Die Entscheidung des OLG Stuttgart zum Fall Hartplatzhelden liegt mittlerweile im Volltext vor. An der Entscheidung fällt auf, dass sie – im Gegensatz zur vorinstanzlichen Entscheidung des LG Stuttgart – sehr ausführlich begründet ist. Das Gericht beschäftigt sich sehr genau mit den Argumenten des WFV und von Hartplatzhelden.
Insgesamt gibt das OLG Stuttgart dem WFV vollumfänglich Recht. Es bejaht konkret einen Unterlassungsanspruch des WFV aus zwei Tatbeständen:
• als unerlaubte Nachahmung aus § 4 Nr. 9 UWG, § 8 Abs. 1 UWG;
• als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus § 1004, § 823 BGB analog.
Demgegenüber lässt das Gericht einen Tatbestand, den das LG Stuttgart noch angenommen hatte, ungeprüft: Die Frage, ob es sich bei dem Verhalten von Hartplatzhelden um eine gezielte Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 10 UWG handelte, erklärt der Senat für nicht entscheidungserheblich.
Der Nachahmungstatbestand nach § 4 Nr. 9 UWG
Das vorhergehende Urteil des LG Stuttgart war in der Literatur (und auch auf Telemedicus) größtenteils kritisch besprochen worden. Dabei konzentrierte sich die Kritik vor allem auf einen Punkt: Das Wettbewerbsrecht ist kein umfassender Leistungsschutz, und es soll auch keiner sein. Damit die Grenzen des Immaterialgüterrechts nicht unterlaufen werden, muss insbesondere mit den Nachahmungstatbeständen des § 4 Nr. 9 UWG zurückhaltend umgegangen werden. Man spricht hier vom Prinzip der Nachahmungsfreiheit (Piper in Ohly/Piper, UWG, § 4 Rn. 9/6-9). Piper erklärt dieses Prinzip wie folgt:
Das Wettbewerbsrecht erfasst die Ausnutzung einer fremden Leistung unter einem anderen Gesichtspunkt als die Sonderschutzrechte. Diese schützen die schöpferische Leistung als solche, während sich das Wettbewerbsrecht gegen das Handlungsunrecht unlauterer Wettbewerbshandlungen wendet (Rdn 9/4). Das kommt zwar im Ergebnis auch dem Schutz des fremden Leistungsergebnisses zugute. Geschützt wird jedoch wettbewerbsrechtlich – anders als durch die Leistungsschutzrechte – nicht die schöpferische Leistung als solche, sondern der Leistungswettbewerb.
Die Veranstaltung eines Fußballspiels wird vom Immaterialgüterrecht nicht geschützt. Insbesondere das UrhG schützt nur kreative Leistungen – Fußballspieler arbeiten aber nicht kreativ. Dass Fußball nicht urheberrechtlich geschützt ist, ist insofern kein Zufall, sondern Absicht. Das OLG Stuttgart geht in seiner Entscheidung auf diesen – m.E. streitentscheidenden – Punkt wenig ein. Bei seiner Prüfung konzentriert es sich vielmehr ausführlich auf die konkreten Tatbestandsmerkmale des § 4 Nr. 9 UWG.
Was wurde eigentlich nachgeahmt?
Das Wettbewerbsrecht soll die Grenzen des Immaterialgüterrechts nicht unterlaufen. Im Gesetz hat sich das so niedergeschlagen, dass bei der UWG-Novelle 2004 die Tatbestände zur unmittelbaren Leistungsübernahme relativ restriktiv ins Gesetz aufgenommen wurden. § 4 Nr. 9 UWG schützt ausschließlich vor der Nachahmung von Leistungen, nicht vor anderen Formen der Leistungsübernahme. Was genau Gegenstand einer solchen Nachahmung sein kann, fasst Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG § 4 Rn. 9.23 wie folgt zusammen:
Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz bezieht sich immer nur auf die konkrete Gestaltung eines Erzeugnisses, nicht auf die dahinter stehende abstrakte Idee (wie zB Werbe-, Geschäfts-, Konstruktions-, Gestaltungsideen). Solche Ideen können zwar lauterkeitsrechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse sein. Sie genießen aber weder Urheberrechtsschutz […] noch lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz […]. Entsprechendes gilt für sonstige allgemeine Gedanken oder Lehren, wie zB einen bestimmten Stil, eine bestimmte Technik oder Methode […], sei es auch eine geschäftliche Methode (dazu Jänich GRUR 2003, 483, 487). Sie sollen im Interesse der Allgemeinheit und der Freiheit des Wettbewerbs frei zugänglich bleiben und nicht für einen Wettbewerber monopolisiert werden […].
