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Programmbeschwerde zu Call-in-Shows: Antwort von der BLM

Anfang des Jahres hatten Christiane Müller und ich eine Programmbeschwerde an die Bayerische Landeszentrale für neue Medien verschickt. 11 Monate und 14 Tage später kam die Antwort:

Bayerische Landeszentrale für neue Medien
Rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts
Recht

Simon Möller
Legdenweg 52
48161 München

Programmbeschwerde: Call-in-Shows der Sender kabel eins, VIVA und DSF
Hier: Ihr Schreiben vom 16.01.2008 – Programmbeschwerde nach Art. 17 BayMG

Sehr geehrter Herr Möller,

für Ihre Anregungen und rechtlichen Ausführungen in Ihrem Schreiben vom 16.01.2008, in welchem Sie eine Programmbeschwerde nach Art. 17 BayMG einlegen, danken wir Ihnen.

Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (im Folgenden: Landeszentrale) überwacht sog. Call-in-Formate auf Grundlage des § 41 Abs. 1 Satz 4 Rundfunkstaatsvertrag i.V.m. den Gewinnspielregelungen (Stand: 19.06.2007). Aufgrund der bayerischen Rechtslage können für jeden festgestellten Verstoß gegenwärtig € 250,- Bearbeitungsgebühr festgesetzt werden. Die Möglichkeit einer Verhängung von Bußgeld besteht jedoch nicht.

Ihren Ansatz, aufgrund des EuGH-Urteils vom 18. Oktober 2007 (Rechtssache C 195/06) Call-in-Formate als Werbung oder Teleshopping zu verstehen und auf dieser Grundlage einen Verstoß gegen werberechtliche Bußgeldvorschriften anzunehmen, teilen wird nicht: Ausweislich des Tenors legt dieses Urteil nicht fest, dass Call-in-Formate in jedem Fall Teleshopping i.S.v. Art. 1 Buchst. f) bzw. oder Fernsehwerbung im Sinne von Art. 1 Buchs. c) der Fernsehrichtlinie sind. Der EuGH hält dies nach unserer Lesart des Urteils lediglich möglich in den Fällen, in welchem bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der Kriterien, die der EUGH aufgestellt hat, zu einem entsprechenden Ergebnis (Teleshopping oder Werbung) führt.

Die Landeszentrale geht in ihrer bisherigen Beurteilungspraxis davon aus, dass Call-in-Formate mit der Teilnahmemöglichkeit unter Verwendung von Mehrwerttelefonnummern kein „tatsächliches wirtschaftlich unabhängiges Dienstleistungsangebot“ darstellen, sondern vielmehr ein interaktives Unterhaltungsformat darstellen und somit kein Telshopping im Sinne der Richtlinie sind. Diese Möglichkeit hat der EuGH unter Rn. 38 des Urteils explizit angesprochen. Bestärkt wird unsere Ansicht durch die Regelungen zum sog. Kopplungsverbot in § 4 Nr. 6 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Dazu wird nahezu einhellig die Ansicht vertreten, dass das Kopplungsverbot (d.h. das Verbot der Verbindung von Gewinnspielen und Preisausschreiben mit einem Absatzgeschäft) für Gewinnspiele im Rundfunk nicht gilt, da diese „naturgemäß“ mit der Ware (nämlich dem Unterhaltungsprogramm) verbunden sind. Nachweise finden Sie z.B. bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG, 26. Auflage 2008, Rn. 1.133 m.w.N.).

