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OLG Hamburg: Die Rapidshare-Entscheidung, ein Meilenstein?

Vor zwei Wochen hat das Oberlandesgericht Hamburg erneut im Fall Rapidshare entschieden. Haftet ein One-Click-Hoster, wenn Nutzer über seinen Dienst Raubkopien verbreiten, war die zentrale Frage. Nun ist die Entscheidung im Volltext veröffentlicht. Und man kann festhalten: Sie ist in vielerlei Hinsicht erstaunlich.

Zwar hat das OLG Hamburg Rapidshare im konkreten Fall dazu verurteilt, die Verbreitung einzelner Dateien zu unterlassen. Das Gericht räumte gleichzeitig aber auch mit der eigenen Rechtsprechung auf und legte zum Teil eine glatte 180-Grad-Wende hin.

Die Hintergründe

Über die Funktionsweise von Rapidshare muss man nicht mehr viele Worte verlieren: Rapidshare speichert Dateien für seine Nutzer. Diese erhalten einen Link zu ihren Uploads und können damit anfangen, was sie wollen. Rechtlich problematisch wird die Sache, wenn Nutzer urheberrechtlich geschützte Dateien bei Rapidshare hochladen und die Links öffentlich weiterverbreiten.

In welchem Ausmaß das geschieht, lässt sich mittlerweile nur noch schwer abschätzen. Während der Dienst noch vor einigen Jahren wohl ganz überwiegend zum Verbreiten von Raubkopien genutzt wurde, kann man das heute nicht mehr ganz so eindeutig sagen. Rapidshare selbst gibt an, dass nur eine kleine einstellige Prozentzahl aller Uploads illegal sind. Ob das stimmt? Man weiß es nicht.


Screenshot: Rapidshare 2012.

Dennoch hat sich Rapidshare verändert – das betont auch das Oberlandesgericht Hamburg. Aber der Reihe nach: Die Entscheidung des OLG Hamburg ist der vorläufige Höhepunkt in einem Jahre währenden Rechtsstreit. Und das sieht man der Entscheidung auch an. Fast 70 Seiten umfasst die Entscheidung – im Umfang vergleichbar mit medienrechtlichen Grundsatzurteilen wie dem Volkszählungsurteil.

Auch wenn wir an dieser Stelle ins Detail gehen wollen, werden wir uns dennoch auf die wichtigsten Punkte konzentrieren müssen. Einen Punkt, den wir außerdem vorerst ausklammern werden, ist die Frage der Zuständigkeit des Gerichts. Vor allem das Landgericht Hamburg hat sich in der Vorinstanz ausführlich mit dieser Frage befasst. Sie könnte vor allem noch ganz entscheidend werden, wenn es darum geht, wie ein deutsches Urteil in der Schweiz – wo Rapidshare seinen Sitz hat – vollstreckt werden soll. Diesen Aspekt versuchen wir so bald wie möglich noch einmal separat aufzugreifen.

Wer verbreitet was?

Der erste größere juristische Aspekt, mit dem sich das Oberlandesgericht befasst, ist die Frage, wer eigentlich wann welche Inhalte öffentlich macht. Das OLG Hamburg hatte im Jahr 2008 entschieden, dass die eigentliche Urheberrechtsverletzung – nämlich die Verbreitung der Raubkopien – bereits dann stattfindet, wenn die Dateien bei Rapidshare hochgeladen werden. Diese Ansicht gibt das Gericht ausdrücklich auf. Seine Argumente an dieser Stelle sind wegweisend für den gesamten Rest der Entscheidung:

„An seiner früheren Rechtsauffassung, ein öffentliches Zugänglichmachen i.S.v. § 19 a UrhG sei bereits mit dem Einstellen der als rechtsverletzend beanstandenden Werke in den Dienst RapidShare verwirklicht, hält der Senat nicht mehr fest. […]

Bei seiner gegenteiligen Rechtsauffassung war der Senat […] davon ausgegangen, dass der Dienst der Beklagten zu 1. ganz überwiegend auf rechtswidrige Nutzung ausgerichtet ist, so dass bereits in einem Upload auf RapidShare letztlich eine eindeutige Zweckausrichtung zu sehen sei, den Link nachfolgend der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vor diesem Hintergrund war es nach Auffassung des Senats gerechtfertigt, den Zeitpunkt des öffentlichen Zugänglichmachens vorzuverlegen. […]

Seitdem haben sich die Nutzungsgewohnheiten im Internet erheblich fortentwickelt. Die Möglichkeiten, Dateien nicht nur (lokal) auf dem eigenen PC, sondern auf Servern dritter Unternehmen (dezentral) „im Netz“ zu speichern, sind seitdem erheblich fortgeschritten und auch offensiv beworben worden.”

