Das Presse-Leistungsschutzrecht wirft seine Schatten voraus: Nachdem der Bundestag das Gesetz beschlossen hat, muss es nun den Bundesrat passieren, der allerdings nur wenig Handhabe hat, das Gesetz noch aufzuhalten.
Nun haben sich erste potenziell Betroffene zu Wort gemeldet und Reaktionen angekündigt. Während der Heise Verlag, Golem und t3n bereits öffentlich erklärt haben, Snippets ausdrücklich erlauben zu wollen, erwägt der Aggregator Rivva, auf Snippets vollständig zu verzichten. Der Newsdienst filtr.de hat hingegen Verlagsangebote großflächig aus seinem Index entfernt. Viele andere Webseiten und Dienste im Netz dürften vor ähnlichen Entscheidungen stehen.
Dabei ist alles andere als klar, ob Snippets überhaupt vom Leistungsschutzrecht erfasst sind. Doch die Verunsicherung ist deutlich zu spüren – auch bei denjenigen, die das Gesetz eigentlich schützen soll.
Wie also umgehen mit der Situation? Wie erklärt man Suchmaschinen rechtsverbindlich, dass man von seinem Leistungsschutzrecht keinen Gebrauch machen möchte? Und wie erkennt man Webseiten, die auf ihr Leistungsschutzrecht verzichten wollen? Eine Lösung könnten Meta-Tags sein.
Das zentrale Problem, vor dem viele Webseiten stehen, die als „Hersteller eines Presseerzeugnisses” gelten: Wie erklärt man Suchmaschinen und Aggregatoren, dass man Snippets weiterhin auch ohne Vergütung zur Verfügung stellen möchte? Dass Google, Microsoft und die tausenden anderer Dienste, die vom Leistungsschutzrecht betroffen sind, eine Erlaubnis in Form eines Blog-Post oder Newsartikels lesen und sich darauf verlassen, ist unwahrscheinlich.
Benötigt wird also ein Standard, mit dem man diesen Diensten auf technischem Wege mitteilen kann, dass man Snippets ausdrücklich erwünscht. Das Mittel der Wahl lautet dafür: Meta-Tags. Schon seit frühesten Internettagen dienen diese HTML-Tags dazu, Browsern, Suchmaschinen und anderen Clients mitzuteilen, was sich auf einer Webseite befindet und wie der Inhalt genutzt werden soll.
Auch in der Diskussion um das Leistungsschutzrecht waren Meta-Tags schon Thema. Mit dem sog. nosnippet
-Tag ist es zum Beispiel schon heute möglich, Suchmaschinen das Erstellen von Snippets zu untersagen.
Der nosnippet
-Meta-Tag
Doch reicht der nosnippet
-Tag auch aus rechtlicher Sicht aus? Kann man sich darauf verlassen, dass eine Webseite Snippets erlaubt, wenn sie keinen solchen Tag verwendet? Die Frage ist schwer zu beantworten.
Auf der einen Seite soll das Presse-Leistungsschutzrecht Verlagen erklärtermaßen mehr Kontrolle über ihre Inhalte im Netz bieten. Eine Opt-Out-Lösung mit Hilfe eines nosnippet
-Tags würde diesem Vorhaben nicht gerecht werden. Auf der anderen Seite hat der Rechtsausschuss die Diskussion um Snippets mächtig angeheizt. Denn in seiner Beschlussempfehlung verwies er ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BGH zu Thumbnails in der Google-Suche.
Dieser auf den ersten Blick so harmlos wirkende Verweis dürfte uns noch länger beschäftigen, sollte das Gesetz in Kraft treten. Denn durch ihn wird nicht nur die Frage aufgeworfen, ob Snippets überhaupt vom Leistungsschutzrecht erfasst werden sollen. Auch eine Opt-Out-Lösung mit Hilfe des nosnippet
-Tags erhält dadurch gute Argumente.
Denn in den Verfahren um Thumbnails in der Google-Bildersuche kam der BGH zu dem Ergebnis:
„Ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, muss mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen […].
Danach hat sich die Klägerin mit dem Einstellen der Abbildungen ihrer Werke in das Internet, ohne diese gegen das Auffinden durch Suchmaschinen zu sichern, mit der Wiedergabe ihrer Werke in Vorschaubildern der Suchmaschine der Beklagten einverstanden erklärt.”
Nach Ansicht des Rechtsausschusses soll dieser „Rechtsgedanke” auch für das Presse-Leistungsschutzrecht gelten. Daraus könnte man den Schluss ziehen: Wer seine Texte nicht mit technischen Mitteln vor der Nutzung durch Suchmaschinen schützt, erklärt sich damit einverstanden. Was bedeuten würde, dass man den nosnippet
-Tag einsetzen muss, wenn man die Nutzung von Snippets untersagen will.
Der Verweis des Rechtsausschusses kann also nur so verstanden werden: Entweder sollen übliche Nutzungshandlungen (also Snippets) erst gar nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst sein, oder es soll der Grundsatz gelten, dass man durch das freie Veröffentlichen von Inhalten in eine übliche Nutzung einwilligt. Würde keine dieser Varianten gelten, würde der Verweis des Rechtsausschusses auf die BGH-Rechtsprechung keinen Sinn ergeben.
Und doch steckt das Presse-Leistungsschutzrecht voller Widersprüche. Nach der kurzfristigen Änderung des Gesetzes ist kaum mehr nachzuvollziehen, was genau von dem Leistungsschutzrecht geschützt werden soll. Die sicherste Lösung für alle Beteiligten wäre deshalb eine klare Opt-In-Lösung.
Ein snippet
-Tag müsste also her – als Gegenstück zum nosnippet
-Tag. Wer vom Presse-Leistungsschutzrecht ungewollt geschützt wird, muss in der Lage sein, technisch und rechtlich eindeutig zu erklären, dass er auf diesen Schutz verzichtet. Ein eigener Meta-Tag wäre dafür die ideale Lösung. Anstatt mit Blog-Posts könnten Betreiber von Webseiten damit technisch ihre Einwilligung in die Erstellung von Snippets erklären.
Voraussetzung dafür wäre, dass sich zumindest die großen Anbieter von Suchmaschinen und wichtigen Aggregatoren auf einen gemeinsamen Standard einigen.
Wie man es dreht und wendet: Das Presse-Leistungsschutzrecht steckt voller Probleme, Widersprüche und Unklarheiten. Vor allem die Anmerkungen des Rechtsausschusses haben viele Fragen aufgeworfen. Doch mit etwas Pragmatismus können sich einige dieser Probleme zumindest entschärfen lassen.
Noch ist das Leistungsschutzrecht nicht in Kraft. Und selbst wenn es den Bundesrat passiert und vom Bundespräsidenten ausgefertigt wird, bleibt eine Umsetzungsfrist von drei Monaten. Vielleicht reicht die Zeit, um mit technischen Mitteln zumindest den Schaden auf technischer und wirtschaftlicher Ebene abzufedern. Der politische Schaden ist hingegen längst angerichtet.
Leistungsschutzrecht: Freie Fahrt für Google!
Snippets doch vom Presse-Leistungsschutzrecht erfasst?
Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses.