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OLG Hamburg verbannt WoW-Bots aus Azeroth

Ende letzten Jahres hat das OLG Hamburg der Bossland GmbH untersagt, die beiden WoW-Bots Honorbuddy und Gatherbuddy zu vertreiben (Az.: 3 U 86/13). Die Entscheidung ist ein Höhepunkt in einem jahrelangen Streit zwischen Blizzard und Bossland und behandelt einige wichtige Fragen zum Thema Bots und Regeln in Online-Spielen. Mittlerweile liegt das Urteil bei uns im Volltext vor.

Worum ging es?

Hintergrund des Rechtsstreits ist eine bereits seit mehreren Jahren dauernde Auseinandersetzung zwischen Blizzard und der Bossland GmbH. Dabei geht es um sogenannte Bots, die Bossland für das Online-Spiel World of Warcraft anbietet. Diese sollen es Spielern ermöglichen, bestimmte Spielzüge zu automatisieren und von den Bots selbstständig vornehmen zu lassen. Blizzard sieht hierdurch sein Geschäftsmodell bereits seit Jahren gefährdet und nahm Bossland auf Unterlassung in Anspruch. Vor dem Landgericht Hamburg bekam Blizzard bereits recht. Das Oberlandesgericht hatte nun über die Berufung zu entscheiden.

Das Problem stellt sich bei vielen Online-Spielen. Vor allem sog. „MMORPG”-Spiele sind so aufgebaut, dass Spieler sich einen Charakter erstellen und mit diesem in einer digitalen Welt agieren, zusammen mit anderen Spielern Abenteuer erleben und den eigenen Charakter weiter entwickeln können. Die Charaktere entwickeln sich dabei durch Erfahrungspunkte weiter. Ebenso können für das Spiel sehr wertvolle Gegenstände gefunden werden. Das Problem für die Spieler: Viele Aufgaben benötigen sehr viel Zeit und einige Gegenstände sind nur sehr selten. Für Spieler kann es deshalb sehr mühsam und zeitaufwändig sein. Viele versuchen deshalb, sich diesen Aufwand zu ersparen.

An dieser Stelle kommen Bots ins Spiel, die diese zeitaufwändigen und eher monotonen Aufgaben abnehmen. Derartige Bots traten auch immer wieder bei Spielen des Spieleherstellers Blizzard auf, der mit seinem Netzwerk „Battlenet” eine einheitliche Plattform für alle Spiele anbot. In manchen Spielen traten derartig häufig Bots auf, dass Blizzard mehrere tausend Spieler verbannte. Derartige Automatisierungen sind nämlich eigentlich in den Spielregeln untersagt. Allerdings reichte dies Blizzard nicht aus. Vielmehr ging es immer auch um die Quelle, also den Anbieter derartiger Bots. In Deutschland dauern die Schlachten zwischen Blizzard und Bossland als dem wohl bekanntesten Anbieter von Bots bereits mehrere Jahre.

Bots raus aus Azeroth?

Für Blizzard ging es nun auch um eine grundsätzliche Frage: Wenn das Unternehmen einzelne Spieler sperren kann, die sich unerlaubter Bots bedienen – kann es ebenso dem Hersteller dieser Bots den Vertrieb verbieten? Nur so scheint es möglich zu sein, die Welten im Battlenet frei von Bots zu halten.

Die Parteien stritten dabei um mehrere Aspekte: Erstens, ob Bossland die Spieler zum Vertragsbruch verleitet, weil die angebotenen Bots gegen die Spielregeln des WoW-Battlenets verstoßen. In diesem Zusammenhang trat auch die Frage auf, welche rechtliche Wirkung diese Spielregeln haben. Handelt es sich um AGB oder um spielinterne selbstgewählte Regeln, die gerichtlich nicht überprüft werden können? Zweitens, ob Bossland Blizzard gezielt dadurch behindert, dass die ehrlichen Spieler massiv verärgert sind und das Spielerlebnis verschlechtert wird. Hierdurch sah Blizzard sich wirtschaftlich beeinträchtigt. So bestünde die Gefahr, dass Spieler sich frustriert vom Spiel abwenden und damit Einnahmen wegfallen. Ebenso machte Blizzard aber auch Unterlassungsansprüche aus dem Markenrecht geltend. Bossland hatte nämlich seine beiden Bots Honorbuddy und Gatherbuddy mit verschiedenen Zeichen und Metatags beworben, die markenrechtlich von Blizzard geschützt sind. Hierin sah Blizzard die Verletzung seiner eingetragenen Gemeinschaftsmarke.

