Seit dem ersten April 2010 ist der 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Kraft. Die Neuregelung ist für die Fernsehbranche ein wichtiger Wendepunkt: Zum ersten Mal ist nun die bezahlte Platzierung von Produkten in deutschen Film- und Fernsehproduktionen unter gewissen Voraussetzungen erlaubt. Zudem beseitigt die Änderung die massive Rechtsunsicherheit, die zuvor alle Beteiligten betroffen hatte. Vor der Änderung fand Produktplatzierung in einer rechtlichen Grauzone statt. Regelmäßig entstand dadurch der Vorwurf der Schleichwerbung.
Der 13. RÄStV hat hauptsächlich die Umsetzung der Richtlinie über audiovisuelle Medien zum Inhalt. Mit einem genauen Regelwerk für Produktplatzierung und der einhergehenden Liberalisierung sollte nach Ansicht der EU vor allem der europäische Film- und Fernsehmarkt gestärkt werden (vgl. Erwägungsgrund 91 der AVMD-RL).
Was ist Produktplatzierung, Produktbereitstellung und was ist Schleichwerbung?
Jeder kennt Produktplatzierung, vor allem aus dem Kino. Wer kennt nicht die typischen Platzierungen von Produkten und Marken in „James Bond“ und “Sex and the City“ Filmen? In rechtlicher Hinsicht ist trotzdem eine genaue Definition notwendig. Der Rundfunkstaatsvertrag definiert Produktplatzierung gem. § 2 Abs. 2 Nr. 11 RStV als:
„die gekennzeichnete Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken, Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung mit dem Ziel der Absatzförderung. Die kostenlose Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen ist Produktplatzierung, sofern die betreffende Ware oder Dienstleistung von bedeutendem Wert ist“.
Von der klassischen Produktplatzierung abzugrenzen ist die eigenständige Sonderform der Produktbereitstellung bzw. Produktionshilfe. Hier stellen werbende Unternehmen den Film- und Fernsehproduktionen ihre Produkte unentgeltlich zur Verfügung. Diese Form der Produktionsunterstützung war auch schon vor der Neuregelung erlaubt, vor allem auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Neu ist allein die Einschränkung bzgl. des Wertes der Produktionshilfen.
Abzugrenzen ist die (zulässige) Produktplatzierung auch von der (unzulässigen) Schleichwerbung gem. § 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV:
„die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und mangels Kennzeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zweckes dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt“.
Der Unterschied zwischen Produktplatzierung und Schleichwerbung ist demnach, trotz marginaler sprachlicher Abweichungen, einzig die Geeignetheit, „die Allgemeinheit hinsichtlich des Zweckes der Darstellung in die Irre zu führen” – mit anderen Worten: die fehlende Kennzeichnung.
Die Kennzeichung bei einer Produktplatzierung soll verhindern, dass die Rezipienten in die Irre geführt werden. Die Annahme des Gesetzgebers: Die Zuschauer wüssten ja dann durch die Kennzeichnung, dass in dem Programm Werbung in Form von Produktplatzierung betrieben wird. Schon hier zeigt sich aber, dass Produktplatzierung an sich nichts anderes als der “Prototyp“ von Schleichwerbung ist. Oder anders ausgedrückt: Produktplatzierung ist Schleichwerbung. Sie wird durch die Kennzeichnung nur legalisiert.
Warum Produktplatzierung?
Der Grund für den steigenden Einsatz von Produktplatzierung ist im geänderten Verhalten der Fernsehzuschauer zu suchen. Jeglicher Art von Werbung begegnet der Adressat mit einem Verhalten, welches in der Psychologie Reaktanz genannt wird: Der Adressat versucht sich der Werbung zu entziehen. Werbespots im Fernsehen werden als störend empfunden, Werbeblöcke im Fernsehen werden „wegzappt“ oder der Zuschauer wendet sich kurz anderen Aktivitäten zu. Der klassischen TV-Werbung schaden zunehmend sogenannte „Personal Video Recorder“. Diese ermöglichen dem Zuschauer, das Programm zeitversetzt zu schauen und somit die Werbeblöcke durch Vorspulen der Aufnahme zu umgehen.