„Dieser Wahrnehmung kann sich auch der Senat nicht verschließen”

Ganz ähnlich hatten wir vergangene Woche auch schon bei Telemedicus argumentiert: Die Zeiten ändern sich. Das Speichern von Dateien im Netz ist heute Teil des Alltags. Vor fünf Jahren war das noch anders und entsprechend hatte das OLG Hamburg auch Rapidshare beurteilt.

Die Ansicht, die das OLG Hamburg früher vertrat, war schon damals fragwürdig. Die Argumentation damals: Wer Dateien bei Rapidshare hochlade, werde sie so sicher auch veröffentlichen, dass schon im Upload eine Veröffentlichung zu sehen sei. Dass sich das Oberlandesgericht Hamburg von diesem Argument verabschiedet hat, ist ein ein wichtiger Schritt für Rapidshare.


Screenshot: Rapidshare 2008

Die Richter am 5. Senat des Oberlandesgerichts Hamburg scheinen in den letzten Jahren das Internet besser kennengelernt zu haben. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Entscheidung. Und ihre Erfahrungen im Umgang mit dem Netz scheinen sie nachhaltig geprägt zu haben:

„In der heute propagierten Ära des „Cloud-Computing“, aber auch schon in der vorgelagerten Phase des Übergangs von ausschließlich lokalen zu stärker dezentralisierten Arbeits- und Speichervorgängen liegt es auch für einen ausnahmslos rechtstreuen Nutzer keineswegs mehr fern, z.B. seine Sammlung von Lieblingsmusikstücken bei einem Webhoster zu speichern, um sie überall von seinen Mobilgeräten aus zugänglich zu haben oder nur, um dezentral eine Sicherungskopie vorzuhalten. Denn die unbeschränkte Verfügbarkeit aller Daten überall ist gerade das Charakteristikum der gegenwärtigen IT-Nutzungsgewohnheiten. […]

Zudem wird der Dienst RapidShare – zumindest heute – mit anderen Anbietern legaler Dienstleistungen im Bereich des sog. „Cloud Computing“ zuweilen auf eine Stufe gestellt. Dieser Wahrnehmung kann sich auch der Senat nicht verschließen.”

Das gesamte Geschäftsmodell von Rapidshare werde von der Rechtsordnung nicht gebilligt und sei damit nicht schutzwürdig – so hatte das OLG Hamburg im Jahr 2008 entschieden. Damit ist es vorbei. Ausdrücklich erkennt das Gericht nun an, dass Rapidshare (mittlerweile) auch als Speicher für erlaubte Privatkopien genutzt wird, die nicht einfach als Kollateralschaden behandelt werden dürfen. Der Schutz soll sogar so weit gehen, dass die Rechtsprechung zu Access-Providern entsprechende Anwendung finden soll:

„Diese Rechtsauffassung hat zur Folge, dass die rechtlich – insbesondere auch grundrechtlich – geschützten Interessen der rechtstreuen Nutzer bei dem Dienst RapidShare in entsprechender Weise angemessen beachtet und geschützt werden müssen […]. Die insoweit und zum Beispiel zu Access-Providern ergangene Rechtsprechung hat entsprechende Anwendung zu finden. Vor diesem Hintergrund hält der Senat auch an seiner bisher vertretenen Auffassung nicht mehr fest, das Geschäftsmodell der Beklagten zu 1. verdiene nicht den Schutz der Rechtsordnung. Auch wenn – wovon der Senat weiterhin ausgeht – über den Dienst der Beklagten zu 1. in großem, wenn nicht gar überwiegenden Umfang urheberrechtswidrige Handlungen begangen werden, rechtfertigen die bestehenden legalen Nutzungsmöglichkeiten nicht das einschränkungslose Verdikt der Unzulässigkeit mit der Folge, dass bereits der Upload bei RapidShare einen Rechtsverstoß indiziert.”

