Ein Artikel von Dr. Tobias Schelinski, Rechtsanwalt bei Taylor Wessing in Hamburg und Adrian Schneider.
Längst hat die Konvergenz der Werbemedien auch Computer- und Videospiele erfasst. Werbung in Computerspielen, sogenanntes Ingame-Advertisement, entwickelt sich zunehmend zu einem lohnenden Geschäft für Spielehersteller und Werbetreibende. Gut 730 Millionen Dollar Marktvolumen prognostizierte die Yankee-Group im Februar beim GfM World Congress bis zum Jahr 2010. Die Vorteile von Ingame-Advertisement liegen auf der Hand: Hersteller haben die Möglichkeit, teilweise die Entwicklungskosten durch Werbung abzudecken, während Werbetreibende zielgerichtete Werbung als Alternative zum schwächelnden analogen Werbemarkt schalten. Doch das deutsche Recht setzt diesem neuen Werbemarkt Grenzen, und Spielehersteller haben bei der Konzeption von Spielen viel zu beachten.
Wettbewerbsrechtliche Grenzen
Das „Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) stellt in Deutschland Regelungen auf, die die Grenzen von Werbemaßnahmen vorgeben. Nach § 3 UWG sind generell unlautere Wettbewerbshandlungen verboten. Was als unlautere Wettbewerbshandlung anzusehen ist, ergibt sich beispielhaft aus §§ 4 ff. UWG.
Verschleierung von Werbung, § 4 Nr. 3 UWG
Nach § 4 Nr. 3 UWG ist Werbung dann unzulässig, wenn eine „Verschleierung des Werbecharakters“ vorliegt. Vereinfacht ausgedrückt betrifft das die sogenannte Schleichwerbung. Werbung ist demnach immer dann unzulässig, wenn eine Maßnahme Werbecharakter aufweist und dieser verschleiert wird.
Wann bei Computerspielen jedoch überhaupt ein Werbecharakter vorliegt, ist gerichtlich noch nicht entschieden. Der Bundesgerichtshof hat sich lediglich in diesem Zusammenhang mit privaten Spielfilmen auseinandergesetzt. Orientiert man sich an diesen Maßstäben des BGH, liegt ein Werbecharakter immer dann vor, wenn der Produzent für die Nennung von Marken oder Produkten eine „Gegenleistung von einigem Gewicht“ erhält. In der Praxis ist eine solche Gegenleistung allerdings meist nur schwer nachzuweisen. Indiz kann daher zum Beispiel die „übermäßige Schaustellung“ eines Produktes sein. Tritt also ein Produkt in den Mittelpunkt des Spielgeschehens, dürfte ein Werbecharakter vorliegen.
Eindeutig liegt ein Werbecharakter bei Spielen wohl auch in solchen Fällen vor, wo ein Unternehmen für die Werbung (in welcher Form auch immer) in einem Computerspiel Geld bezahlt oder das Spiel ausschließlich für Werbezwecke entwickeln lässt (Ad-games). Grenzwertig ist es hingegen schon bei „Sponsored Games“, also wenn Hersteller und Sponsor lediglich eine Kooperation abschließen oder die Marken und Produkte nur zur Steigerung des realistischen Eindrucks genutzt werden.
Auch der Begriff der „Verschleierung“ ist nicht eindeutig. Grundsätzlich wird dabei auf die Erwartungshaltung des angesprochenen Verkehrs, also im Wesentlichen der Zielgruppe, abgestellt. Dabei müssen sowohl Medienkompetenz und andere Besonderheiten der Zielgruppe berücksichtigt werden, als auch die Bekanntheit und Einsatzgewohnheiten der jeweiligen Werbeform. Konkret bedeutet das: Spiele für Kinder sind zum Beispiel anders zu beurteilen, als Spiele für Erwachsene; für eine Plakatwand im Spiel, die der Zielgruppe schon im realen Leben als Werbeträger bekannt ist, gelten andere Anforderungen, als für dynamische Werbeeinblendungen oder Product Placement als relativ neue und unbekannte Werbeformen.
Generell ist es irrelevant, ob die Werbung zur Realitätssteigerung des Spiels beiträgt. Im Gegenteil: vermutet der Spieler, dass es sich bei einer Werbung lediglich um einen realitätssteigernden Bestandteil des Spiels und nicht um eine Werbekampagne handelt, ist erst recht von einer Verschleierung des Werbecharakters auszugehen. So wäre wohl bei einer Fußballsimulation die Nennung von realen Sponsoren auf den Trikots für die Zielgruppe ganz offensichtlich als Werbung erkennbar. Anders sähe es wohl zum Beispiel aus, wenn der Spieler bei einer Familiensimulation den Avatar mit der aktuellen Kollektion einschlägiger Modehausketten ausstatten könnte.