Genau hier setzt die Idee von Produktplatzierung (und Schleichwerbung) an. Denn Werbung, die im Programm platziert ist, kann sich der Rezipient nicht entziehen. Der Zuschauer fühlt sich vor Werbung sicher, er rechnet nicht mit einer Werbebotschaft. Entsprechend zeigt der Zuschauer auch kein reaktantes Verhalten. Die Aufnahmebereitschaft ist um ein Vielfaches höher. Diesen Vorteil, der mittlerweile durch eine Studie belegt ist, machen sich werbende Unternehmen zu Nutze. Zudem bewirkt die Produktplatzierung, dass sich das Image der Sendung und/oder der Protagonisten auf die jeweiligen Produkte transferiert.
Ein weiterer Vorteil: Produktplatzierung schafft eine größere Werbekapazität. Denn Produktplatzierung steht neben der stark reglementierten konventionellen Werbung im Rundfunk. In Bezug auf Zeitpunkt und Umfang der Werbung st die Produktplatzierung hier nicht anzurechnen, § 16 Abs. 1 S.2, S.4 RStV. Fernsehserien werden zudem oft noch nach der Erstausstrahlung zweitverwertet, z.B. durch wiederholte Ausstrahlungen im Fernsehen oder als DVD-Ausgabe. Werbung in den Werbeblöcken ginge hier verloren, bzw. müsste neu gebucht werden – für eine Produktplatzierung muss aber nur einmal bezahlt werden.
Zulässigkeitsvoraussetzungen von Produktplatzierung
Unter welchen Voraussetzungen Produktplatzierung im Rundfunk zulässig ist, ergibt sich aus den §§ 7, 15, 44 RStV. Als Konkretisierung und Ausgestaltung der Vorschriften dienen die gemeinsamen Werberichtlinien der Landesmedienanstalten für den privaten Rundfunk, sowie die Werberichtlinien der ARD und des ZDF in Ausführung des § 16 f S.1 und 4 RStV für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Ministerpräsidenten haben zudem in einer Protokollerklärung zum 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag gefordert, dass die Verbände der werbetreibenden Wirtschaft und die Produzenten zu Produktplatzierungen einen verbindlichen Verhaltenskodex vereinbaren. Dieser Prozess ist allerdings bis jetzt noch nicht abgeschlossen.
Produktplatzierung wird im RStV über ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt reguliert, § 7 Abs. 7 S.1 RStV. Die allgemeinen Voraussetzungen für Produktplatzierung die vom Rundfunkveranstalter beachtet werden müssen sind:
1.) Die redaktionelle Verantwortung muss unbeeinträchtigt bleiben. Dies gilt sowohl für den Inhalt als auch für die Auswahl des Sendeplatzes. Wann die redaktionelle Verantwortung beeinträchtigt ist, ist in Ziffer 9.3.1 der ARD/ZDF Werberichtlinen bzw. Ziffer 4 Nr. 6 der gemeinsamen Werberichtlinien der Landesmedienanstalten genannt.
2.) Die Produktplatzierung darf nicht unmittelbar zu Kauf, Miete oder Pacht von Waren oder Dienstleistungen auffordern, insbesondere nicht durch spezielle verkaufsfördernde Hinweise auf diese Waren oder Dienstleistungen. Dies gilt auch für Produktionshilfen.
3.) Das Produkt darf nicht zu stark herausgestellt werden; dies gilt auch für Produktionshilfen.
