Schleswig-Holstein plant den Ausbruch aus dem Glücksspielmonopol, um die Staatskasse aufzufüllen. Doch die illegale Konkurrenz im Netz ist groß. Deshalb will die schwarz-gelbe Koalition mit Internetsperren dagegen vorgehen.
„Eine entsprechende Regelung ist vorgesehen“, räumte Wolfgang Kubicki am Mittwoch auf einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Kiel auf Nachfrage ein. Die Landtagskoalitionen hätten sich auf einen Gesetzentwurf geeinigt, der Sperranordnungen gegenüber Internetanbietern ermöglicht, sagte der Fraktionsvorsitzende der FDP im Kieler Landeshaus – nach dänischem Vorbild.
Schleswig-Holstein will den Glücksspielstaatsvertrag 2011 auslaufen lassen – und so das Staatsmonopol etwa für Internet-Sportwetten auflösen. „Antiquiert und technisch überholt“ sei die derzeitige Regelung, sagte Kubicki, der Staatsvertrag fördere den „rechtsgrauen Raum“ und einen unkontrollierbaren „Schwarzmarkt“ für Glücksspiele. 7,8 Milliarden Euro haben die Deutschen einer vielzitierten Studie zu Folge im Jahr 2009 in Wetten eingesetzt – doch nur 6 Prozent flössen derzeit in die Kassen staatlicher Angebote. Diese leiden unter den Einschränkungen des Glücksspielstaatsvertrages – unter anderem einem Verbot von Online-Wetten und starke Werbebeschränkungen zur Vermeidung von Suchtgefahren. Kubicki will die Einnahmen des heutigen Modells mit der Liberalisierung „verdreifachen“ – Schleswig-Holstein ächzt unter einem Schuldenberg von 25 Milliarden Euro.
Vorbild ist der nördliche Nachbar: Um den freien Markt gegen die illegale und unregulierte Konkurrenz zu schützen, setzt Dänemark künftig auf Sperrverfügungen (Access-Blocking). Internetanbieter können dann verpflichtet werden, den Zugang zu illegalen Spielseiten zu „sperren“ – ein technisch wie rechtlich hoch umstrittenes Verfahren. Nach Angaben des dänischen Anwalts Hendrik Norsk Hoffmann handelt es sich um eine auch im Königreich bislang nicht gegen Glücksspielangebote angewandte Maßnahme (Dänemark sperrt allerdings bereits heute Kinderpornografie durch Access-Blocking).
„Es ist nur eine Krücke“, versichert Kubicki. Langfristiges Ziel sei eine EU-weite Regelung. Die Anwendung von Zugangssperren gegen illegales Glücksspiel ist auch in anderen Bundesländern ins Spiel gebracht worden, ein konkretes Gesetzesvorhaben war bislang aber nicht in Sicht.
In der juristischen Literatur wird allerdings bisweilen vertreten, dass der Glücksspielstaatsvertrag selbst bereits in § 9 Abs. I Nr. 5 eine entsprechende Rechtsgrundlage enthielte. Dort heißt es, die Glückspielaufsicht könne
„Diensteanbietern im Sinne von § 3 Teledienstegesetz, soweit sie nach diesem Gesetz verantwortlich sind, die Mitwirkung am Zugang zu unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen.”
Die schwarz-gelbe Koalition aus Schleswig-Holstein wird ihren Gesetzentwurf am 9. Juni in Berlin offiziell vorstellen.
Mehr dazu auf Netzjurist.info.
Gesetzestext des Glücksspielstaatsvertrags.
Update
(28. Mai 2010, 13:55 Uhr)
Das war zu erwarten: Die Nachricht, dass die Koalition in Schleswig-Holstein Sperrverfügungen gegen Internetanbieter einführen möchte, ist inzwischen bis zu Spiegel Online vorgedrungen. Dort äußert sich nun erstmals Kubicki selbst – und rudert zurück.
Am Freitag trat Kubicki dem Gerücht entgegen, er mache sich für das sogenannte Access Blocking stark: Internetsperren seien keine sinnvolle Lösung, teilte er mit. „Eine entsprechende Regelung ist im Gesetzentwurf zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages daher nicht vorgesehen“, so Kubicki weiter.
Dieses „Gerücht“ ist aber entgegen der Formulierung des SpOn-Kollegen keines. Es fällt denn auch auf, dass mich von Seiten der FDP keinerlei Anschuldigung erreichte und das Zitat als solches auch nicht verneint wurde. Und selbst die Gefahr eines Missverständnisses hat nach jenem Mittwoch Abend nicht mehr bestanden: Nach dem ich Kubickis öffentliche Antwort („entsprechende Regelung“) verwundert aufgenommen hatte, kam es später zu einem weiteren kurzen Gespräch über bisherige Formen des Access-Blockings: Nämlich das Zugangserschwergungsgesetz (sei ja doch etwas anderes als Einzelverfügungen und ja, der Aufsatz aus der NJW stamme von seiner Frau), Jugendmedienstaatsvertrag (dort sei eine entsprechende Rechtsgrundlage erfolgreich verhindert worden). Herr Arp saß übrigens mit auf dem Podium. Kurzum: Eine Rechtsgrundlage für Sperrverfügungen stand in dem Entwurf.
Offenbar nimmt die FDP nun allerdings von ihrem Vorhaben Abstand – und das wäre nach allen bisherigen Erfahrungen mit Access-Blocking eine gute Nachricht. Dass die liberale Partei das aber nicht ausdrücklich so sagt, sollte eigentlich niemanden wundern. Dass sich Journalisten von Spiegel Online davon vereinnahmen lassen, überrascht dagegen sehr. Oder auch nicht.
Pressemitteilung der FDP-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein (PDF).
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