Auslöser für den Aufreger der vergangenen Woche war ein angebliches Schreiben eines anonymen Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin der Telekom. Inhalt: angebliche Pläne über Volumenbegrenzungen bei T-DSL. Das Schreiben wurde in den virtuellen Briefkasten des Technikblogs fanboys eingeworfen – und landete just als Hauptthema im Podcast der Blogger. Die Folge war eine Flut an Re-Blogs, Kommentaren, Tweets, Re-Tweets und letztlich ein Statement der Telekom: Ja, es gäbe Überlegungen hierzu. Doch was für Konsequenzen hätte eine Datendrosselung bei Telekom-Tarifen?
Wir liefern einen Überblick – und eine Gegenüberstellung der alten und neuen Datenmengen.
Datendrosselungen sind nicht neu, für Mobilfunkverträge sind sie bereits Gang und Gäbe. Der Netzanbieter stellt dabei seinen Kunden gegen Zahlung ein bestimmtes Datenvolumen für die Internet-Nutzung zur Verfügung. Ist dieses Volumen überschritten, wird die Übertragungsgeschwindigkeit gedrosselt – oder der Kunde bucht ein zusätzliches Kontingent, wiederum gegen Entgelt. Was teilweise bereits als „Pseudo-Flatrate” bezeichnet wird, soll nun scheinbar auch für das Festnetz-Internet eingeführt werden. Was viele nicht wissen: Entsprechende Klauseln gibt es bereits in den AGB von vielen Netzanbietern, so auch bei der Telekom. Nur angewandt wurden sie bislang noch nicht.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Sowohl für die Internet-Tarife „Call & Surf“, als auch für das Komplettpaket „Entertain“ gibt es bereits Klauseln zur Drosselung der Bandbreite ab einem bestimmten Datenvolumen. Was sich scheinbar ändern wird: Nicht nur „Call & Surf“ mit VDSL und „Entertain“ mit Fiber sind wie bisher von der Drossel-Klausel betroffen, sondern dann auch die „Call & Surf“ Tarife mit DSL und „Entertain“ mit DSL bzw. VDSL. Das heisst nichts weniger als: alle Tarife. Ob diese dann aber tatsächlich auf eine Übertragungsgeschwindigkeit von lediglich 384 kbit/s gedrosselt werden, ist bisher nicht bestätigt.
Was hingegen bestätigt wurde: Bereits bestehende Verträge seien von der Änderung nicht betroffen. Andernfalls stünde den Kunden wohl auch ein Sonderkündigungsrecht zu. Man kann davon ausgehen, dass Neuverträge die möglichen neuen Drossel-Klauseln integrieren werden. Das Gleiche dürfte auch für Vertragsverlängerungen gelten – schließlich werden die jeweils aktuellen Vertragsbedingungen auch Vertragsbestandteil.
Die Telekom argumentiert folgendermaßen: Auf der einen Seite wachse das Datenvolumen exponentiell. Der Netzausbau müsse deshalb massiv ausgebaut werden, was wiederum Milliarden verschlinge. Andererseits würden die Telekommunikationspreise jedoch rasant fallen.
Manch erboster Kunde wirft der Telekom in den Kommentaren verschiedener Blogs bereits interne Absprachen mit Konkurrenten vor. Das wäre kartellrechtlich freilich unzulässig und deshalb ein Skandal. Auch möglich wäre, dass die Telekom den ersten Schritt macht und auf das Nachziehen anderer Anbieter hofft. Ähnlich hat es auch beim mobilen Internet stattgefunden – der freien Marktwirtschaft sei Dank.
Netzneutralität – das bedeutet, dass kein Internet-Dienst bzw. keine Datenübertragung bevorzugt oder benachteiligt wird. Alle Daten werden gleich behandelt. Neutral eben.
Rein technisch ist es allerdings möglich, bestimmte Daten schneller, langsamer, qualitativ hochwertiger oder aber schlechter durch das Netz zu schicken. Kritiker sehen darin den freien Meinungsaustausch und somit die Meinungsfreiheit gefährdet, ein freies Internet sei für die Demokratie unabdingbar. Sie fordern deshalb, Netzneutralität von staatlicher Seite anzuordnen (gegenüber der Wirtschaft), aber auch selbst einzuhalten (sprich: keine staatlichen Eingriffe).