4.) Auf die Produktplatzierung/Produktionshilfe muss nach jeder Werbeunterbrechung, sowie zum Beginn und Ende einer Sendung, eindeutig hingewiesen werden: Einblendung eines „P“ für mindestens drei Sekunden und der Text „unterstützt durch/enthält Produktplatzierung“, im Fall der unentgeltlichen Produktionshilfe: „unterstützt durch Produktionshilfe“; dies gilt nicht für Produktionshilfen von unbedeutendem Wert.
5.) Die Kennzeichnungspflicht entfällt für Sendungen, die nicht vom Veranstalter selbst oder von einem mit dem Veranstalter verbundenen Unternehmen produziert oder in Auftrag gegeben worden ist, wenn nicht mit zumutbaren Aufwand ermittelbar ist, ob Produktplatzierung enthalten ist. Hierauf ist aber hinzuweisen.
6.) Produktplatzierung ist nur in Kinofilmen, Filmen und Serien, Sportsendungen und „Sendungen der leichten Unterhaltung” zulässig. Keine Sendungen der leichten Unterhaltung sind insbesondere Sendungen, die neben unterhaltenden Elementen im Wesentlichen informierenden Charakter haben (Verbrauchersendungen und Ratgebersendungen mit Unterhaltungselementen).
7.) In bestimmten Programmteilen wie Nachrichten, Sendungen zum politischen Zeitgeschehen, Übertragungen von Gottesdiensten und Kindersendungen sind weder Produktplatzierungen noch Produktionshilfen von bedeutendem Wert zulässig. Produktionshilfen von nicht bedeutendem Wert (siehe unten bei 9.) sind in allen Sendungen zulässig, auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (vgl. Ziffer 9.2.3 der ARD/ZDF Werberichtlinien). Das Verbot der Produktplatzierung greift für Kindersendungen auch dann, wenn diese „Sendungen der leichten Unterhaltung” sind.
8.) Nach den allgemeinen Werbeinhaltsbeschränkungen darf Produktplatzierung nicht zu Gunsten von Zigaretten- und Tabakerzeugnissen und zu Gunsten bestimmter Arzneimittel oder medizinischer Behandlungen erfolgen. Weitere inhaltliche Beschränkungen ergeben sich aus § 6 JMStV.
9.) Eine unentgeltliche Produktplatzierung, also Produktionshilfe, ist nur dann als Produktplatzierung zu behandeln, wenn sie bedeutenden Wert hat. Von bedeutendem Wert und somit einer Produktplatzierung ist auszugehen, wenn die Produktionshilfen mehr als 1 % der Produktionskosten oder 1000,- Euro ausmacht (Ziffer 1 Abs. 2 der gemeinsamen Werberichtlinien der Landesmedienanstalten bzw. jeweils Ziffer 9.1 der ARD- und ZDF-Werberichtlinie). Nicht erfasst sind Gegenstände und Immobilien, die im Handel nicht frei erhältlich sind. Erfolgen mehrere Leistungen durch den gleichen Partner, werden die Leistungen wertmäßig addiert.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk profitiert kaum von der Liberalisierung. Er darf in eigenen Produktionen auch weiterhin keine Produktplatzierungen vornehmen, § 15 S.1 Nr.1 RStV. Es verbleibt nur die Möglichkeit von Produktbereitstellungen/-hilfen. Dies ist hinsichtlich der Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Sender in der dualen Rundfunkordnung nur konsequent. Denn für diese steht nicht der Wettbewerb mit privaten Sendern im Vordergrund.
Damit wird die Abgrenzung zwischen Auftragsproduktionen und Lizenzverträgen jedoch plötzlich wichtig. Auftragsproduktionen werden per Werkvertrag geregelt – sie sind für die Rundfunkanstalten eigene Produktionen, in denen Produktplatzierung nicht vorkommen darf. Wird der betreffende Inhalt nur lizenziert, ist das zugrunde liegende Geschäft ein Kauf- oder Pachtvertrag – Produktplatzierung ist zulässig. Das Problem: Es existieren durchaus Mischformen. Beispielsweise gibt es Lizenzverträge, in denen künstlerische und organisatorische Zustimmungsrechte eingeräumt werden. Auch existieren Auftragsproduktionen, die aus steuerrechtlichen Gründen als Lizenzverträge ausgestaltet sind. Auch Ko-Produktionen sind nicht leicht einzuordnen.