Unzumutbare Belästigung, § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG
Ein weiteres Beispiel für eine mögliche unlautere Wettbewerbshandlung ist die „unzumutbare Belästigung“ nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Demnach ist Werbung immer dann unzulässig, wenn der Empfänger sie erkennbar nicht wünscht. Problematisch ist hier bereits, welche Werbeformen überhaupt von dieser Vorschrift erfasst sind. Denn der Begriff des „Empfängers“ lässt darauf schließen, dass nur Werbung gemeint ist, die sich an individuelle Adressaten richtet – Allgemeinwerbung soll nicht darunter fallen.
Darüber hinaus muss der entgegenstehende Wille des Empfängers erkennbar sein. Bei Computerspielen dürfte das schwierig sein, denn der Spieler müsste in irgendeiner Form geäußert haben, dass er die Werbung im Spiel nicht wünscht. Nur in seltenen extremen Fällen muss von einem entgegenstehenden Willen ausgegangen werden. Etwa wenn die Filiale einer Burger-Kette zu Werbezwecken in einem Fantasy-Spiel platziert wird. Hier wird das Spielgeschehen so extrem beeinflusst, dass davon auszugehen ist, dass der Nutzer eine solche Werbung nicht wünscht.
Rechtsfolge der Wettbewerbsverletzung
Ein Verstoß gegen die Vorschriften des UWG führt jedoch nicht zwangsläufig zu einem Verbot der Werbung. Vielmehr haben Konkurrenten oder Verbraucherschutzvereine die Möglichkeit, die Rechtsverletzung abzumahnen und Unterlassung zu fordern. Das kann in Extremfällen sogar zur einstweiligen Einstellung des Vertriebes führen.
Neben dem Unterlassungsanspruch können theoretisch auch Schadensersatzansprüche auf Seiten der Konkurrenten bestehen. In der Praxis sind diese Fälle aber sehr selten, da sich hier enorme Beweisprobleme ergeben.
All diese Ansprüche können auch dann gegen den Hersteller geltend gemacht werden, wenn sie durch Mitarbeiter oder andere Beauftragte begangen wurden. Dazu gehören zum Beispiel auch Werbeagenturen.
Mängelansprüche
Praktisch wohl nur selten denkbar, in der juristischen Literatur dennoch diskutiert wird die Frage, ob darüber hinaus Ingame-Advertisement auch einen Sachmangel darstellen kann. Ein Sachmangel liegt dann vor, wenn die Beschaffenheit des Spiels nicht den Vereinbarungen entspricht, oder sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet. In diesem Fall könnte der Kunde Nachbesserung verlangen und im schlimmsten Fall sogar das Spiel gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben. Da in den allerseltensten Fällen vertraglich die Beschaffenheit eines Spiels beim Kauf vereinbart wurde, kann ein Sachmangel bei Ingame-Advertisement in aller Regel nur dann vorliegen, wenn das Spiel wegen der Werbung nicht wie erwartet funktioniert. Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn die Ingame-Advertisement extreme Leistungseinbußen mit sich bringt oder das Spiel überhaupt nicht mehr nutzbar ist.
Praktisch dürften solche rechtlichen Probleme aber nur sehr selten auftreten. Denn durch die Angabe entsprechender „Systemvoraussetzungen“ lassen sich solche Probleme von der Herstellerseite aus recht einfach ausräumen. Außerdem wird der Zusammenhang zwischen Spielproblemen und Ingame-Advertisement nur sehr schwer nachzuweisen sein.
Datenschutz
Insbesondere bei dynamischer Werbung ergeben sich darüber hinaus noch datenschutzrechtliche Fragen. Wird beispielsweise das Spielverhalten des Nutzers ausgewertet und zur Optimierung der Werbekampagnen benutzt, könnte das an datenschutzrechtliche Grenzen stoßen.
Grundsätzlich ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten nur dann zulässig, wenn es mit Einwilligung des Betroffenen geschieht, oder es eine Rechtsvorschrift ausnahmsweise erlaubt. Persönliche Daten sind dabei nur solche Informationen, die sich auf eine bestimmte einzelne Person beziehen oder durch die es möglich ist, einen Bezug zu einer Person herzustellen. Dazu gehören Name, Anschrift, aber auch unter Umständen die IP-Adresse. Anonymisierte Daten fallen jedoch nicht darunter.