Wer aber kann diesen Datentransfer überhaupt beeinflussen? Natürlich diejenigen, die das Netz mit aufgebaut haben, das heisst die Telekommunikationunternehmen, auch „Internet-Service-Provider” (ISP) genannt. Warum sollten Provider den Datentransfer beeinflussen? Die Telekom beschwerte sich in letzter Zeit immer wieder darüber, dass Telekommunikationsanbieter wie sie das Netz auf eigene Kosten ausbauen, Internetdienste-Anbieter wie Google, Apple, YouTube etc. aber die eigentlichen Profite einstreichen würden.
In diesem Zusammenhang wurde der Begriff OTT („Over The Top”) geprägt. Gemeint sind damit datenintensive Services, die die Netze mehr strapazieren als andere – weshalb Netzbetreiber sie gern zur Kasse bitten würden, aber offziell nicht können. Diese Services werden aaerdings nicht wieder von der Bildfläche verschwinden, weil die Kunden der Netzanbieter gerne ihre Dienste in Anspruch nehmen (man denke zum Beispiel an Katzenvideos auf YouTube). Also suchen Provider andere Lösungen und scheinen diese in der Kooperation mit den Services gefunden zu haben. Problematisch ist das jedoch im Hinblick auf die Netzneutralitätsdebatte.
Bereits vergangenen Sommer sorgte der Deal zwischen der Telekom und dem Musikstreaming-Dienst Spotify für Aufruhr in der Netzgemeinde. Dem Provider wurde vorgeworfen, durch die Kooperation die Netzneutralität zu unterwandern. Hintergrund: Bestimmte Telekom-Tarife wurden mit dem Angebot von Spotify gekoppelt und das, ohne dass der hierbei anfallende Daten-Traffic auf den jeweiligen Telekom-Vertrag angerechnet wird. Die betreffenden Telekom-Kunden verfügten fortan also quasi über unbegrenzte zusätzliche Bandbreite bei der Nutzung von Spotify. Das klingt zunächst so, als gäbe es keinen Verlierer. Doch die Konkurrenten des Musikdienstes gehen am Ende des monatlichen Daten-Limits ihrer mobilen Kunden leer aus, Spotify dagegen nicht. In dieser bevorzugten Behandlung sehen Netzneutralität-Befürworter eine Aushebelung der Netzneutralität. Die Sprache ist sogar von einem Schritt zum Zwei-Klassen-Internet.
Ähnliches und jüngstes Beispiel: die Telekom kooperiert laut eigenen Angaben mit dem Cloud-Notizen-Dienst Evernote. Inhalt: Alle Telekom-Kunden erhalten Evernote-Premium nun für ein Jahr kostenlos. Der so entstehende Daten-Traffic wird zwar auf den Telekom-Vertrag angerechnet. Aber fraglich ist auch hier, ob konkurrierende Unternehmen dadurch nicht ungleich behandelt werden. Solche Kooperationen bergen jedoch nicht nur für die Netzneutralität eine Gefahr, sondern auch für Start-Ups. Sie könnten auf der Strecke bleiben, während finanziell stärkere Unternehmen die Deals mit den Providern abgreifen. Der Meinungsaustausch wäre hierdurch je nach Art des jeweiligen Unternehmens ebenfalls betroffen – ein Teufelskreis.
Könnte die Netzneutralität durch eine Drosselung der Bandbreite bei Telekom-Tarifen verletzt werden? Das kommt darauf an, ob dadurch bestimmte Diensteanbieter benachteiligt, andere aber bevorzugt würden. Möglich wäre dies zum Beispiel, wenn eine Drosselung des Datenvolumens für die „normale“ Internetnutzung stattfindet, beim hauseigenen Dienst „Entertain“ der Telekom aber nicht. Das „Paket-Angebot für Internetfernsehen (IP-TV), Internetsurfen & Festnetz-Telefonieren aus einer Hand” würde damit Konkurrenten ausbremsen und der eigene Dienst vorteilhaft behandelt werden. Beispielsweise der „Maxdome“ würde nach ca. drei ausgeliehenen HD-Filmen ihren Kunden für den restlichen Monat verlieren, da dessen Daten-Limit aufgebraucht wäre. Sogar wettbewerbsrechtliche Abmahnungen wären so unter Umständen gerechtfertigt.
Was bleibt, ist abwarten. Abwarten, ob und wie sich die Telekom weiter zur Thematik äußern wird. Abwarten, ob und wie andere Netzanbieter auf eine mögliche Datendrosselung der Telekom reagieren werden. Stichtag ist laut der Telekom-Quelle angeblich der 02. Mai.