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Plagiatsjägerin Weber-Wulff: Software ist höchstens Hilfsmittel

Ein native speaker wird stutzig, wenn er die eigene Sprache in einem fremden Text nicht versteht. Debora Weber-Wulff ist Amerikanerin und ihr passierte genau das in einer Hausarbeit: Sie las, merkte auf, recherchierte – und fand ihr erstes Plagiat!

Heute entlarvt die Professorin der HTW Berlin Plagiate mit anderen Wissenschaftlern und Aktivisten auf VroniPlag. Sie hat am Freitag an der Universität Konstanz einen Gastvortrag über Software zur Plagiatserkennung gehalten. Ihr Fazit: Eine verlässliche Softwarelösung gibt es nicht.

Debora Weber-Wulff
Foto: Andrea Jaschinski, gemeinfrei

Was ist ein Plagiat überhaupt?

Bevor Debora Weber-Wulff die Jagd nach Plagiaten aufnehmen konnte, musste sie das Plagiat natürlich erst einmal definieren. Klar, über copy & paste muss man nicht streiten: Wer eins zu eins kopiert, hier und da ein Synonym einsetzt und ein Komma verschiebt, der vervielfältigt schlichtweg. Ob der Verfasser nun seitenweise aus der selben oder Textbausteine aus verschiedenen Arbeiten zusammenwürfelt (shake & paste) – Kopie ist Kopie.

Die Definition des wissenschaftlichen Plagiats geht gewiss weiter: Wer den Anschein des eigenen Schaffens weckt und tatsächlich fremde Gedankengänge darstellt, der plagiiert. „Wie viele Wörter muss ich ändern, damit es kein Plagiat mehr ist?” – Die Antwort hierauf erübrigt sich mit der Definition des Wissenschaftsplagiats: Plagiat ist nicht nur Kopie!

Plagiatssoftware: ernüchternde Ergebnisse

Es ist die weite Definition des Plagiats, die einer Erkennungssoftware viel abverlangt – von der reinen Kopie einmal abgesehen. Denn darüber hinaus müsste eine taugliche Software Paraphrasierungen erkennen, Gedankengänge aufgreifen und im Ernstfall woanders wiederentdecken können – eine Meisterleistung künstlicher Intelligenz.

Weber-Wulff hat zahlreiche Angebote getestet. Verlass ist nicht darauf, und häufig spuckt eine einfache Google-Suche mehr aus als die Software. Die kann Google (und damit auch Google Books) nicht systematisch bemühen, weil Google Geld will für automatisierte und massenhafte Abfragen. Da sei es deutlich ergiebiger, als Stichprobe drei ungewöhnliche Substantive im Satz in eine Suchmaschine zu werfen.

Als Weber-Wulff die Dissertation von Karl-Theodor zu Guttenberg durch die Software schickte, meldeten die Programme teilweise fünf Prozent der Seiten als plagiatsbetroffen – tatsächlich sind es 94. Vieles fällt also unter den Tisch. Oft habe die Software außerdem Probleme mit deutschen Anführungszeichen, die nicht erkannt werden. Dann meldet die Software ein Plagiat, obwohl der Autor korrekt zitiert hat. Damit können schon vermeintlich triviale Fragen von Typografie und ASCII die Arbeit des Plagiatsjägers erschweren.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Rechte an den Ergebnissen räumt der Nutzer häufig dem Softwarehersteller ein – womit eine Veröffentlichung unter Creative Commons nicht mehr möglich ist. Ob das rechtens ist, steht auf einem anderen Blatt – jedenfalls gibt es einer ohnehin mäßigen Software noch einen schlechten Beigeschmack: Die Ergebnisse sollen ja gerade frei sein.

Damit bleibt: Erscheint ein Text verdächtig, kann eine Erkennungssoftware „teilweise nützlich” sein; das war es aber schon. Ein Wundermittel ist sie also nicht. Vielmehr ist das Geld an dieser Stelle häufig „rausgeschmissen”, wie Weber-Wulff findet.

„If you copy from one author, it’s plagiarism. If you copy from two, it’s research.”
Wilson Mizner

Plagiatserkennung: Eine Mischung aus „Gehirnschmalz und IT”

Wie erkennt man nun das Plagiat? Weil die Software für Weber-Wulff „nur ein Werkzeug und keine Maschine” ist, empfiehlt sie: Wer eine Arbeit bewertet, muss sie lesen! So profan ist ihr wichtigster Rat, und sie wiederholt ihn mehrmals. Das lässt jeden aufmerken, der ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass mit sorgfältigem Lesen die Begutachtung erst anfängt. Weber-Wulff kann sich allerdings nicht vorstellen, wie ein Professor mit zehn Doktoranden sämtliche Arbeiten nach vollen Kräften begutachten kann.

Wenn die Informatikprofessorin von Plagiaten spricht und haarsträubende Beispiele an die Wand wirft, drängt sich der Eindruck auf, dass sie Recht hat: Werden die Arbeiten stets richtig gelesen? Verdacht schöpft sich häufig durch auffällig heterogene Formulierungen und Gedankengänge. Und die kann Software nicht erkennen, denn Computer sind (noch) nicht auf dieses Feingefühl trainiert.

Weber-Wulff jagt Plagiate im Namen der Wissenschaft

Wer die Wissenschaft hinters Licht führt, muss damit rechnen, tief zu fallen. VroniPlag und Co decken Betrüger auf – nicht um der Publicity Willen, sondern im Namen der redlichen Wissenschaft, beteuert Weber-Wulff: „Es geht nicht um Personen. Es geht um Texte!” Weber-Wulff meint es ernst – man kauft ihr ab, dass ihr das Thema am Herzen liegt.

Gleichzeitig plädiert sie für Vertrauen zu jungen Wissenschaftlern; die Unschuldsvermutung gelte schließlich auch hier. Und sie betont: Lehrende müssen mit gutem Beispiel vorangehen, die Lust an der Wissenschaft, die Lust am eigenen Text und am eigenen Gedanken wecken.

Fleiß und Integrität sind Maxime, denen jeder Wissenschaftler verpflichtet ist. Erst recht, wer einen akademischen Titel will. Wer ihn vergibt, muss dabei wachsam sein – und zwar in persona; Debora Weber-Wulff lehrt uns schließlich, dass Software dem Menschen die Arbeit nicht abnehmen kann.

Zum Plagiats-Portal der HTW Berlin.
Interview mit Debora Weber-Wulff auf tagesschau.de.

  • Fabian Rack

    Fabian Rack ist Teil des Telemedicus-Kernteams und Rechtsanwalt bei iRights.Law.

, Telemedicus v. 21.10.2012, https://tlmd.in/a/2452

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