Werden also lediglich statistische Daten ohne jeden Personenbezug für die Optimierung der Werbeeinblendungen verwendet, ist das Datenschutzrecht nicht anwendbar.
Werden hingegen auch personenbezogene Daten erhoben (z.B. auch die IP-Adresse), muss der Spieler in die Erhebung und Verarbeitung der Daten einwilligen. Dabei muss die Einwilligung freiwillig erfolgen. Die Einwilligung darf also nicht zwingend sein, um das Spiel benutzen zu können. Außerdem muss der Spieler explizit auf den Zweck der Datenerhebung hingewiesen werden. Auch darf die Einwilligungserklärung nicht in Nutzungs- oder Lizenzbedingungen versteckt werden, sondern muss besonders hervorgehoben werden.
Auch muss der Nutzer die Möglichkeit haben, seine Einwilligung zu widerrufen.
Verantwortlichkeit für rechtswidrige Werbung
Ein ganz anderes Problem ergibt sich, wenn in einem Spiel in rechtmäßiger Weise (also nicht verschleiert oder belästigend) Werbung geschaltet wird, diese aber rechtswidrige Inhalte zum Gegenstand hat. Dabei kann es sich zum Beispiel um Werbung für jugendgefährdende Internetseiten oder um in Deutschland verbotene Online-Glücksspiele handeln. Hier gilt: nicht nur die Werbetreibenden, sondern auch der Hersteller eines Spiels kann für rechtswidrige Werbemittel in Anspruch genommen und unter Umständen sogar strafrechtlich belangt werden. Vorstellbar ist hier unter anderem ein Fall der Mittäterschaft oder Beihilfe, sofern beide Beteiligten von der rechtswidrigen Werbung wussten und ein Vorsatz festzustellen ist. Beide haften in diesem Fall, als hätten sie selbst die Rechtsverletzung unmittelbar begangen.
Doch der Spielehersteller kann auch dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn er keinerlei Kenntnis von der rechtswidrigen Werbung hatte, etwa wenn bei dynamischer Werbung die Gestaltung dem Werbenden selbst überlassen wird und die Werbemittel lediglich automatisch ins Spiel eingebunden werden. Was Unterlassungsansprüche angeht, dürfte er in jedem Fall als sog. Störer haften. Denn dafür ist keinerlei Kenntnis oder gar Verschulden notwendig. Es reicht lediglich, die Rechtsverletzung weitestgehend ermöglicht und Prüfungspflichten verletzt zu haben. Die Folge wäre identisch wie bei einer Wettbewerbsrechtsverletzung: bei einer Abmahnung kann der Vertieb des Spiels verboten werden. Worin jedoch diese Prüfungspflichten genau bestehen, ist mangels Gerichtsentscheidungen noch unklar. Es ist allerdings davon auszugehen, dass ein Spielehersteller nicht unkontrolliert Werbung in seinen Spielen zulassen darf.
Daneben kann sich der Hersteller auch schadensersatzpflichtig machen, wenn er fahrlässig gehandelt hat. Bei der Beurteilung der Fahrlässigkeit dürfte Ähnliches gelten wie für die Prüfungspflichten: wer ungesehen und ungefiltert Werbung von extern in sein Spiel einbindet, muss damit rechnen, dass hier auch Missbrauch möglich ist.
Diese Haftungsregeln gelten nicht nur für das Verhältnis zwischen Hersteller und Werbetreibenden, sondern können je nach Einzelfall auch auf andere Teile der Verwertungskette übertragen werden, wie etwa Werbeagenturen oder Vertriebspartner.
Fazit
Werbung in Computerspielen bietet Spieleherstellern und Werbetreibenden viele neue Chancen und Möglichkeiten. Doch gilt es viel zu beachten: Werbung muss als solche erkennbar sein und darf das Spiel nicht in extremer Weise dominieren. Auch darf die Werbung nicht zu extremen Performance-Einbußen führen, mit denen der Nutzer des Spiels nicht rechnen kann. Sollen persönliche Daten des Spielers zur Werbeeinblendung benutzt werden, muss eine eindeutige und freiwillige Einwilligung eingeholt werden, ohne dass diese Voraussetzung zum Spielen sein darf. Die eingesetzten Werbemittel müssen sorgfältig geprüft werden, denn nahezu jedes der beteiligten Unternehmen kann für Rechtsverletzungen in Anspruch genommen werden.