Zu dem Zeitpunkt, in dem Hartplatzhelden startete, war der WFV ausschließlich als Veranstalter von Fußballspielen tätig. Er betrieb kein Videoportal im Internet, das Hartplatzhelden nachgeahmt haben könnte. Was also ist das konkrete Produkt, das hier nachgeahmt wurde? Das OLG Stuttgart äußert sich zu diesem Punkt wie folgt:
Zwar stellt ein Sportereignis wie ein Fußballspiel als solches noch keinen wirtschaftlichen Wert dar. Der wirtschaftliche Wert besteht allein in der Möglichkeit, die Wahrnehmung des Spiels in Bild und Ton durch das sportinteressierte Publikum – sei es durch den Stadionbesucher, sei es durch den Fernsehzuschauer oder den Hörer, der sich mit Hilfe des Radios über Stand und Verlauf des Spiels unterrichtet – zu verwerten. Müsste der Veranstalter Übertragungen oder Berichterstattungen unentgeltlich ermöglichen, wäre ihm auch im Amateurbereich ein Teil der wirtschaftlichen Verwertung seiner Leistung genommen. Das wird insbesondere bei der Fernsehübertragung deutlich, die es dem Fernsehzuschauer ermöglicht, das Fußballspiel optisch und akustisch mitzuerleben, ohne im Stadion anwesend zu sein (BGHZ 165, 62, 73 = GRUR 2006, 249, 251 f. – [Hörfunkrechte]). Die Internetberichterstattung kann in diesem Bezug nicht anders beurteilt werden.
Das OLG Stuttgart sagt also, aus der Veranstaltung eines Fußballspiels entspringt unmittelbar auch das Recht, dieses gegenüber den Zuschauern zu verwerten – hier habe es seinen „wirtschaftlichen Wert“. Diese Vermarktungsmöglichkeit habe Hartplatzhelden nachgeahmt.
Die Veranstaltung des Spiels ist aber gerade nicht identisch mit dem Recht, es auch medial verwerten zu dürfen – es ist ja genau diese Frage, die hier in Streit steht. Wenn das OLG Stuttgart ein genuines Verwertungsrecht des Sportveranstalters annimmt, das hier nachgeahmt worden sein soll, dann folgt es einem Zirkelschluss: Zuerst geht es davon aus, dass Fußballveranstalter ein exklusives Leistungsschutzrecht hätten – und bejaht dann, durch „Nachahmung“, einen Eingriff in dieses Leistungsschutzrecht. Erst durch diesen Nachahmungstatbestand begründet es das Leistungsschutzrecht dann wieder.
Diese Argumentation ist fragwürdig. Der Begriff „Nachahmung“ setzt nun einmal voraus, dass es ein Vorbild gegeben haben muss. Hier hat es ein solches Vorbild aber nie gegeben.
Der selbe Widerspruch kommt noch einmal an späterer Stelle zu Tage. Nun prüft das OLG Stuttgart, ob sich die Nachahmung auch auf die wettbewerbliche Eigenart des Produktes des WFV bezieht. Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (st. Rspr., vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 9.24). Zu diesem Punkt das OLG Stuttgart:
Wird das Produkt eines Wettbewerbers nicht mit allen Gestaltungsmerkmalen, sondern nur teilweise übernommen, muss sich die wettbewerbliche Eigenart gerade aus dem übernommenen Teil ergeben, d.h. gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale müssen geeignet sein, im Verkehr auf eine bestimmte betriebliche Herkunft oder – ganz allgemein – auf die Besonderheit des jeweiligen Produkts hinzuweisen (BGHZ 141, 329, 340 – [Tele-Info-CD]). Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn nicht das gesamte Produkt übernommen wird, sondern lediglich ein zeitlicher Ausschnitt, der einen Rückschluss auf jenes erlaubt, wie es bei den umstrittenen Verwertungsformen der Fall ist. Darin liegt eine unmittelbare Übernahme eines Leistungsteils (vgl. zu dessen Verhältnis zur Nachahmung schon BGHZ 39, 352, 356 – [Vortragsabend]). Zu der vom grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit umfassten wirtschaftlichen Verwertung der beruflich erbrachten Leistung gehört bei bedeutsamen Sportereignissen die Verwertung der Möglichkeit, das sportliche Ereignis in Bild und Ton unmittelbar oder mittelbar mitzuerleben (BGHZ 165, 62, 73 = GRUR 2006, 249 ff. – [Hörfunkrechte]).
Das ist alles, was das OLG zur wettbewerblichen Eigenart sagt – danach ist dieser Abschnitt zu Ende. Dabei geht es auf die konkreten Tatbestandsmerkmale des § 4 Nr. 9 b) gar nicht ein: Worin besteht jetzt eigentlich die besondere wettbewerbliche Eigenart? Welches Erzeugnis ist es denn eigentlich, das hier mit der besonderen wettbewerblichen Eigenart ausgestattet ist?
