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Preisbindung für E-Books: Schlafende Hunde wecken?

Auch E-Books unterliegen der Buchpreisbindung – das behauptet zumindest der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in einer aktuellen Stellungnahme. Die Buchpreisbindung ist in Deutschland im Buchpreisbindungsgesetz festgeschrieben. Danach müssen die Verlage für jedes Buch einen Preis festsetzen, die Buchhändler sind verpflichtet, diesen einzuhalten. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 BuchPrG sind…

Bücher im Sinne dieses Gesetzes […] auch Produkte, die Bücher, Musiknoten oder kartographische Produkte reproduzieren oder substituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind […].


Eindeutiger Gesetzeswortlaut?

Nach Ansicht des Börsenvereins macht das Gesetz damit „hinreichend klare Vorgaben“ auch für elektronische Bücher: Sofern sie einem gedruckten Buch im Wesentlichen entsprechen, gelte auch für sie die Preisbindung. Eine solche Vergleichbarkeit bestehe z.B. nicht beim Handel mit einzelnen Buchkapiteln; auch die Zugriffsberechtigung auf Online-Datenbanken sei von der Regelung ausgenommen. Doch selbst bei ganz normalen E-Books war der Frankfurter Verein schon einmal andere Ansicht.

Noch im Oktober 2005 empfahl seine Rechtsabteilung, E-Books wie Hörbücher zu behandeln; diese sind nach Auffassung des Börsenvereins nicht mit gedruckten Büchern zu vergleichen, sondern besitzen ihnen gegenüber eine eigenständige Qualität und sind somit von der Preisbindung auszunehmen. In einer ersten Reaktion auf die Stellungnahme unterstützt Hans Kreutzfeldt von Kreutzfeldt Electronic Publishing diese Einordnung und betont die Unterschiede von elektronischen gegenüber normalen Büchern:

„Da E-Books Funktionalitäten bieten, die (gedruckte) Bücher nicht haben können, da sie keine körperlichen Produkte sind und genauso wie Software-Produkte aus Verlagshäusern nicht „verlags- oder buchhandelstypisch“ sind und die E-Book-Distributionsstrukturen sich deutlich von denen von Büchern unterscheiden […], sind nach meiner Überzeugung E-Books keine Bücher im Sinne des BuchPrG. Selbst Hörbücher, die den Inhalt eines gedruckten Werkes in der Regel 1:1 (nur akustisch) wiedergeben, unterliegen nicht der Preisbindung.“

Quelle: Pixelquelle.deBefürworter dieser Argumentation führen vor allem an, dass E-Books via Internet und damit grenzüberschreitend vertrieben werden. Weil das BuchPrG jedoch nur für in Deutschland verlegte Produkte gilt, könne die Preisbindung hier leicht umgangen werden. Sie sei damit weder sinnvoll noch überhaupt durchsetzbar und komme nur für körperliche Gegenstände in Frage. Doch die Branche ist sich bei dieser Diskussion so ganz und gar nicht einig: Viele Verlage befürworten eine Preisbindung auch für elektronische Bücher; so z.B. Barbara Dietz, Justiziarin bei Lübbe:

„Ich denke, dass, wenn es zu einer solchen Preisbindung kommen sollte, dies für die Verlage positiv ist. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sonst die Preisgestaltung allein bei den Vertriebspartnern liegt und damit ein weiterer massiver Preisverfall vorprogrammiert ist. Das Problem besteht ja z.T. bereits bei den Hörbüchern, wobei dort der Preisverfall nicht auf das Internet beschränkt ist, weil es dort eben keine Preisbindung gibt.“

Ist auch das E-Book ein „Kulturgut“?