Rapidshare und die Störerhaftung

Dennoch ist Rapidshare damit nicht aus der Haftung befreit. Zur Erinnerung: Maßgeblich ist hier die Störerhaftung. Kann Rapidshare dafür verantwortlich gemacht werden, dass Nutzer ihren Dienst missbrauchen? Welche Maßnahmen muss Rapidshare treffen, was ist notwendig und was ist zumutbar?

Häufig wird die Störerhaftung auf eine Faustformel reduziert: Störer ist, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – willentlich und adäquat-kausal zu einer Rechtsverletzung beiträgt. Vor allem in den letzten Jahren ist die Lage jedoch bedeutend komplizierter geworden. Die Störerhaftung ist ein kompliziertes Geflecht aus Prüfungs-, Verhaltens- und Verkehrspflichten, aus Vermittlerrollen, aktivem Tun und passivem Dulden geworden – geprägt durch deutsche wie europäische Rechtsprechung. Dementsprechend zieht das OLG Hamburg seine Prüfung der Störerhaftung von Rapidshare völlig neu auf.

An dieser Stelle wird das Urteil extrem ausführlich und komplex.

Die Rolle von Rapidshare

Die erste Frage, die sich das OLG Hamburg stellt, ist die Rolle von Rapidshare. Denn bei der Störerhaftung kommt es ganz wesentlich darauf an, ob der Betreiber einer Online-Plattform ein „neutraler Vermittler” ist, oder eine „aktive Rolle” einnimmt.

Grundlage für diese Unterscheidung ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof im Fall L’Oreal/eBay, der etwas abgewandelt auf den Punkt brachte, was deutsche Gerichte schon über Jahre entwickelt hatten: Welche Prüfungs- und Sorgfaltspflichten ein Anbieter erfüllen muss, hängt davon ab, welche Rolle er bei der Rechtsverletzung gespielt hat.

Ob ein Anbieter nun Vermittler oder Akteur ist, hängt von sehr feinen Details ab, die das OLG Hamburg lesenswert herausarbeitet. Letztlich kommt es zu dem Schluss:

„Auch bei Diensten der hier vorliegenden Art geht es für die Frage, ob sie eine „aktive Rolle“ im Sinne der zitierten Rechtsprechung einnehmen, entscheidend darum, ob der Anbieter versucht, aus dem Angebot potentiell rechtsverletzender Güter bzw. Leistungen über seinen Dienst eigene finanzielle Vorteile zu ziehen, die ihm in dieser Form nicht zukämen, wenn er sich auf eine rein neutrale Vermittlerrolle beschränken würde.”

Entscheidend sei deshalb, ob Rapidshare „tendenziös” auf seine Nutzer Einfluss genommen hat, um sie zu Rechtsverletzungen zu bewegen, von denen Rapidshare indirekt profitiert. Hier ergab sich ein Problem, das wir auch schon vergangene Woche angesprochen haben: Schon vor einiger Zeit hat Rapidshare erkannt, dass es an genau dieser Stelle auf Details ankommt und hat entsprechend seine Kommunikation gegenüber den Nutzern verändert. So kommt dann auch das OLG Hamburg zu dem Schluss:

„Zum Zeitpunkt der Verletzungshandlungen hatte die Beklagte zu 1, ihren Dienst aus Sicht der angesprochenen Benutzer zumindest auch maßgeblich auf die massenhafte Begehung von Urheberrechtsverletzungen ausgerichtet. […]

Allerdings trifft zu, dass die Beklagte zu 1. diese Art der Bewerbung offensichtlich rechtswidriger Aktivitäten in der Folgezeit eingestellt hat. Zwischenzeitlich […] stellt sich die Beklagte zu 1. als weitgehend neutraler Anbieter dar, der in eine Reihe mit anderen seriösen Dienstleistern zum Beispiel im erweiterten Bereich des Cloud-Computing gestellt werden möchte. ”

Auch ein Bonus-System, das Rapidshare früher betrieben hatte, wurde mittlerweile eingestellt. Ein Großteil der Argumente, die das Gericht im Folgenden aufführt, werden Rapidshare im aktuellen Verfahren zum Verhängnis – spielen heute aber für Rapidshare keine Rolle mehr.