Interessant ist auch, dass das OLG Stuttgart zu diesem Punkt die Hörfunkrechte-Entscheidung des BGH zitiert. In dieser Entscheidung hat der BGH ein exklusives Verwertungsrecht der Veranstalter für Fußballrechte geprüft und bejaht – er hat es aber aus deren Hausrecht der Veranstalter umständlich hergeleitet und die Frage nach der wettbewerbsrechtlichen Schutzfähigkeit offen gelassen. Das Hausrecht der Veranstalter greift hier aber gerade nicht! Insofern belegt auch die Entscheidung des BGH nicht die Aussage, bei der sie zitiert wird: Dass nämlich die Position des Veranstalters mit dessen Recht auf multimediale Verwertung unmittelbar verknüpft ist.
Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Im folgenden prüft und bejaht das Gericht auch noch einen Unterlassungsanspruch, der sich aus § 1004, § 823 i.V.m. dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebtrieb ergeben soll. Es ist verwunderlich, dass das Gericht zwar einerseits diesen Anspruch prüft, andererseits aber den Tatbestand der gezielten Schädigung aus § 4 Nr. 10 UWG beiseite lässt. Denn an sich ist unstrittig der Anspruch aus § 823 BGB subsidiär gegenüber dem Wettbewerbsrecht (Wagner in MüKo BGB, § 823 Rn. 197; st. Rspr, vgl. dort Fn. 856).
Auch abseits dieses Problems stellen sich bei der Prüfung des Anspruchs Fragen. Letztlich geht es hier wieder um das selbe Problem: Auch der Tatbestand des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist tendenziell sehr weit. Insofern verlangt die ganz h.M., dass nicht jede Beeinträchtigung des Wohlbefindens eines Unternehmens auch ein Eingriff in dessen absolut geschützte Rechte sein kann. Verlangt wird, dass der Eingriff „betriebsbezogen“ ist, d.h. sich unmittelbar gegen den Betrieb oder einen Teil des Betriebs richtet (BGHZ 29, 65, 74; MüKo/Wagner a.a.O.). Wodurch wurde überhaupt eingegriffen? Dazu wieder das OLG Stuttgart:
Der Eingriff in die Vermarktungsmöglichkeiten, welcher darin besteht, dass sich die Beklagte anmaßt, ihrerseits mit konkurrierender Verwertung auf den Markt zu treten, betrifft kein ablösbares Recht des Klägers.
Noch mal deutlich: Der Eingriff besteht laut dem OLG Stuttgart darin, dass Hartplatzhelden mit dem WFV in Wettbewerb getreten ist. Weiter prüft das Gericht, ob der Eingriff auch betriebsbezogen ist, d.h. ob er den Gewerbebetrieb des WFV unmittelbar betrifft, oder nur ablösbare Rechte:
Die Vergabe von Verwertungsmöglichkeiten stellt kein (dingliches) Verwertungsrecht dar, wie es das Urheberrecht kennt (BGHZ 110, 371, 383 – [Programmbeschaffungsvertrag der Rundfunkanstalten]). Die Erlaubnis des Veranstalters zur Fernsehübertragung einer Sportveranstaltung ist daher im Rechtssinne keine Übertragung von Rechten, sondern eine Einwilligung in Eingriffe, die der Veranstalter aufgrund seiner Rechtspositionen verbieten könnte. Eine Verwertung ohne diese Einwilligung des Berechtigten greift daher unmittelbar in dessen rechtlichen Zuweisungsbereich ein und damit in seinen Gewerbebetrieb (vgl. BGHZ 110, 371, 383 und 385 – [Programmbeschaffungsvertrag der Rundfunkanstalten]).
Hier zeigt sich das selbe Muster wie oben: Das OLG Stuttgart stellt die Behauptung, es bestehe ein exklusives Recht des Veranstalters auf Verwertung, einfach so auf und lässt sie im weiteren unbegründet. Im Anschluss zitiert es eine Entscheidung des BGH, die sich mit dem benannten Problem nur am Rande beschäftigt und die noch dazu die Aussage, mit der sie zitiert wird, gar nicht hergibt.
Fazit
Das OLG Stuttgart hat sich mit dem Fall Hartplatzhelden eingehend auseinandergesetzt. Seine Ausführungen wirken dabei jedoch stark interessengerichtet. Insbesondere die Frage, was eigentlich nachgeahmt worden sein soll, kann das OLG nicht befriedigend beantworten. Dabei bleibt der Gedanke, dass es auf manche Informationen auch ein gesellschaftliches Freihaltebedürfnis gibt, leider auf der Strecke.
Die Hartplatzhelden haben bereits angekündigt, in Revision zu gehen. Dazu brauchen sie Geld – nach eigenen Angaben 15.000 Euro. Die Lösung könnte ebenfalls aus dem Web2.0 kommen: In einem ganz anderen Streit hat sich kürzlich der freie Journalist Jens Weinreich mit dem dem DFB verglichen. Von den 22.000 Euro, die er in dieser Sache an Spenden eingeworben hatte, will er 3/4 an Hartplatzhelden weiterreichen.