Die Ansicht, dass es sich zwingend um Werbung handeln müsse, teilen wir ebenfalls nicht: Aus den Randnummern 40 ff. des Urteils ergibt sich, dass im Wege einer wertenden Betrachtung festgestellt werden müsste, ob die Sendung die Absicht zum Ausdruck bringt, über das Fernsehen Werbebotschaften an die Zuschauer zu senden. Die attraktive Gestaltung des Programms allein reicht dafür nicht. Die vom EuGH angesprochene mittelbare Anpreisung des eigenen Programms (vgl. Rn. 45, z.B. Fragen zum Programm) können wir bei den von uns beobachteten Programmen der Sender 9Live und kabel eins nicht erkennen; im Übrigen würde die gegenteilige Ansicht auch nicht zur Wirtschaftswerbung für Dritte, sondern nur zur Anpreisung des eigenen Programms führen, in den Fällen der Call-in-Sendungen zumeist sogar zur Anpreisung der gerade laufenden Sendung. Eine derartige Einstufung als Werbung erschien wenig sinnvoll. Es sind interaktive Programmformate.

Aus unserer Sicht wird sich mit dem Erlass der Gewinnspielsatzung – einen Entwurf finden Sie auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (www.alm.de) – mit deren Inkrafttreten wir zum Frühjahr 2009 rechnen – die Handhabung dieser Formate bei erkannten Missständen u.a. auch wegen der Möglichkeit einer Bußgeldverhängung nachhaltig verbessern.

Dies ist möglich geworden durch das Inkrafttreten des § 8a durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zum 1. September 2008.

Mit freundlichen Grüßen

*

(Rechtschreib- und Grammatikfehler habe ich mit übernommen; es ist jedoch auch möglich, dass ich beim Abtippen noch neue hinzugefügt habe. Hervorhebungen und Links finden sich nicht im Original. Den Namen des Verfasser habe ich aus rechtlichen Gründen nicht beigefügt, werden ihn auf Anfrage aber gerne ergänzen.)

Ich muss zugeben, dass mich die Antwort etwas ärgert. Nicht nur, dass sie erst jetzt kommt – ich habe auch nicht den Eindruck, dass man sich in München mit unseren Vorschlägen wirklich auseinandergesetzt hat. Einen Verstoß gegen das UWG-Kopplungsverbot hatten wir z.B. gar nicht moniert. Und auch die Ausführungen zu der Frage, wieso Call-in-Sendungen kein Teleshopping sein sollen, überzeugen mich nicht. Der EuGH hat in dem zitierten Urteil gefordert, die Frage sei mittels einer „wertenden Betrachtung“ zu lösen. Denn es gibt ja auch Fernseh-Gewinnspiele, die tatsächlich Teil des Programms sind (z.B. der Zuschauer-TED bei „Wetten Dass“). Zur Abgrenzung gibt der Gerichtshof bestimmte Kriterien zur Hand:

• die Zeit,
• die erhofften wirtschaftlichen Ergebnisse im Verhältnis zu den von der Sendung insgesamt erwarteten Ergebnissen sowie
• der Ausrichtung der den Kandidaten gestellten Fragen.

Nun weiß jeder, der die typischen Call-in-Sendungen auf 9Live, Kabel Eins oder DSF angesehen hat, dass
• Call in-Shows sich zeitlich etwa so einteilen: „Erklärung des Rätsels“ 5 %, „Lösungsversuche“ 10 %, „Auflösung“ 5 % und „Aufforderungen an die Zuschauer, anzurufen und das Räsel zu lösen“: 80 %;
• sich diese Shows ausschließlich über die erlösten Anrufkosten finanzieren; und
• die Fragen nicht den geringsten Unterhaltungswert haben, sondern ausschließlich darauf ausgerichtet sind, den Zuschauern vorzugaukeln, die Rätsel seien sehr leicht und sie so zum Anrufen zu bewegen.

Wie es anders geht, zeigt Österreich: Die Medienaufsicht dort hat nicht nur das Vorlageverfahren zum EuGH überhaupt angestrengt – sie kommt auch zu dem deutlichen Ergebnis, dass es sich bei der betreffenden Call-in-Show („ORF Quiz Express“) um Teleshopping handelt und hat sie deswegen untersagt.

Zur Programmbeschwerde aus Januar 2008.

Das EuGH-Urteil zu Call-in-Shows.

, Telemedicus v. 05.12.2008, https://tlmd.in/a/1062

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