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OLG Köln: Bezahltes Whitelisting von Adblock Plus unzulässig

Das OLG Köln hat am 24. Juni ein weiteres Urteil im Rechtsstreit zwischen Axel Springer und dem Werbeblocker Adblock Plus gefällt (Az.: 6 U 149/15). Im Berufungsverfahren hat das bekannte Medienhaus erstmals einen Teilerfolg errungen. Wie zuvor in der mündlichen Verhandlung bereits angedeutet, hält das Gericht das Geschäftsmodell der Beklagten – das bezahlte Whitelisting – für unzulässig. Die Entscheidung stellt zugleich die erste Niederlage des Kölner Unternehmens Eyeo dar. Hier eine Analyse der Urteilsgründe:

Adblocking bleibt grundsätzlich legal

Wie schon in den vergangenen Verfahren bestätigt nun auch das OLG Köln die bisherige Auffassung der Gerichte, wonach Adblocking generell rechtmäßig ist. Mit ihrem Hauptantrag, der auf die Untersagung des Vertriebs des Onlinewerbeblockers abzielte, war die Klägerin also nicht erfolgreich. Denn eine gezielte Behinderung gem. § 4 Nr. 4 UWG vermag auch das OLG Köln nicht festzustellen. Zwar seien die Parteien Mitbewerber, eine Schädigungsabsicht der Beklagten sei aber nach der Entscjeidung des OLG-Senat nicht zu vermuten. Eyeo wirke durch den Vertrieb des Werbeblockers nicht auf das Produkt von Springer ein, wie es etwa bei dem Abreißen von Plakaten der Fall sei. Insbesondere auch das schon bekannte Argument aus den anderen Verfahren führe zu diesem Ergebnis: Der Nutzer eines Werbeblockers entscheide letztlich über das Blockieren von Werbung. Dieses Verhalten kann nicht der Beklagten zugerechnet werden. Mit einer ähnlichen Argumentation hatte vor kurzem schon das OLG Stuttgart im Falle des Werbeblockers „Blockr“ geurteilt. Hier hatte die Axel Springer Tochter die Berufung freiwillig zurückgenommen.

Bezahltes Whitelisting unlauter

Der 6. Zivilsenat des OLG Köln hält jedoch die sogenannte Whitelist-Funktion von Adblock Plus für wettbewerbswidrig gem. § 4a Abs. 1 S.1 UWG nF. Dies zumindest dann, wenn und soweit die Werbung beim Betrieb des Adblockers nur nach vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts seitens Eyeo nicht unterdrückt wird. Das Gericht stützt sich dabei allein auf den neu gefassten § 4a UWG. Unlauter handelt danach, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte.

Das Gericht hält das entgeltliche Whitelisting somit für eine unzulässige aggressive Praktik im Sinne von § 4a Abs. 1 S.1 UWG. Die Eyeo GmbH befinde sich in einer Machtposition, die es ihr erlaube, das Blocken von Werbung durch das Whitelisting wieder aufzuheben, so dass die Beklagte einen Einfluss auf die Werbekunden der Klägerin ausübe. Die Werbekunden sind dabei „sonstigen Marktteilnehmer“, die dazu veranlasst werden, die „geschäftliche Entscheidung“ des (bezahlten) Whitelistings zu treffen, so die Argumentation des Gerichts. Die Entscheidungsfreiheit der Werbewilligen werde so unzulässig beeinträchtig.

Das Gericht führt dazu aus:

Werbewillige, wie Webseitenbetreiber, Betreiber von Affiliate-Netzwerken oder von Webseitenbetreibern beauftragte Werbevermarkter, haben möglicherweise doppelte Vereinbarungen zu schließen und dabei auch doppelte Zahlungen zu leisten, nämlich zum einen durch die Buchung von Werberaum im Zusammenhang mit redaktionellen Angeboten bei der Klägerin, zum anderen durch die Buchung einer Freischaltung dieses Werberaums als „akzeptabel“ in der Beziehung zur Beklagten.

Kritik

An dieser Sichtweise, gerade auch im Hinblick auf die verbraucherschutzrechtliche Natur der UGP Richtlinie, die letztlich nur in Deutschland in der Umsetzung um „sonstige Marktteilnehmer“ (also auch für B2B-Verhältnisse) in der entsprechenden Vorschrift erweitert worden ist, kann mit guten Argumenten gezweifelt werden.