Doch dann findet das Gericht doch noch einen Punkt, mit dem es Rapidshare wahrscheinlich auch in Zukunft noch verurteilen könnte: Die Anonymität der Nutzer.

„Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen bleibt […] aber der Umstand, dass die Beklagten ihren Nutzern ein Handeln letztlich in vollständiger Anonymität ermöglichen. Hierdurch bieten die Beklagten unverändert einen sehr hohen Anreiz für die Begehung von Urheberrechtsverletzungen […]. Denn die Nutzer können praktisch sicher sein, selbst im Fall einer eindeutig belegten Urheberrechtsverletzung nicht von dem Rechteinhaber belangt […] werden zu können. Ein Geschäftsmodell, das seinen Nutzern derart umfassend Schutz vor Entdeckung bietet, ist für die Verfolgung ausschließlich bzw. überwiegend legaler Zwecke weder erforderlich noch zweckmäßig. Insoweit verlässt der Dienst RapidShare eindeutig eine neutrale Vermittlerfunktion. ”

Die Anonymität im Netz – das Godwin’sche Gesetz jeder juristischen Diskussion über das Internet. Wann immer es um die Frage geht, wie weit Anonymität im Netz gelten darf, kommt eine Vorschrift des Telemediengesetzes ins Spiel, auf die sich auch Rapidshare berufen hatte: § 13 Abs. 6 TMG.

Danach haben Anbieter die Nutzung ihrer Dienste „anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen” – soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Diese letzte Einschränkung war dann auch der Angriffspunkt für das OLG Hamburg:

„Daraus folgt, dass […] kein Zwang besteht, eine anonyme Nutzungsmöglichkeit bereitzustellen, sondern auch diese Option unter der Voraussetzung der Zumutbarkeit steht. Jedenfalls diese Voraussetzung ist in Ansehung der Gefahrgeneigtheit des Geschäftsmodells der Beklagten hier ersichtlich nicht erfüllt.”

Diese Ansicht ist durchaus angreifbar. Denn die Frage ist, auf wen sich diese „Zumutbarkeit” bezieht. Geht es um den Diensteanbieter, für den es zumutbar sein muss, eine anonyme Nutzung zu ermöglichen? Oder muss sie für die Allgemeinheit zumutbar sein? Oder für sonstige Dritte, wie zum Beispiel Inhaber von Urheberrechten, die verletzt werden?

Während das OLG Hamburg in seiner Entscheidung auf alle Aspekte sehr ausführlich eingeht, bleibt es hier recht kurz angebunden. Und das macht die Argumentation angreifbar. Denn genau an dieser Stelle schafft das Gericht dann doch noch den Schritt, Rapidshare nicht mehr als „neutralen Vermittler” einzustufen. Die anonyme Nutzung biete Anreize für Urheberrechtsverletzungen und dadurch gerade Rapidshare in eine „aktive Rolle”.

Prüfungspflichten

Und weil Rapidshare eine „aktive Rolle” bei der Verbreitung von Inhalten spielt, sind dem Dienst auch allerhand Prüfungspflichten zuzumuten. Hier schließt sich jedoch der Kreis: Denn anders als in seiner früheren Entscheidung ging das OLG Hamburg ja nun davon aus, dass erst das Verbreiten der Links eine Urheberrechtsverletzung darstellt – der Upload der Dateien kann Rapidshare nicht vorgeworfen werden.

