Bayerische Landeszentrale für neue Medien
Heinrich-Lübke-Straße 27
81737 München
Programmbeschwerde: Call-In-Shows der Sender Kabel Eins, Viva und DSF
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit reichen wir,
Christiane Müller
Simon Möller
gegen die Programme der Sender
ein und stellen den
Antrag:
Es soll geprüft werden, ob die Programme der Sender Kabel Eins, Viva und DSF gegen die Vorschriften über den Inhalt sowie den Umfang und die Kennzeichnung von Werbung und Teleshopping in Art. 8 BayMG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 3, 45 Abs. 1, 2, 45 a Abs. 2 RfStV verstoßen. Gegebenenfalls sollen Maßnahmen ergriffen werden, die die Einhaltung der Regelungen sicherstellen.
Diese Verstöße stellen eine Ordnungswidrigkeit gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 BayMG i.V.m. § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 16, 17 RfStV dar. Hier besteht die Möglichkeit, ein Bußgeld zu verhängen.
Begründung:
Vertreter der Landesmedienanstalten haben häufig darauf verwiesen, sie hätten gegen etwaige Verstöße gegen die „Anwendungs- und Auslegungsregeln zu Fernsehgewinnspielen der Landesmedienanstalten“ keine rechtliche Handhabe. So wird z.B. der Direktor der Bayerischen Landesanstalt für neue Medien, Prof. Dr. Ring, in einer Pressemitteilung der BLM vom 24. Mai 2007 wie folgt zitiert:
„Wir sind derzeit auf eine Mitwirkung der Sender angewiesen, weil es bislang keine Steuerungsmöglichkeit der Landesmedienanstalten gibt. Es gibt keine gesetzliche Richtlinienbefugnis und es gibt keinen Ordnungswidrigkeiten-Tatbestand, der bei Verstößen greifen kann.“
Wir halten das für falsch. Mit Urteil vom 18. Oktober 2007 hat der EuGH endgültig klargestellt, dass Call-in-Shows, wie die oben aufgezählten Sendungen, als Werbung oder als Teleshopping zu qualifizieren sind. Somit kann die BLM sämtliche Maßnahmen ergreifen, die ihr auch gegen Werbung und/oder Teleshopping offenstünden.
Für Werbung und Teleshopping gilt gem. Art. 8 Abs. 1 BayMG, § 7 Abs. 1 RfStV ein Verbot der Irreführung. Wir halten die gut dokumentierten Praktiken der oben zitierten Sendungen für einen Verstoß gegen diese Grundsätze. Insbesondere meinen wir, dass die teilnehmenden Verbraucher regelmäßig über ihre tatsächlichen Gewinnschancen getäuscht werden.
§ 7 Abs. 1 RfStV schreibt vor, dass bei der Ermittlung irreführender Werbung auch auf die „Interessen der Verbraucher“ abzustellen ist. Damit ist klargestellt, dass auch die Wertungen des europäischen Verbraucherschutzrechts zu berücksichtigen sind, unter anderem die neue Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Diese definiert eine „irreführende Geschäftspraktik“ in Art. 6 Abs. 1 wie folgt:
„Eine Geschäftspraxis gilt als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder wenn sie in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf einen oder mehrere der nachstehend aufgeführten Punkte täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist und ihn in jedem Fall tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte.“
Als Täuschungsgegenstände aufgeführt sind unter anderem:
„die wesentlichen Merkmale des Produkts wie Verfügbarkeit, Vorteile, Risiken, (…) Menge, Beschaffenheit, (…).“
Wir sind der Auffassung, dass der durchschnittliche an einem derartigen Gewinnspiel teilnehmende Verbraucher sich nicht darüber bewusst ist, welche Kosten die (dauerhafte) Teilnahme verursacht und in welchem Verhältnis dazu die tatsächlichen Gewinnchancen stehen.
Falls die BLM in diesem Punkt unsicher sein sollte, fordern wir sie dazu auf, entsprechende Untersuchungen anzustellen. Die Expertise im Bereich Medienforschung / Medienpädagogik steht der BLM zur Verfügung.
Wir sind weiterhin der Auffassung, dass die genannten Sender auch die Regelungen zur zulässigen Sendezeit von Teleshopping überschreiten.