Anbieten würde sich daher, die Entscheidung danach auszurichten, wie stark die Sender an der Finanzierung oder an der Mitbestimmung über die Inhalte der Produktion beteiligt sind. Dies sieht auch die ARD- und ZDF-Werberichtlinie für Koproduktionen gem. Ziffer 9.2.1. vor. Danach liegt eine Fremdproduktion vor, wenn nur ein „untergeordneter Teil” der Finanzierung durch den Veranstalter erfolgt. Zudem müssen die Sender bei Fremdproduktionen auf eventuelle Produktplatzierungen hinweisen. Die Rundfunkveranstalter trifft also zusätzlich eine Aufklärungspflicht.
Zum Geltungsbereich und Sanktionen
Alleiniger Adressat der Regelungen ist der jeweilige Rundfunkveranstalter. Ein Verstoß gegen die Regelungen stellt eine Ordnungswidrigkeit gem. §§ 49 Abs. 1 Nr. 7 bis 9 RStV dar. Gem. § 49 Abs. 2 RStV kann die Aufsicht ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro verhängen. Die Vorschriften zur Produktplatzierung gelten gem. § 63 RStV nicht für Produktionen, die vor dem 19. Dezember 2009 produziert worden sind.
Fazit
Wenn Produkte in Film und Fernsehen platziert sind, ist oft vorschnell von unzulässiger Schleichwerbung die Rede. Dabei ist es durchaus möglich, dass die Produktplatzierung zulässig war, oder dass es sich bloß um eine Produktionshilfe handelte, die gar nicht als Produktplatzierung zählt. Unter Umständen kann die Darstellung auch gar nicht aus kommerziellem Interesse erfolgen, sondern aus überwiegend programmlich-dramaturgischen Gründen. Somit muss letztlich jeder Fall einer (vermeintlichen) Produktplatzierung am Einzelfall geprüft werden.
Die Schaffung von genauen „Spielregeln” für Produktplatzierung war überfällig und schafft Rechtssicherheit. Dabei bleiben trotzdem weiterhin Fragen offen, was auch an der durchaus undurchsichtigen Regelungssystematik liegt.
Fraglich ist auch, zu welchem Preis die Liberalisierung im privaten Rundfunk durchgesetzt worden ist. Denn trotz der komplexen Regelungsstruktur ist zu erkennen, dass Produktplatzierung tatsächlich der kleine Bruder der Schleichwerbung ist. Die Konzeption offenbart die Schwierigkeiten, den Werbemarkt einerseits für Produktplatzierung zu öffnen, gleichzeitig aber an dem Verbot der Schleichwerbung (angeblich) strikt festzuhalten. Auch kann kritisiert werden, dass sich das Rundfunkwerberecht von dem Grundsatz, Programm und Werbung strikt zu trennen, verabschiedet. Der Trennungsgrundsatz gewährleistet eine Transparenz, die durch pauschale Hinweise im Programm nicht erreicht werden kann.
Ungewiss bleibt auch, ob die Kennzeichnung bzw. der Hinweis auf Produktplatzierung effektiv genug ausgestaltet ist. Denn wenn die Zuschauer gar nicht bemerken, dass Produkte im Programm platziert sind, werden sie getäuscht. Es bleibt abzuwarten, welche Schwächen die Neuregelung in der Praxis noch offenbart.
Die gemeinsamen Werberichtlinien der Landesmedienanstalten.
News- und Austauschplattform zum Thema Produktplatzierung.
Kritische Bestandsaufnahme von Produktplatzierungen im deutschen Fernsehen im FAZ-Fernsehblog.