In Erwägungsgrund 16 zur Richtlinie heißt es zu den aggressiven Geschäftspraktiken:

Die Bestimmungen über aggressive Handelspraktiken sollten solche Praktiken einschließen, die die Wahlfreiheit des Verbrauchers wesentlich beeinträchtigen. Dabei handelt es sich um Praktiken, die sich der Belästigung, der Nötigung, einschließlich der Anwendung von Gewalt, und der unzulässigen Beeinflussung bedienen.

Freilich ist der Vorwurf der „Doppelbezahlung“ im ersten Moment evident. Jedoch findet eine solche doppelte Zahlung faktisch nicht statt, da der entsprechend Werbekunde grundsätzlich nur einmal für die Platzierung der Werbung zahlt. Ob dann das Werbenetzwerk oder der Webseitenbetreiber in einem zweiten Schritt für seine Werbekunden ein Whitelisting ggf. gegen ein Entgelt bei AdblockPlus beantragt, ist eine andere Frage. Eine doppelte Zahlung des einzelnen Werbewilligen lässt sich jedenfalls nicht feststellen. Vielmehr kann dieser (zumeist kostenfrei) eine Aufnahme seiner akzeptablen Werbung auf die Whitelist erreichen.

Darüber hinaus ist fraglich, ob in dem bloßen potentiellen Angebot der Aufnahme auf die Whitelist wirklich eine „unzulässige Beeinflussung“ zu sehen ist und ob sich Werbenetzwerke und Webseitenbetreiber wirklich dazu „gezwungen fühlen“, die Freischaltung auf die Liste zu beantragen. In diesem Zusammenhang ist auch daran zu denken, dass nur Großkunden wirklich eine Gebühr bezahlen und das Whitelisting für die Werbekunden einen zusätzlichen Werbeplatz bedeutet, der den Status Quo lediglich verbessert. Bei einem 100%-Werbeblocker, der in jedem Fall legal ist (s.o.), sind zweifellos alle potentiellen Rezipienten verloren.

Auch die vom Gericht festgestellte Machtposition von Eyeo steht im Hinblick auf die grundsätzlich kostenneutral angebotene Leistung (Anzeigen von akzeptabler Werbung beim Betrieb von Adblock Plus) und gerade auch in Abgrenzung zu kartellrechtlichen Normen wohl auf wackeligen Beinen. Das Gericht selbst weist in den Urteilsgründen darauf hin, dass in der Literatur die Ansicht vertreten wird, dass die Ausübung wirtschaftlicher Machtpositionen über § 4a Abs. 1 UWG nicht unterhalb der Schwelle kartellrechtlich relevanter Marktmacht greifen darf.

Es sind daher noch viele Fragen im Zusammenhang mit dem jungen § 4a UWG offen. Allerdings drängt sich der Eindruck auf, dass die Vorschrift in der vorliegenden Entscheidung etwas „überdehnt“ worden ist.

Nächster Stopp: BGH

Festzuhalten bleibt, dass der Vertrieb von Adblock Plus inklusive der Whitelist-Funktion auch nach der hier besprochenen Entscheidung insgesamt weiterhin zulässig ist. Die Eyeo GmbH darf in Deutschland jedoch kein Entgelt mehr für die Aufnahme von bestimmter „akzeptabler Werbung“ auf die Whitelist erheben, sofern dies Webseiten von Axel Springer betrifft. Wie schwer das Verbot, welches sich nur auf den deutschen Markt bezieht, Eyeo tatsächlich treffen wird und ob die Argumentation des OLG Köln auch vor dem BGH Bestand hat, wird sich zeigen.

Das OLG Köln hat die Revision zum BGH jedenfalls zugelassen und Eyeo hat bereits angekündigt auch den BGH zu den maßgeblichen Rechtsfragen befragen zu wollen. Ob der BGH sich der Rechtsansicht des OLG Köln anschließt ? Jedenfalls wird er dem Rechtsstreit dann das langersehnte Ende setzen und eine Rechtsfrage von ganz offensichtlich grundsätzlicher Bedeutung beantworten. Zumindest dann, wenn die Politik nicht schon vorher den Adblockern einen Riegel vorgeschoben hat.
Die Entscheidung im Volltext in der Telemedicus Datenbank.
Pressemitteilung des OLG Köln.
Zur Meldung auf golem.de.
Übersicht zum Streit um Adblock Plus.

, Telemedicus v. 26.06.2016, https://tlmd.in/a/3104

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