I) Call-In-Shows als Teleshopping
Bei den aufgezählten Sendungen handelt es sich um Teleshopping im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 8 RfStV. In seinem Urteil vom 18. Oktober 2007 hat der EuGH festgestellt, dass der Begriff Teleshopping auch Call-In-Shows umfassen kann. Dies sei dann der Fall, wenn der Moderator ein direktes und tatsächliches Angebot für eine Dienstleistung an die Öffentlichkeit richte. Die Dienstleistung sei in der Teilnahme an einem Gewinnspiel zu sehen. Die Teilnahme werde durch die Wahl einer kostenpflichtigen Mehrwertnummer ermöglicht. Ein Teil des Entgeltes wird dabei an den Veranstalter abgeführt, der so von den Anrufen profitiert.
Dieses Konzept liegt auch den genannten Sendungen zugrunde: Die Moderatoren fordern zur Beteiligung an den Rätseln durch die Wahl der kostenpflichtigen Nummern auf. Die Shows sind somit als Teleshopping zu qualifizieren. Sie sind auch nicht in andere Sendungen eingebettet, sondern bilden unabhängige Programmbestandteile. Dabei steht die Aufforderung zum Anruf eindeutig im Vordergrund. Die Moderationen sind dabei bloßes Mittel zum Zweck der Erzielung von Einnahmen und stellen keine selbständige Unterhaltung dar.
II) Verbindlichkeit der EuGH-Entscheidung für die BLM
Die Vorschriften des RfStV über Werbung und Teleshopping wurden durch die europäischen Richtlinien 89/552/EG und 97/36/EG harmonisiert. Über die Auslegung von EU-Recht entscheidet allein der EuGH. Besonders relevant ist diese Kompetenz des EuGH bei der Definition von Begriffen in europäischen Rechtsakten. Nur so kann die einheitliche Anwendung und Geltung von europäischem Recht gewährleistet werden. Deswegen ist diese Rechtsprechung auch für nationale Gerichte und Behörden verbindlich, sofern es um die Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen geht, die ihren Ursprung in Rechtsakten der Gemeinschaft haben. Entsprechend ist auch die Bayerische Medienanstalt an das Urteil des EuGH zur Definition und Reichweite des Teleshopping-Begriffes gebunden.
III) Anteil am Gesamtprogramm
Bei den aufgezählten Sendern handelt es sich um bundesweit ausgestrahlte Sender. Deswegen sind bezüglich des Umfanges von Werbung und Teleshopping gemäß Art. 8 BayMG die Regelungen des RfStV anwendbar. Die Grenze der zulässigen Sendezeit für Werbung und Teleshopping wird dabei eindeutig überschritten. Ganz gleich, ob man § 45 Abs. 1, 2 RfStV (maximal 288 Minuten pro Tag bzw. 12 Minuten pro Stunde) oder § 45 a Abs. 2 RfStV (maximal 3 Stunden für Teleshopping-Fenster) zugrunde legt.
Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei den aufgezählten Call-In-Shows um Teleshopping. Als solches unterliegen sie der Kennzeichnungspflicht nach § 7 Abs. 3 RfStV. Die genannten Sendungen werden aber als Programm ausgegeben. Die geforderte Trennung durch optische Mittel vom übrigen Programm unterbleibt. Vielmehr werden die Sendungen als Quiz-Shows angekündigt. Da jedoch nicht die Unterhaltung sondern die Gewinnerzielung des Senders im Vordergrund steht, liegt eine Irreführung vor: Das Konzept der Sendung beruht nicht auf der Lösung der Rätsel oder Fragen. Vielmehr animieren die Moderatoren möglichst viele Zuschauer, sich durch einen Anruf ins Studio an diesen zu beteiligen. Dies wird daran deutlich, dass am Ende – wenn überhaupt – nur sehr wenig Zeit auf die Darstellung des Lösungsweges verwendet wird.
Wir halten daher die bisherige Programmgestaltung der genannten Rundfunkveranstalter für rechtswidrig. Wir fordern die BLM dazu auf, entsprechend ihrer Aufgabe nach Art. 11 Satz 2 Nr. 1 BayMG nachzukommen.
Wir haben diese Programmbeschwerde im Volltext unter der Adresse
http://telemedicus.info
im Internet veröffentlicht. Wir werden dort auch den weiteren Fortgang des Verfahrens dokumentieren.
Mit freundlichen Grüßen,
Christiane Müller, Simon Möller
Es handelt sich um die Wiedergabe einer Programmbeschwerde, die die Telemedicus-Autoren Christiane Müller und Simon Möller am 16. Januar an die Bayerische Landeszentrale für neue Medien verschickt haben. Sie wurde für die Veröffentlichung im Internet leicht gekürzt und im Layout angepasst.
Die Programmbeschwerde gibt nicht notwendigerweise die Ansichten der anderen Redaktionsmitglieder wieder.