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Rundfunkgebührenklage: Der Streit im Überblick

Urteilsverkündung am 11. September

Es wird spannend: Das seit langem erwartete Urteil zur Rundfunkgebührenklage von ARD, ZDF und Deutschlandradio, steht unmittelbar bevor. Die Klage der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten richtet sich sowohl gegen die letzte Rundfunkgebührenfestsetzung als auch gegen die geplante Änderung der Prüfungskriterien der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs. Für Telemedicus Grund genug, die Hintergründe der Auseinandersetzung noch einmal zu vergegenwärtigen.

Rundfunkanstalten befürchten Verletzung ihrer Programmautonomie

Mit dem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (Art. 6 Nr. 4 des 8. RÄndStV) hatten die Länder beschlossen, die Rundfunkgebühr zum 1. April 2005 um 88 Cent auf 17,03 Euro im Monat zu erhöhen und widersetzten sich damit der KEF-Empfehlung, nach der eine Erhöhung zum 1. Januar 2005 um 1,09 Euro vorgesehen war. Begründet wurde diese Entscheidung mit den unzureichend erschlossenen Einsparpotentialen durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Zudem sei das Ziel der angemessenen Belastung der Gebührenzahler zu berücksichtigen: Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage sowie der Gesamtentwicklung des dualen Rundfunksystems und im Wettbewerb der Medien insgesamt, wurde die Befürchtung laut, dass den Bürgern die kontinuierlich steigenden Kosten von ARD und ZDF nicht mehr zu vermitteln seien. Mit Gebühreneinnahmen von mehr als 7 Milliarden Euro im Jahr gehören die deutschen Rundfunkanstalten zu den teuersten der Welt.

ARD, ZDF und Deutschlandradio sehen sich durch diese Entscheidung in ihrer Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) verletzt. Nach Einschätzung der Rundfunkanstalten werde der Grundsatz der Trennung zwischen allgemeinen medienpolitischen Entscheidungen und solchen über die Rundfunkgebühr missachtet. Dadurch erfolge ein Eingriff in die Programmautonomie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Zwar seien die Länder befugt Gestalt und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Strukturreformen weiter zu entwickeln. In diesem Fall handele es sich jedoch um eine verfassungswidrige Grenzüberschreitung, da die Überlegungen zur Strukturreform inhaltlich mit dem Gebührenfestsetzungsverfahren verknüpft würden.

In ihren Beschwerdebegründungen führen die betroffenen Rundfunkanstalten weiter aus, dass nach dem Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1994 Abweichungen von einer KEF-Entscheidung im Wesentlichen nur unter zwei Gesichtspunkten zulässig sind: Dem Informationszugang und der angemessenen Belastung der Rundfunkteilnehmer. Die in der Begründung zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag aufgeführten Gründe seien nach diesen Grundsätzen jedoch nicht geeignet, die vorgenommene Abweichung zu rechtfertigen. Angesichts ihrer Pauschalität genügten sie auch nicht dem erforderlichen Mindestmaß an Nachvollziehbarkeit. Abgesehen davon beruhe die Gebührenfestsetzung zumindest teilweise auf fehlerhaften Annahmen.

Geplante Ergänzung der KEF-Prüfungskriterien verfassungswidrig?

In ihren Klagen wenden sich die Rundfunkanstalten zudem gegen die Änderung der Kriterien (Art. 6 Nr. 2 des 8. RÄndStV), nach denen die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten ab 1. Januar 2009 die Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten zu prüfen hat. Derzeit hat die KEF u. a. zu überprüfen, ob der von den Rundfunkanstalten angemeldete Finanzbedarf im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit steht. Als zusätzliches Prüfungskriterium soll die Frage hinzukommen, ob der von den Rundfunkanstalten angemeldete Finanzbedarf unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Haushalte der öffentlichen Hand ermittelt worden ist.

Hierdurch werde ebenfalls die Rundfunkfreiheit verletzt: Der Finanzbedarf der Rundfunkanstalten sei zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags erforderlich. Daher sei er von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung unabhängig zu beurteilen und unterliege keinesfalls der Disposition des Gesetzgebers. Dieser könne zwar möglicherweise den Rundfunkauftrag neu definieren und auf diese Weise den Finanzbedarf reduzieren – nicht aber die Rundfunkgebühr, die sich auf Grund des Finanzbedarfs ergebe, unter Hinweis auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung kurzerhand kappen.