Dementsprechend fallen alle Prüfungspflichten weg, die sich auf das Speichern von Dateien beziehen. Eine Prüfung von Uploads muss Rapidshare also nicht vornehmen. Was aber bleibt, um die Verbreitung von Links zu unterbinden? Die Überwachung von Links und Webseiten, auf denen Links verbreitet werden. Und so gibt das OLG Hamburg Rapidshare mehrere konkrete Maßnahmen auf, um ein entsprechendes Monitoring durchzuführen:

  • Wird ein rechtswidriger Link gemeldet, müssen auch ähnliche Links gesucht und überwacht werden, die das selbe geschützte Werk enthalten könnten.
  • Beim Überwachen von Linklisten dürfen nicht nur die Links selbst geprüft werden – die Dateinamen können ja unverfänglich sein – sondern auch das „Umfeld” muss geprüft werden. Also: Seiten lesen, nicht nur nach Links scannen.
  • Rapidshare darf sich nicht nur auf bekannte Linklisten beschränken, sondern hat eine allgemeine „Marktbeobachtungspflicht”. Nicht nur einzelne Seiten müssen im Auge behalten werden, sondern auch die Entwicklungen in der Szene.

Fazit

Auch wenn Rapidshare nicht vollends aus der Haftung entlassen wurde, ist es schon erstaunlich, wie das Oberlandesgericht Hamburg seine eigene Argumentation auf den Kopf gestellt hat. In mindestens drei elementaren Punkten hat sich das Gericht ausdrücklich von seiner alten Auffassung gelöst. Ausführlich erklärt das Gericht, wie es zu seiner gewandelten Überzeugung gelangt ist. Cloud Computing „ist den Senatsmitgliedern aus eigener Kenntnis bekannt”.

Die Entscheidung selbst geht in eine Tiefe, die ungewöhnlich ist. Das Oberlandesgericht geht bis auf die Grundlagen zurück, um sich dann Schritt für Schritt zum Kern des Problems vorzuarbeiten. Über weite Teile ist die Argumentation konsequent und nachvollziehbar. Bis sie an einer Stelle kippt, als es um die Anonymität bei Rapidshare geht. Hier macht es sich das Gericht zu einfach, wenn es sagt, dass eine anonyme Nutzung bei Rapidshare unzumutbar wäre – weil Rapidshare gefährlich ist.

In der Sache hat das OLG Hamburg damit nicht ganz unrecht. Sicher ist die Anonymität Voraussetzung dafür, dass ein Hoster für Urheberrechtsverletzungen in nennenswertem Umfang genutzt oder missbraucht wird. Und sicher ist der seriöse Anstrich von Rapidshare wenig glaubwürdig, solange sich der Hoster schützend vor seine anonymen Nutzer stellt. Aber der Grund, warum das Telemediengesetz die Anonymität vorschreibt, ist ein völlig anderer: Die Anonymität soll den Nutzer schützen. Man kann den Bundesgerichtshof gar nicht oft genug zitieren, der in seiner Spickmich-Entscheidung schrieb:

„Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde allgemein die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegen gewirkt werden”

Sicher ist die Anonymität ein zweischneidiges Schwert. Und man kann dem OLG Hamburg nicht vorwerfen, dass es die Anonymität im Fall Rapidshare kritisch sieht. Es macht einen Unterschied, ob man die Anonymität nutzt, um Rechtsverletzungen zu begehen, oder ob man sie nutzt, um seine Meinung frei zu äußern. Aber die Begründung, mit der das OLG Hamburg das Recht auf Anonymität übergeht, wird der Tragweite dessen nicht gerecht. Und so hat Rapidshare auch bereits angekündigt, gegen das Urteil Revision einzulegen.

Obwohl es seine Schwachstellen hat: Das Oberlandesgericht Hamburg hat eines der fachlich tiefgehendsten Urteile der letzten Jahre gefällt. Das Ergebnis mag für Rapidshare nicht optimal sein. Aber das OLG Hamburg hat sich sehr genau damit befasst, was möglich, nötig und sinnvoll ist, um einen vernünftigen Ausgleich zwischen Rapidshare und den Vertretern der Urheber zu finden. Das Ergebnis sind Vorgaben, die in der Praxis bestehen können.

Das Urteil des OLG Hamburg vom 14. März 2012, Az. 5 U 87/09 im Volltext.
Das Staffelfinale im Fall Rapidshare.

, Telemedicus v. 29.03.2012, https://tlmd.in/a/2229

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