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OLG Hamm: Kein Weiterverkauf von Multimedia-Dateien

Seit der EuGH im Fall UsedSoft die Tür zum Weitverkauf von Software-Lizenzen ein großes Stück weit geöffnet hat, stellt sich auch in anderen Bereichen digitaler Produkte die Frage: Darf man auch andere online erworbene Dateien weiterverkaufen?

Mitte Mai hat nun das OLG Hamm zu dieser Diskussion eine weitere Entscheidung beigetragen (Az.: I-22 U 60/13). Danach darf der Weiterverkauf von digital erworbenen E-Books und Hörbüchern in den AGB des Verkäufers untersagt werden. Die UsedSoft-Entscheidung des EuGH sei nicht auf andere Multimedia-Dateien übertragbar.

Der Fall

Hintergrund der Entscheidung war der Streit zwischen dem Verbraucherzentrale Bundesverband und einem Anbieter von E-Books und Hörbüchern im Internet. In dessen AGB wurde den Erwerbern der Weiterverkauf der Dateien untersagt. Dagegen klagte der vzbv in erster Instanz vor dem LG Bielefeld – und verlor. Argument: Die Klausel entspricht der Rechtslage im Urheberrecht. Grundsätzlich darf der Rechteinhaber den Weiterverkauf seiner Werke verbieten. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die sog. Erschöpfung greift. Nach § 17 Abs. 2 UrhG gilt dies aber nur, wenn körperliche Werke innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes in den Verkehr gebracht werden. Für rein digitale Werke gilt die Regelung nicht. Auch die Rechtsprechung des EuGH im Fall UsedSoft sei nicht übertragbar – die Entscheidung gelte ausschließlich für Software, nicht für andere Werkarten.

Die Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm schloss sich dieser Argumentation vollumfänglich an. Eine Erschöpfung komme bei digitalen Werken grundsätzlich nicht in Betracht. Der EuGH habe in seiner UsedSoft-Entscheidung deutlich gemacht, dass es sich bei Software um einen Sonderfall handele. Denn für Software gelten andere europarechtliche Vorgaben, als für andere digitale Werke.

Dabei gibt das OLG Hamm zunächst einen lesenswerten und fast abschließenden Überblick über den Stand von Literatur und Rechtsprechung. Anschließend setzt sich das OLG Hamm ausführlich mit den widerstreitenden Ansichten auseinander. Seinen Fokus legt das Gericht dabei auf die Frage, woraus sich systematisch eigentlich ein Weiterveräußerungsverbot ergibt. Verstößt der Weiterverkauf der digitalen Kopien gegen das Vervielfältigungsrecht aus § 16 UrhG oder gegen das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung aus § 19a UrhG?

Wer hat’s verboten: § 16 oder § 19a?

Das Problem: Stellt man allein auf die Vervielfältigung einer Datei ab, sind all die Fälle nicht erfasst, wo eine Datei ohne eine Vervielfältigung weitergegeben wird – zum Beispiel, wenn ein Hörbuch im Netz gekauft und auf einem USB-Stick gespeichert wird. Wenn anschließend der USB-Stick mit der Datei weiterverkauft wird, findet keine weitere Vervielfältigung statt.

Das OLG Hamm stellt deshalb maßgeblich auf das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG ab. Zwar wird eine Datei beim Weiterverkauf an eine einzelne Person nicht öffentlich zugänglich gemacht. Wird eine Datei aber frei weiterverkauft, kann sich eine sog. „sukzessive Öffentlichkeit” ergeben. Die Datei wird nicht gleichzeitig an einen unbestimmten Personenkreis weitergegeben, aber kann nach und nach unbegrenzt vielen Personen zugänglich gemacht werden.

„Aus den Ausführungen [Anm. d. Red. BT-Drucks. 15/38 S. 16f] […] wird deutlich, dass damit der Verbreitungsweg nicht nur, aber gerade auch über das Internet geregelt werden soll und dass sich das „online-Recht“ der öffentlichen Wiedergabe weder auf eine zeitgleiche Wiedergabe bei allen Nutzern des Dienstes beziehen muss noch sich die Anwendbarkeit auf sogenannte Streaming-Portale beschränkt, die auf Abruf urheberrechtlich relevante Inhalte ohne beachtliche Speicherung auf dem Endgerät des Letztkonsumenten über ein Netzwerk zur Verfügung stellen, sondern dass unter diese Bestimmung jede unkörperliche Weitergabe kompletter Medien-Dateien, also auch im hier streitgegenständlichen Wege des Herunterladens und der lokalen Speicherung fällt.”

Hervorhebung nicht im Original

Diese extrem weite Auslegung von § 19a UrhG ist nicht unproblematisch. Letztlich führt sie dazu, dass es auf eine „Öffentlichkeit” bei § 19a UrhG nicht mehr ankommt. Mit dem Wortlaut der Norm ist das nur schwer vereinbar. Für die allermeisten Fälle der immateriellen Erschöpfung spielt das aber wohl kaum eine Rolle. Denn die Fälle, in denen der Weiterverkauf online gekaufter Dateien ohne eine Vervielfältigung auskommt, dürften in der Praxis sehr überschaubar sein.

Kein UsedSoft für Multimedia

Anschließend stellt das OLG Hamm klar, dass weder für die Vervielfältigung nach § 16 UrhG, noch für die öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG eine Erschöpfung vorgesehen ist. Einzig § 17 Abs. 2 UrhG und § 69c Nr. 3 UrhG regeln für die (körperliche) Verbreitung bzw. für Computerprogramme eine Ausnahme. Eine Analogie kommt nach Ansicht des OLG Hamm dabei nicht in Betracht, weil diese Ausnahmen bewusst nur diese Sonderfälle betreffen sollen.

Entsprechend sei auch die UsedSoft-Entscheidung des EuGH nicht übertragbar:

„Die Entscheidung des EuGH (C-128/11) betrifft Software und nicht andere digitale Produkte, insbesondere nicht Multimediadateien, speziell Hörbücher. Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen lassen sich die Spezialregelungen für Software nicht generalisieren, was schon in Frage stellt, dass die EuGH-Entscheidung den vorliegenden Sachverhalt und seine rechtliche Bewertung erhellen kann. […]

Der Senat versteht die EuGH-Entscheidung […] dahin, dass, wenn und weil bei Computerprogrammen aufgrund ihrer Spezialität eine „Eigentumsübertragung“ an der Programmkopie erfolge und deshalb eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts eintrete, auch ein Anspruch auf eine weitere Vervielfältigung durch ein erneutes Herunterladen von den Servern des Rechteinhabers bestehe. Es knüpft die Erschöpfung an die Eigentumsübertragung, die – nur – bei Computerprogrammen auch in anderer Weise erfolgen könne als durch Übergabe eines körperlichen Vervielfältigungsstücks.”

Entsprechend darf der Rechteinhaber also den Weiterverkauf von Multimedia-Dateien verbieten. Die Klausel in den AGB des beklagten Unternehmens entspricht der Wertung des Urheberrechts und ist damit zulässig. Damit liegt das Gericht auf einer Linie mit LG und OLG Stuttgart, LG Bielefeld und dem LG Berlin gleich doppelt.

In der deutschen Rechtsprechung herrscht insoweit ungewohnte Einigkeit, dass eine immaterielle Erschöpfung ausschließlich für Software in Frage kommt. Für alle anderen digital erworbenen Güter darf der Weiterverkauf weiterhin eingeschränkt werden.

Das Urteil des OLG Hamm (Az. 22 U 60/13) im Volltext.

, Telemedicus v. 10.06.2014, https://tlmd.in/a/2792

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