Wie dem epd zu entnehmen ist, wurde darüber hinaus vorgetragen, dass die Gebührenfrage unzulässig mit dem politischen Verlangen nach einer Reform des Rundfunks verknüpft worden sei, was nach dem Gebührenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 1994 unzulässig sei. Das bisherige Gebührenfestsetzungsverfahren drohe zu einem rein politischen Festsetzungsverfahren zu denaturieren. Davon abgesehen überschreite die der KEF neu zugeordnete Aufgabe deren Kompetenzen: Bei der Bewertung des Einflusses der Wirtschaftsentwicklung auf die Gebührenempfehlung gehe es um eine politische Bewertung. Die KEF sei aber auf eine fachliche Kontrolle begrenzt.

Sonderproblem Deutschlandradio

Deutschlandradio kritisiert darüber hinaus, durch Rechenfehler auf Seiten der Ministerpräsidenten einen besonderen finanziellen Nachteil im Zuge der letzten Gebührenanhebung erlitten zu haben. „Für die rechnerische Feinarbeit war kein Raum“, heißt es laut epd in der Verfassungsbeschwerde des Deutschlandradios. Pauschal hätten die Länderchefs fernsehspezifische Sparauflagen auch auf den nationalen Hörfunk angewendet, der deshalb von der gekürzten Erhöhung der Rundfunkgebühr besonders hart und ungerecht getroffen worden sei.

Bundesländer: Verfassungsbeschwerden „teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet“

Nach Ansicht der Bundesländer sind die Verfassungsbeschwerden nach Ansicht der Bundesländer „teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet“. Dem epd zufolge wende man sich gegen „eine noch weitergehende Entstaatlichung“ des Gebührenverfahrens: Regierung und Parlament dürften im Gebührenverfahren nicht so weit „marginalisiert“ werden, dass ihnen keine echte Entscheidungsbefugnis mehr bleibe. Das vom Verfassungsgericht vorgeschriebene dreistufige Verfahren, bestehend aus der Bedarfsanmeldung der Sender, der Prüfung und Gebührenempfehlung seitens der KEF sowie der Festsetzung durch die Länder, sei eingehalten, die Abweichung nach unten hinreichend und zulässig begründet worden.

Auf der anderen Seite wurde aber auch auf die Verantwortung der Landespolitiker für die von ihnen mit verursachte Kostenentwicklung des Rundfunks hingewiesen. Der Mediendienst epd wie folgt:

Insbesondere der frühere KEF-Vorsitzende Rainer Conrad und DLR-Anwalt Gernot Lehr haben vor Gericht in mündlichem Vortrag sehr luzide den Regelkreis von politisch bewilligter Programmausweitung, daraus resultierender Kostenentwicklung und später beklagter Gebührenkonsequenz herausgearbeitet. Hier muss sich die Politik in der Tat der Inkonsequenz zeihen lassen. Ein Mehr an öffentlich-rechtlichen Programmen (Phoenix, Kinderkanal, Digitalkanäle) gibt es nicht ohne Kostenfolgen. Die angebliche öffentlich-rechtliche Übermacht zu Lasten der privaten Wettbewerber entstand nicht aus Eigenmächtigkeit der Sender, sondern aus einem gesamtpolitischen Prozess, in dem auch die Genehmigungswilligkeit der – nicht politikfreien – Rundfunkgremien eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.

Mündliche Verhandlung als Hinweis auf Grundsatzurteil gewertet

Die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht die Verhandlung mündlich stattfinden ließ, wird als Zeichen dafür gewertet, dass die Verfassungs-Richter die vorliegende Auseinandersetzung für eine grundlegende Standortbestimmung nutzen werden. Auch die Tatsache, dass beim Bundesverfassungsgericht nach wie vor eine Beschwerde gegen die umstrittene PC-Gebühr wartet, kann als Hinweis auf ein Grundsatzurteil gewertet werden. Zwar ist noch unklar, ob Karlsruhe die Beschwerde überhaupt zulässt, Rechtsanwältin Petra Marwitz hält das bisherige Ausbleiben einer Zusage laut Kölner Stadtanzeiger für ein gutes Zeichen: „Wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unbegründet wäre, hätte das Bundesverfassungsgericht sie bereits abgewiesen.“ Offenbar wolle man zunächst den Ausgang der Verfassungsbeschwerde abwarten.