Die Beklagten wehrten sich aus Leibeskräften gegen diese Ansprüche. So argumentierten sie, das Bot-Verbot sei als AGB bereits nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Dazu hätten die WoW-Spieler nämlich bereits mit dem Erwerb der Software hierüber Bescheid wissen müssen. Schließlich sei zu diesem Zeitpunkt das gesamte Vertragsverhältnis zustande gekommen und nicht erst indem sich der Kunde einen Account einrichtet. Zudem würde die Klägerin sich widersprüchlich verhalten, da sie selbst Möglichkeiten anbiete, um Spielzüge zu automatisieren. Hauptsächlich aber läge bereits deshalb keine Behinderung vor, weil Blizzard keine weiteren Folgen zu tragen habe. Schließlich würden die Spieler von den Bots nicht belästigt, sondern in Ruhe gelassen.

Die Entscheidung des Gerichts: Bot-Vertrieb für WoW ist rechtswidrig

Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Es liege eine unlautere betriebsbezogene Behinderung vor, indem Bossland empfindlich in das Spielsystem von World of Warcraft eingreife. Eine Verleitung der Kunden zum Vertragsbruch lehnte das Gericht jedoch ab – allerdings nicht ohne dabei interessante Aspekte zu diesem Thema zu besprechen.

Rechtlicher Ansatzpunkt ist dafür § 4 Nr. 10 UWG. Diese Norm stellt eine Generalklausel dar, bei der es vor allem darauf ankommt, ob die wettbewerbliche Entfaltungsfreiheit eines Wettbewerbers beeinträchtigt wird. Wie in vielen Bereichen des Wettbewerbsrechts hat die Rechtsprechung hierzu verschiedene Fallgruppen geprägt. Zwei davon sind die vertriebsbezogene Behinderung und das Verleiten zum Vertragsbruch.

Vertriebsbezogene Behinderung – Bots vergraulen ehrliche Spieler
Das Gericht schloss sich den klägerischen Argumenten an. Es liege eine vertriebsbezogene Behinderung vor. Diese kommt unter zwei Aspekten in Betracht, wie das Gericht ausführt:

„Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern nach § 4 Nr. 10 UWG liegt nämlich auch dann vor, wenn eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber gegeben ist, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen (1. Variante), oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können (2. Variante). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen […].

Hervorhebung nicht im Original

Entscheidend war hier, dass Blizzard seine Leistungen nicht mehr angemessen zur Geltung bringen könne. Die erste Variante sollte allerdings nicht erfüllt sein, da Bossland eher ein gleichgerichtetes Interesse daran hätte, dass World of Warcraft fortbesteht.

Blizzard habe als Anbieter von World of Warcraft ein schützenswertes Interesse daran, dass sein Spiel in der ursprünglichen selbstbestimmten Form gespielt wird. Hierauf würden sich auch die vielen Nutzer verlassen. Wenn Nutzer aber sehen, dass sich andere unfair verhalten und einfachere Wege gehen, wäre die Konsequenz der Ausstieg aus dem Spiel. Die Kernaussage des Gerichts hierzu:

„Es liegt auf der Hand, dass aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs, zu dem auch die Mitglieder des Senats gehören, ein auf Wettbewerb ausgerichtetes Spiel bei dem ehrliche Spieler gegenüber unehrlichen Spielern benachteiligt werden, erheblich an Attraktivität einbüßt. Der Erfolg jedes als kompetitiv konzipierten Spiels steht und fällt mit der Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen der Spieler.”

Das ist so auch konsequent, da mit Bots einige Vorteile verbunden sind. Welcher Spieler möchte schon stunden-, tage- oder monatelang nach einem bestimmten Gegenstand suchen oder Fähigkeiten ausbauen? So viel Spannung und Reiz die digitale Welt von World of Warcraft wohl bieten mag – einige Aufgaben brauchen vor allem Geduld. Wenn es aber möglich ist, ohne eigenen Zeitaufwand voranzuschreiten, unterliegen einige wohl doch der Versuchung. Für die anderen Spieler ist dies einfach nur nervig. Einem Bot begegnen, mit dem man nicht interagieren kann und der einem möglicherweise dazu noch interessante Gegenstände direkt vor der Nase wegschnappt – welchem Orc geht da nicht schon mal der Kriegshammer in der Tasche auf? Für das Gericht jedenfalls bietet sich hier eine völlig nachvollziehbare Folge: viele Spieler werden sich enttäuscht abwenden. Allein dieser Image-Schaden kann bereits wirtschaftliche Nachteile bewirken, da Blizzard nicht das Ergebnis erzielt, was bei geregeltem Spielablauf möglich wäre.

