Genau zu Beginn der diesjährigen Frankfurter Buchmesse Mitte Oktober wurde gegen den Verlag Blumenbar eine einstweilige Verfügung erwirkt: Das Landgericht Frankfurt hatte die Verbreitung der ursprünglichen Fassung des Romans „Ende einer Nacht“ von Olaf Kraemer untersagt. Nun will der Verlag Widerspruch gegen den Gerichtsbeschluss einlegen. Bisher wird das Buch nur mit geschwärzten Passagen und dem Aufkleber „Collector’s Edition. Einstweilige Verfügung: 152 Wörter weniger“ verkauft.
Keine neue „Esra“-Entscheidung?
Der Roman handelt von den letzten Stunden der Schauspielerin Romy Schneider. In den sieben zensierten Passagen wird eine persönliche Nähe deren Mutter Magda zu Adolf Hitler und dem Nazi-Regime nahegelegt. In den bald folgenden Gerichtsverhandlungen werden die Richter nun eine Abwägung zwischen denPersönlichkeitsrechten von Magda Schneider und der Kunstfreiheit des Autors und des Verlages vornehmen müssen. Zuletzt hat eine solche Grundrechtskollision im Zusammenhang mit Maxim Billers Roman „Esra“ für Aufmerksamkeit gesorgt. Doch Blumenbar sieht keine Parallelen zu diesem Fall; die Süddeutsche Zeitung zitiert aus einer Mitteilung des Verlages:
„Anders als bei den in die Rechtsgeschichte eingegangenen Romanen „Mephisto“ von Klaus Mann und „Esra“ von Maxim Biller steht bei „Ende einer Nacht“ die Erkennbarkeit der Romanfiguren von vorneherein fest und ist wesentliches Element der literarischen Konstruktion“.
In der Tat wird es in diesem offenischtlichen Fall nicht darum gehen, inwiefern reale Personen hinter den fiktiven Romanfiguren ausgemacht werden können. Eine solche Identifizierung hatte das BVerfG im Fall „Esra“ als Indiz für eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung angenommen. Nach dieser Rechtsprechung muss aber zusätzlich ein besonders schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliegen – nur unter solchen Umständen kann die Kunstfreiheit eingeschränkt werden. Dafür kommen insbesondere Schilderungen aus dem Intimleben oder ehrenrührige falsche Tatsachenbehauptungen in Betracht. Entscheidend wird demnach sein, inwiefern die Darstellung der Magda Schneider in „Ende einer Nacht“ der Realität entspricht. Außerdem wird bei der Abwägung eine Rolle spielen, dass die sog. „postmortalen“ Persönlichkeitrechte der im Jahr 1996 verstorbenen Magda Schneider mit der Zeit verblassen. Sie verlieren also gegenüber anderen Grundrechten an Bedeutung.