Rundfunkgebühr auf dem Prüfstand

Problematisiert wurde laut epd vor Gericht auch das Problem der schwindenden Gebührenakzeptanz in der Bevölkerung. Zudem prüfen die Bundesländer momentan Alternativen zur derzeitigen Gebührengelderfinanzierung und versprechen sich daher ebenfalls wichtige Hinweise von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Möglicherweise könnte zur Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober in Wiesbaden ein Entscheidungsvorschlag vorliegen. „Wir sind in einer Findungs- und Diskussionsphase“, sagte der Wiesbadener Staatskanzlei-Chef Stefan Grüttner (CDU) in einem Gespräch mit der dpa.

Für eine Steuerfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender, wie sie von einigen Bundesländern gefordert wird, sehe Hessen indes keine Chance. „Wir reden über ein Volumen von rund sieben Milliarden Euro im Jahr. Das entspricht einem Prozentpunkt Mehrwertsteuer“. Stattdessen werde für eine Weiterentwicklung des bestehenden, auf Gebühren basierenden Systems geworben. Man müsse sich intensiv Gedanken darüber machen, das Gebührensystem einfacher und klarer gestaltet werden könne, sagte Grüttner. Ein neues Modell müsse zudem aufkommensneutral und bundesweit einheitlich sein. Gebühren sollten sich künftig auf nicht auf die einzelnen Geräte, sondern auf den Haushalt beziehen; bei Firmen sollten sie sich an deren Größe bemessen.

Die Verhandlung im Fazit

Aber auch die digitale Erweiterungsstrategie der öffentlich-rechtlichen Sender sorgt schon seit Wochen für Aufregung. Man darf gespannt sein, ob die Richter der Expansion der Sender Schranken setzen werden. Der Mediendienst epd schätzt angesichts des Verhandlungsverlaufs die Situation wie folgt ein: Dreizehn Jahre nach der letzten Grundsatzentscheidung zu den Rundfunkgebühren habe das Bundesverfassungsgericht erneut Gelegenheit, das Verhältnis von Rundfunk und Staat auszutarieren. Auf Seiten der Bundesländer scheinen die Erwartungen, so die FAZ, aber nicht allzu hoch zu sein. Man vermute, das Verfassungsgericht werde sich bescheiden und nicht zum großen Rundumschlag ausholen, äußerte sich demnach ein Prozessbeteiligter im Lager der Länder. Andererseits, so die FAZ weiter, waren die Richter beim Thema Rundfunkgebühr immer schon für Überraschungen gut: Auch 1994 sollten sie eigentlich nur über Kabelnetzabgaben in Bayern urteilen und trafen dann weitreichende Grundsatzentscheidungen.

Eine reine „Subsumierung“ unter die 94er-Entscheidung komme laut Einschätzung des epd aber auch deshalb nicht in Frage, da der Erste Senat die Erwartungen an eine automatische Fortschreibung dieser Entscheidung gedämpft habe. Aus dem derzeitigen Dilemma entkomme man sowieso nur mit einem klaren Funktionsauftrag für die Rundfunkanstalten, der dann auch die Aufgaben und Betätigungsfelder umgrenzen würde. Fraglich sei aber, ob sich das Bundesverfassungsgericht eine Antwort darauf anmaßt. Epd weiter:

Ist es doch eine originär politische Aufgabe des Gesetzgebers, diesen Auftrag zu definieren. Auch die Politik unterliegt hier permanent einer Crux: Fasst sie den Funktionsauftrag zu eng, schnürt sie die verfassungsrechtlich gebotene Rundfunkfreiheit ein. Und könnte schon wieder als Beklagte in Karlsruhe landen. (…) Ob das Bundesverfassungsgericht auf all das eine salomonische Antwort finden wird? Eher unwahrscheinlich. Das Richterrecht wird nicht alle Wünsche erfüllen können. Das politische Medienrecht, gesucht und gefunden in Streit und Kompromiss – das bleibt beständige Aufgabe für morgen.

Zum Artikel von epd-medien

, Telemedicus v. 10.09.2007, https://tlmd.in/a/394

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