„Technologischer Scherbenhaufen“
Im Rahmen der Rundfunkgebührenempfehlung durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) hat sich insbesondere ein Streit um die Streichung der DAB-Finanzierung entzündet. Beim sog. Digital Audio Broadcasting (DAB) handelt es sich um einen digitalen Übertragungsstandard für den terrestrischen Empfang von Hörfunkprogrammen. Die Vorteile von DAB gegenüber UKW liegen vor allem in der Klangqualität, denn DAB ermöglicht störungsfreien Empfang in CD-Qualität. Zudem ist die Übertragung verschiedener Zusatzdienste möglich. Sendetechnisch erreichen die Digital-Radio-Programme bereits jetzt einen Großteil der deutschen Bevölkerung. Für die KEF kommt eine Fortführung der DAB-Finanzierung dennoch nicht in Frage: Eine erfolgreiche Digitalisierung des Hörfunks ist nach ihrer Einschätzung mit DAB nicht mehr zu leisten.
Weder sei die Zahl der notwendigen Empfangsgeräte signifikant vergrößert worden, noch sei eine Abstimmung mit den privaten Programmanbietern erreicht worden. Zudem sei in der Ära der Entwicklung von DAB an Internetradio und dergleichen noch nicht zu denken gewesen. Angesichts dessen habe der terrestrische Hörrundfunk auch nicht mehr die vergleichbar unangefochtene Position der 1980er Jahre. Das bisherige DAB-System bilde aber allein die Hörfunklandschaft des UKW-Zeitalters ab. Der UKW-Hörfunk werde aber von der Bevölkerung intensiv genutzt, und eine Abschaltung dieses Systems ist nicht absehbar. Mittel würden daher nur in einer Größenordnung anerkannt, die den Betrieb der DAB-Sender über die aktuelle Gebührenperiode hinaus ermöglicht. Wie die Frankfurter Rundschau berichtet liegt die digitale Radiozukunft nach Ansicht des KEF-Vorsitzenden Horst Bachmann im DVB-H-Standard. Man lege für jeden DAB-Hörer zwischen 400 und 1000 Euro auf den Tisch. Das sei dem Gebührenzahler nicht zumutbar“.
Sollten die Landesrundfunkanstalten der ARD und das Deutschlandradio die bisherigen DAB-Ausstrahlungen nicht aus Mitteln des laufenden Programmaufwands fortsetzen wollen, so erkennt die Kommission einen Finanzbedarf in Höhe von 22,5 Mio. Euro an, der dazu genutzt werden muss, die derzeit in Betrieb befindlichen DAB-Sender über das Ende der Gebührenperiode 2005 bis 2008 hinaus weiter in Betrieb zu halten oder das im Folgenden beschriebene eventuelle neue Projekt „Digitaler Hörfunk“ finanziell zu verstärken. Um einen erfolgreichen Neustart der Digitalisierung zu ermöglichen, erkennt sie aber für den Fall, dass die Landesrundfunkanstalten der ARD und das Deutschlandradio die DAB-Ausstrahlungen nicht aus Mitteln des Programmaufwands fortsetzen wollen, für die Gebührenperiode 2009 bis 2012 ein Projektbudget in Höhe von 42 Mio. Euro für einen Neustart an.
Größte Investitionsruine seit Kalkar
„Wenn DAB scheitern sollte“, so Deutschlandradio-Programmdirektor Günther Müchler laut Frankfurter Rundschau, „wäre das in Deutschland die größte Investitionsruine seit Kalkar“. Wie das Online-Magazin DWDL berichtet ist auch die ARD von dieser Entscheidung nicht begeistert. Schließlich habe man auch basierend auf Entscheidung der KEF bereits „erhebliche Beträge“ investiert. Dabei hätte man sich mit dem privaten Rundfunk bereits auf einen Neustart des digitalen terrestrischen Hörfunks ab 2009 auf Basis von DAB verständigt. Durch die KEF-Entscheidung drohe ein technologischer Scherbenhaufen.
Etwaige Hemmnisse werden nach Ansicht der ARD „in absehbarer Zeit überwunden“ sein. Neben einer Erhöhung der Frequenzen erlaubten neue Kodierungsverfahren eine effizientere Nutzung. Damit verbunden seien eine größere Vielfalt und multimediale Zusatzangebote. Zudem werde die Empfangbarkeit in Gebäuden künftig deutlich verbessert. Daher gehe man bei der ARD davon aus, dass der digitale Hörfunk 2009 erfolgreich neu starte. Zudem sei die KEF nicht zuständig, derartige „technologiepolitische Grundsatzentscheidungen“ zu treffen. Wie die FR weiter berichtet, werde DAB auch im europäischen Ausland als Zukunft des Radios betrachtet.
Auch Felix Kovac, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR), ist laut wuv erzürnt. Das Streichen der Mittel für digitales Radio habe „konkrete Auswirkungen auch auf die Privatradios“. Er verweist dabei auf die „Mainzer Erklärung“ vom vergangenen Jahr. ARD, APR und Deutschlandradio hatten sich darin geeinigt, wie sie im Jahr 2009 das neue digitale Radio DAB+ auf den 2006 verteilten Frequenzen starten wollen. Die KEF überschreite ihre Kompetenzen, wenn sie die von den Praktikern angestrebte verbesserte Norm DAB+ ablehnt.
KEF-Vorsitzender Horst Bachmann sieht die Zukunft dennoch eher im DVB-H-Standard und sagte, DAB habe „in den letzten Jahren überhaupt nicht an Fahrt gewonnen“. Man habe schließlich um die 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Aufgabe der Rundfunkanstalten sei es gewesen entsprechende Absprachen mit den privaten Anbietern treffen, was aber nicht geschehen sei. Die FR zu den möglichen Folgen der KEF-Entscheidung:
DVB-H ist jedoch für Ballungsräume konzipiert. Der öffentlich-rechtliche Hörfunk und damit auch Deutschlandradio haben aber den Auftrag, alle, also auch weniger dicht besiedelte Gebiete, optimal zu versorgen. Wenn die DAB-Projekte in der nächsten Gebührenperiode nicht mehr finanziert werden, droht der Ausstieg des Deutschlandradio aus den DAB-Gesellschaften, in Hessen ist das die „T-Systems M&B“, an der Deutschlandradio zu 15 Prozent beteiligt ist. Das wäre wohl das Ende von DAB insgesamt.
Zum 1. Teil der Serie: Rundfunkgebührenempfehlung 2009 – Reaktionen und Hintergründe
Morgen: Der Streit um die Online-Selbstverpflichtungen