor.
Ob eine solche „Veranstalterleistung” überhaupt ein abgrenzbares Produkt ist, dem wettbewerbsrechtlicher Schutz zukommt, lässt der BGH jedoch offen. Denn er lehnt einen Unterlassungsanspruch aus anderen Gründen ab.
Keine wettbewerbliche Eigenart
Gibt es besondere Kenzeichen, die die (Veranstalter-) Leistung des WFV am Wettbewerb hervorheben, so dass sich Kunden daran orientieren würden? Vorgetragen war dazu nichts. Und auch aus der Praxis ist nicht bekannt, dass die Veranstaltung von Fußballspielen irgendwie mit den damit befassten Verbänden assoziiert würde; dass etwa bestimmte Verbände besser anerkannt wären, weil ihre Schiedsrichter besser ausgebildet wären oder ähnliches. Der BGH stellt klar, dass es deshalb an einer besonderen wettbewerblichen Eigenart fehlt:
[Es fehlt] im vorliegenden Fall an einer unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung einer Dienstleistung des Klägers. Eine nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG unlautere Rufausnutzung setzt voraus, dass die Vorstellung der Güte oder Qualität eines bestimmten Produkts auf ein anderes übertragen wird (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2010 – I ZR 145/08, GRUR 2010, 1125 Rn. 42 = WRP 2010, 1465 – Femur-Teil, mwN). Für eine solche Rufübertragung bestehen nach den Feststellungen des B und dem G des Klägers keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass Fußballspiele als solche sowie die mit ihrer Veranstaltung zusammenhängenden Leistungen beim Publikum eine gewisse Wertschätzung erfahren, reicht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für die Annahme einer unlauteren Rufausnutzung nicht aus, weil sich daraus nicht ergibt, dass diese Wertschätzung auf die Dienstleistung der Beklagten übertragen wird.
Hervorhebung nicht im Original.
Keine Nachahmung
Darüber hinaus wurde auch nichts nachgeahmt; weder die Leistung des WFV, noch irgendetwas anderes. Der BGH:
Die Beklagten bieten mit ihrem Internetportal selbst keine einem Fußballspiel oder dessen Durchführung vergleichbare Leistung an. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können auch die auf dem Portal der Beklagten abrufbaren Filmaufzeichnungen Dritter von Teilen von Fußballspielen nicht als von den Beklagten zu verantwortende Nachahmungen von Leistungsergebnissen angesehen werden, die in der Veranstaltung dieser Fußballspiele selbst bestehen. Die Filmaufzeichnung eines (Teils eines) Fußballspiels ist keine Nachahmung einer in dem Fußballspiel selbst oder in dessen Veranstaltung und Durchführung bestehenden Leistung im Sinne von § 4 Nr. 9 UWG; sie stellt vielmehr eine lediglich daran anknüpfende eigenständige Leistung dar (Ernst, jurisPR-WettbR 5/2009 Anm. 3; Feldmann/Höppner, K&R 2008, 421, 424; Hoeren/Schröder, MMR 2008, 553, 554; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rn. 9.38; Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 Rn. 9/45; ders., GRUR 2010, 487, 492). Das in der Veranstaltung eines Fußballspiels bestehende Leistungsergebnis wird von den an dieser Sportveranstaltung Beteiligten, also insbesondere von den Spielern, den Schieds- und Linienrichtern, den für die Organisation des betreffenden Spiels verantwortlichen Mitgliedern und Organen der beteiligten Vereine sowie gegebenenfalls von dem den betreffenden Wettbewerb organisierenden Verband geschaffen. Sowohl die von diesen Beteiligten erbrachten Teilleistungen als auch die dadurch bewirkte Gesamtleistung unterscheiden sich ihrem Inhalt und ihrer Art nach grundlegend von der Leistung, die ein Dritter dadurch erbringt, dass er einen Teil des betreffenden Fußballspiels in einer Filmaufzeichnung festhält.
Hervorhebungen nicht im Original.
Kein Unterlassungsanspruch aus der Generalklausel in § 3 UWG
Der BGH diskutiert zuletzt noch allgemeine Unlauterkeitsgründe, die auf § 3 UWG gestützt sein könnten – die lauterkeitsrechtliche Generalklausel. Der BGH begründet hier sein Ergebnis, das er im Speziellen schon anhand von § 4 Nr. 9 UWG getroffen hat, noch einmal im Allgemeinen. Dabei kommt er auch auf verfassungsrechtliche Aspekte zu sprechen:
Würde die in Rede stehende Verwertungsbefugnis ausschließlich dem Kläger zugewiesen, so wäre damit eine Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit verbunden, die im Hinblick auf die grundrechtlich geschützten Interessen der Beklagten (Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) nur bei einem überwiegenden Interesse des Klägers gerechtfertigt werden könnte. Ein solches überwiegendes Interesse des Klägers kann jedoch nicht angenommen werden.
Insbesondere sieht der BGH den WFV auch deshalb nicht als schutzbedürftig an, weil dieser überhaupt keinen lauterkeitsrechtlichen Schutz benötigt. Der WFV wäre nämlich durchaus in der Lage, zu erlangen, was er begehrt – nur eben nicht über das UWG.
[Der WFV kann] die ausschließliche wirtschaftliche Verwertung jedoch dadurch sichern, dass er über das Hausrecht des Berechtigten Filmaufnahmen Dritter unterbindet oder nur gegen Entgelt zulässt.
Fazit
Und das ist denn wohl auch die Moral von der Geschicht‘: Der WFV hätte, statt mit schlechten Argumenten bis vor den BGH zu ziehen, lieber die Rechtsprechung des BGH genau studieren sollen und dann seine Statuten entsprechend anpassen.
Dass es bis zu einem Urteil des BGH kommen musste, um diesen Rechtsstreit richtig zu entscheiden, verwundert. Schon das OLG Stuttgart hatte sich mit seiner Entscheidung gegen die klare und einhellige Literaturmeinung gestellt. Der BGH hat letztlich aber das richtige Ergebnis gefunden und nebenbei auch ein Urteil gesprochen, das die Abgrenzung zwischen dem Lauterkeitsrecht und dem Immaterialgüterrecht präzisiert – im Sinne der Gemeinfreiheit. Grundsätzliche Ausführungen zu diesem Punkt hat der BGH leider im Urteil nicht untergebracht, aber der Gedanke wird klar.