Die einen sehen eine Buchpreisbindung also als Hindernis für neue Geschäftsmodelle, die mit E-Books möglich sind – andere sehen in ihr hingegen sogar einen Schutz des neuen Mediums, weil es dann keinem allzu großen Preiskampf ausgesetzt wäre. Häufig führen die Vertreter dieser Ansicht auch den Zweck des BuchPrG an. Dort heißt es in § 1:

„Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturgutes Buch. Die Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer sichert den Erhalt eines breiten Buchangebots. Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert.“

Dieser Paragraph ist dann auch heranzuziehen, wenn es um die Frage geht, ob E-Books Bücher im Sinne dieses Gesetzes sind. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sieht seine Ansicht vom Schutzzweck in § 1 BuchPrG unterstützt, denn:

„Ohne Preisbindung könnten im Markt für E-Bücher oligopolistische oder gar monopolistische Strukturen entstehen, die sich auf die Vielfältigkeit und Verfügbarkeit des Angebots gedruckte Bücher auswirken würden.“

Die Gegenauffassung lehnt genau dieses Argument mit der Feststellung ab, dass E-Books eben nicht primär über den stationären Handel, sondern per Download durch wenige große Anbieter vertrieben werden. Eine Preisbindung von elektronischen Büchern stehe deshalb in keinerlei Zusammenhang mit einem Schutz des Kulturgutes Buch durch viele Verkaufsstellen.

Buchpreisbindung bald Vergangenheit?

In dieser Diskussion macht Hans Kreutzfeldt darauf aufmerksam, dass es bald um noch mehr gehen könnte:

„Vorsicht Porzellan! Ich möchte kein Menetekel an die Wand schreiben, aber ist es denn so abwegig sich vorzustellen, dass man mit einer erneuten Diskussion auf europäischer Ebene leicht schlafende Hunde wecken würde, und damit das Thema Preisbindung auch für gedruckte Bücher ungewollt wieder berührt werden könnte?“

Quelle: Pixelquelle.deDie „schlafenden Hunde“ sind in diesem Fall vor allem die EU-Kommissare. Diese sehen Buchpreisbindungssysteme unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten äußerst kritisch. Sofern sie auch grenzüberschreitend gelten, seien sie mit der Warenverkehrsfreiheit nicht vereinbar. Deswegen wurden entsprechende Vereinbarungen z.B. mit Österreich in Deutschland abgeschafft; außerdem hat man mit dem BuchPrG vom 1. Oktober 2002 eine gesetzliche Grundlage für die nationale Buchpreisbindung geschaffen. Zuvor basierte diese auf vertraglichen Absprachen zwischen Verlagen und Händlern.

Der Gesetzgeber sah das neue Gesetz durchaus im Einklang mit dem europäischen Recht: In der amtlichen Begründung (pdf) heißt es, der EuGH habe in mehreren Entscheidungen („Leclerc“ bzw. „Echirolles“) eine solche Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des freien Marktes bejaht. Ähnliche Systeme existieren z.B. auch in Frankreich oder Österreich; in der Schweiz wurde die Preisbindung im Mai 2007 aus wettbewerbsrechtlichen Gründen abgeschafft. Denn Gegner des Systems sehen in ihm vor allem eine Einschränkung des Wettbewerbs. Es sorge künstlich für erhöhte Buchpreise; außerdem würden auch andere Kulturgüter wie etwa Musik oder Filme dem freien Wettbewerb überlassen. Deshalb hofft Mathias Schindler von Wikimedia, …

„[…] dass Börsenverein und Verlage darauf drängen werden, E-Books buchpreiszubinden, damit es möglichst bald eine Steilvorlage für die komplette Abschaffung dieses Konstruktes geben wird.“

Der Preisbindungstreuhänder Christian Russ lässt es hingegen darauf ankommen, dass das Preisbindungssystem wieder Thema einer Grundsatz-Debatte wird; er schließt ein gerichtliches Vorgehen in Zweifelsfälllen sowie Abmahnungen nicht aus:

„[…W]ir sind mit der Rechtsabteilung des Börsenvereins so verblieben, dass wir der Branche jetzt eine gewisse Übergangsfrist einräumen. Wir denken, dass sich die Preisbindung für E-Books in der Branche bis Ende des Jahres herumgesprochen hat. Ab Januar werden wir dann Preisbindungsverstöße auch auf diesem Gebiet verfolgen.“

Zur Stellungnahme des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (pdf).
Erste Reaktionen aus der Branche bei Buchreport.de.

, Telemedicus v. 02.10.2008, https://tlmd.in/a/988

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