Kein Verleiten zum Vertragsbruch
Das Gericht sah allerdings kein Verleiten zum Vertragsbruch. Dabei geht das Gericht mehrere sehr interessante Fragen durch. Zunächst sei das Bot-Verbot als AGB wirksam in den Vertrag mit den Spielern einbezogen worden. Diese mussten von den Regeln nämlich nicht bereits beim Software-Erwerb Kenntnis erlangen, sondern erst beim Einrichten des Accounts. Allein dass jemand die Client-Software erwirbt, begründe für diesen nämlich noch nicht das Recht, den Battlenet-Account nutzen zu können.

In einem weiteren Punkt widerspricht das OLG der Vorinstanz, die das Bot-Verbot noch als spieleinterne Regel und damit rechtlich kontrollfrei angesehen hatte. Für das Berufungsgericht kommt das aber nur bei bestimmten Situationen in Betracht. So seien sportliche Regelwerke nicht wie AGB von prinzipiell gegensätzlichen Interessen geprägt. Blizzard und seine Kunden stünden sich aber mit jeweils eigenen wirtschaftlichen Interessen gegenüber.

Ebenso sei das Bot-Verbot aus Kundensicht verständlich und nicht überraschend. Zum einen komme es auf etwaige sprachliche vereinzelte Mängel in den AGB nicht an. Zum anderen aber könne die Klägerin selbst bestimmen, welche Regeln für ihr Spiel gelten. Deshalb könne sie auch selbst festlegen, welche Hilfsmittel erlaubt seien.

Entscheidend war jedoch für das Gericht, dass lediglich gegen eine AGB-Regelung und nicht gegen eine Hauptpflicht aus dem Vertrag verstoßen worden sei. So dürfte nicht jede auf den Vertrieb gerichtete Tätigkeit gegenüber den gebundenen Adressaten erfasst sein. Sonst könnte das betroffene Unternehmen nämlich selbst bereits den Maßstab setzen, wann ein Verhalten seines Wettbewerbers unlauter ist. Außerdem würde Bossland seine Bots nur an die Allgemeinheit anbieten, nicht aber konkret auf einzelne Nutzer einwirken.

Die Konsequenz: Bot-Verbot nicht nur gegenüber den Spielern durchsetzbar

Welche Folge hat diese Entscheidung? Grundsätzlich hat das Gericht hier nur einen konkreten Einzelfall entschieden. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass in ähnlichen Konstellationen auch andere Gerichte ähnlich entscheiden. Die Feststellung, dass Bots andere Spieler vergraulen, ist nicht zu beanstanden und völlig nachvollziehbar. Das gleich gilt für die mögliche Folge, dass viele Spieler WoW den Rücken kehren werden. Allein diese Gefahr für den wirtschaftlichen Verlauf des Spiels reicht nach Ansicht des Gerichts aus. Damit erklärt das Gericht aber auch, dass Blizzard ein Recht auf einen „reinen“ Spielablauf hat – also Spieler, die sich aktiv einloggen und innerhalb des Spiels agieren. Dieses Angebot gefährden die Buddy-Bots jedoch. In der Konsequenz kann Blizzard also nicht nur einzelne Spieler sperren. Vielmehr bietet sich nach dieser Rechtsprechung bereits die Möglichkeit, den Anbieter derartiger Bots anzugreifen und damit die Quelle trocken zu legen. Für die Betreiber von Online-Spielen ist dies eine sehr wichtige und hilfreiche Konsequenz.

Allerdings ist diese Entscheidung bislang noch nicht rechtskräftig. Nach Informationen der Kanzlei Beckmann und Norda wird sich der BGH im Rahmen einer Revision hiermit beschäftigen müssen (Az.: I ZR 253/14). Damit wird das höchste deutsche Zivilgericht erneut Gelegenheit haben, sich mit Spielregeln zu befassen, diesmal bei Online-Spielen. Daneben wird der BGH auch die Ansicht des OLG Hamburg überprüfen müssen, ob tatsächlich die Verärgerung der Spieler hier als Umstand für eine vertriebsbezogene Behinderung ausreicht oder ob nicht sogar nachgewiesen werden muss, dass Kunden das Abonnement verlassen.

Das Urteil im Volltext in der Telemedicus-Entscheidungsdatenbank.

Update 17.02.2015:
Mittlerweile wurde uns bekannt, dass im Januar das OLG Dresden ebenso in einer Auseinandersetzung zwischen Blizzard und Bossland über eine Berufung entschieden hat (Az.: 14 U 1127/14). Dort ging es jedoch anders als hier um die urheberrechtliche Seite, ob Bossland das Spiel überhaupt verwenden darf um die Bots zu programmieren. Wir haben die Entscheidung des Gerichts angefordert und werden sie demnächst hier im Blog kommentieren.

  • Dr. Sebastian Louven

    Sebastian Louven ist Rechtsanwalt mit Beratungsschwerpunkten im Telekommunikationsrecht und Kartellrecht.

, Telemedicus v. 02.02.2015, https://tlmd.in/a/2889

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