Bibliotheken dürfen digitale Kopien ihrer Bücher an elektronischen Leseplätzen zur Verfügung stellen – den Nutzern ist es hingegen nicht erlaubt, weitere digitale oder ausgedruckte Kopien herstellen. Ihnen bleibt nur noch die Möglichkeit, sich handschriftliche Abschriften von den digitalen Büchern zu machen. So entschied das OLG Frankfurt mit Urteil vom 24. November (AZ.: 11 U 40/09) in einem Rechtsstreit zwischen dem Ulmer-Verlag und der Bibliothek der Technischen Universität Darmstadt.
Grund des Rechtsstreits waren sogenannte „elektronischen Leseplätze” in der Darmstädter Universitäts-Bibliothek, an denen Nutzer vollständige digitale Kopien der dort einsehbaren Werke auf USB-Sticks speichern bzw. ausdrucken konnten. Der Verlag sah sich dadurch insbesondere in seinem Vervielfältigungsrecht aus § 16 UrhG verletzt. Die Bibliothek berief sich hingegen auf die noch junge Schrankenregelung des § 52b UrhG. Diese Norm erlaubt es den Bibliotheken in Grenzen ihre Bestände zu digitalisieren.
Die Frankfurter Berufungsrichter entschieden zwar, dass aufgrund des § 52b UrhG digitalisierte Fassungen der Bibliotheksbestände angefertigt werden und an speziellen Leseplätzen angeboten werden dürfen, ohne dass weitere Lizenzen von dem Vertrag eingeräumt werden müssen. Wie die Vorinstanz lehnten sie es ab, dass Nutzer an den Leseplätzen digitale Kopien herstellen können. Zu der Frage, ob Nutzer die digitalisierten Werke am Computer ausdrucken dürfen, vertrat das OLG jedoch eine andere Auffassung als zuvor das Landgericht. Das LG Frankfurt hatte im Mai geurteilt (Az. 2-06 O 172/09), dass Kopien in Papierform zulässig seien:
Eine sinnvolle Arbeit mit längeren Texten setzt regelmäßig die Möglichkeit voraus, in etwaigen Kopien zentrale Passagen des Textes zu markieren und diese in Auszügen auch aus der Bibliothek zum weitergehenden Studium an anderen Ort mitzunehmen.
Die Richter des OLG befanden dagegen, dass Nutzer auch keine Kopien in Papierform anfertigen dürfen. Sie begründeten ihre Entscheidung offenbar damit, dass das Recht auf Privatkopie nach § 53 UrhG in diesem Falle nicht greifen würde. Bibliotheksbesucher, die elektronische Leseplätze zur Rechereche nutzen, dürfen nach dieser Entscheidung die digitalen Texte nur per Hand abschreiben. Wie genau das Gericht das Verhältnis zwischen § 52b UrhG und § 53 UrhG beurteilte, ist noch unklar: Das Urteil und damit die Entscheidungsgründe sind noch nicht öffentlich.
Während die Klägerseite von einer Stärkung des geistigen Eigentums spricht, zeigt sich die beklagte Universitätsbibliothek unzufrieden mit dem Urteil:
Die Entscheidung hat Folgen für das Studium und die wissenschaftliche Verwendbarkeit von digitalen Texten. Wissenschaftliches Arbeiten mit Texten erfordert zwingend die Möglichkeit, Kopien von Textteilen zu erstellen, um zuverlässig memorieren und zitieren zu können. Das Landgericht Frankfurt hatte dies anerkannt. Das OLG verurteilt die Nutzer nun zum Abschreiben mit der Hand – in Zeiten elektronischer Medien, des Internets und der e-science ist das ein Anachronismus. Der eigentliche Sinn des § 52b, auch auf digitalem Weg wissenschaftliche Texte in moderner, im universitären Umfeld längst selbstverständlich gewordener Form verfügbar zu machen, wird damit auf den Kopf gestellt.
Die TU Darmstadt appelliert deshalb an den Gesetzgeber bei Novellierung des Urheberrechtsgesetzes im Rahmen des „Dritten Korbs” eine eindeutige und vor allem zeitgemäße Regelung des Problems zu finden.
Ob eine Revision zugelassen ist und von den Beteiligten, insbesondere der beklagten Universitätsbibliothek angestrebt ist, ist nicht bekannt.