„Deutschland ist ein Risikogebiet für Web 2.0“ urteilt Spiegel Online in einem aktuellen Artikel zur Haftung von Web 2.0 Portalen. Zu Recht, wie die vollkommen unterschiedliche Rechtsprechung zur Forenhaftung in den letzten Monaten gezeigt hat.
Spiegel Online erklärt den Grund für die Rechtsunsicherheit wie folgt:
Der Grund für diese Rechtsunsicherheit ist ein schwammig formuliertes Gesetz. Der entsprechende zehnte Paragraph des Telemediengesetzes sagt „Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich“. Der Begriff „Verantwortlichkeit“ ist im deutschen Recht allerdings nicht klar definiert – gebräuchlich ist „Haftung“. Deshalb können und müssen Gerichte den Gesetzestext interpretieren, wenn jemand auf Unterlassung klagt oder seine Rechte verletzt sieht.
Doch diese Begründung trifft den Kern des Problems nicht annähernd. Denn der Begriff der Verantwortlichkeit ist keinesfalls unklar oder gar neu. Zahlreiche Vorschriften des BGB verwenden diese Formulierung, etwa § 276 BGB. Im Gegenteil gilt eher der Begriff der „Haftung“ als undogmatisch. Doch die Abgrenzung ist hier in jedem Fall müßig, denn der Streit um die Forenhaftung rankt sich um eine ganz andere Formulierung.
Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt.
Zwar schränken die §§ 8 bis 10 TMG die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern im Internet ein, nach dieser Formulierung gilt das jedoch nicht für die Verpflichtung zur Entfernung und Sperrung von Inhalten. Ein Forenbetreiber kann also zum Beispiel nicht strafrechtlich für Inhalte Dritter verfolgt werden, weil § 10 TMG die Verantwortlichkeit einschränkt. Diese Einschränkung greift jedoch nicht, wenn jemand die Entfernung von Inhalten verlangt. Geht es also etwa um Unterlassungsansprüche, also die Pflicht, Rechtsverletzungen (auch in Zukunft) zu unterlassen, ist der Forenbetreiber der vollen Kraft des Gesetzes ausgeliefert.
Ein weiteres Problem: Unterlassungsansprüche setzen in der Regel kein Verschulden voraus. Es kann also nahezu jeder in Anspruch genommen werden, der in der Lage ist, die Rechtsverletzung auch nur im Weitesten ermöglicht hat und in der Lage ist, sie zu entfernen. Fahrlässiges Handeln ist nicht erforderlich, nicht einmal die Kenntnis von der Rechtsverletzung. Ein Fass ohne Boden. Das hat auch der Bundesgerichtshof so gesehen und hat für die sog. „Störerhaftung“, der wohl häufigste Unterlassungsanspruch im Bereich der Forenhaftung, festgestellt:
Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist.
Und genau um diese Prüfungspflichten streiten sich seit Jahren die Gerichte. Die wohl herrschende Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass ein Forenbetreiber grundsätzlich nicht sämtliche Beiträge überprüfen muss. Nur wenn sich Rechtsverletzungen gleicher Art häufen, muss der Betreiber dafür Sorge tragen, dass sie sich in Zukunft nicht wiederholen (so etwa das OLG Hamburg oder das OLG München). Das sehen allerdings nicht alle Gerichte so, was dazu führt, dass Entscheidungen in diesem Bereich im Wesentlichen vom entscheidenden Gericht abhängen.
Zum ansonsten lesenswerten Artikel bei Spiegel Online.
Zum Problem der Störerhaftung: Interview über das Supernature-Urteil bei Telemedicus.