Die Bundesregierung hat gestern einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Jugendschutzgesetzes beschlossen. Laut einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) soll der Entwurf den Schutz von Kindern und Jugendlichen "vor medialen Gewaltdarstellungen, insbesondere vor gewaltbeherrschten Computerspielen" ermöglichen. Das Gesetzgebungsverfahren soll Anfang 2008 abgeschlossen sein.
Die wesentlichen Inhalte des Entwurfs:
1. Erweiterung von § 15 Abs. 2 JuSchG
Der Katalog der schwer jugendgefährdenden Trägermedien in § 15 Abs. 2 JuSchG soll erweitert werden. Zukünftig sollen auch solche Trägermedien kraft Gesetzes indiziert sein, die "besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, die das Geschehen beherrschen".
2. Erweiterung der Indizierungskriterien
Die gesetzlich genannten Kriterien für die Aufnahme jugendgefährdender Medien in die Liste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM), die in § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG genannt sind, sollen "erweitert und präzisiert" werden. Als jugendgefährdend sollen zukünftig auch solche Medien gelten, "in denen Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden oder Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe gelegt wird".
3. Vorgaben für die Gestaltung der FSK-/USK-Alterskennzeichnungen
Die Alterskennzeichnungen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) und der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) sollen zukünftig auf den Verpackungen mindestens 1200 Quadratmillimeter groß sein – das entspricht etwa der Grundfläche von zwei kleinen Briefmarken. Auf den Bildträgern soll die Kennzeichnung mindestens 250 Quadratmillimeter umfassen.
Kommentar von Benjamin Küchenhoff
Der neue Entwurf der Bundesregierung entspricht weitgehend einem vorangegangenen Entwurf des BMFSFJ, der im September bekannt wurde. Nicht mehr enthalten ist allerdings die umstrittene "Testkäufer"-Regelung, mit der die Ordnungsämter ermächtigt werden sollten, die Einhaltung der Vorschriften durch Testkäufe von Kindern und Jugendlichen zu überprüfen.
Ob der Wortlaut der neuen Regelungen den Zweck erfüllen kann, bleibt abzuwarten. Die verwendeten Rechtsbegriffe erscheinen teilweise lückenhaft oder zumindest wenig griffig. Dass mit der "Gewalt" lediglich Gewalt gegen Menschen, nicht aber gegen Sachen gemeint ist, lässt sich beispielsweise nur mittelbar dadurch erschließen, dass sie entweder "grausam" sein muss (Punkt 1) oder in Bezug zu "Mordszenen" gesetzt wird (Punkt 2). Unklar bleibt zudem, ob auch Gewalt gegen Tiere oder "menschenähnliche Wesen" umfasst sein soll.
Schwerer wiegt allerdings die Verwendung zahlreicher allzu unbestimmter Rechtsbegriffe. Eine eindeutige Präzisierung erscheint hier kaum möglich. Mit "Metzelszene" könnte einerseits die Darstellung von Gewalt gegen eine Vielzahl von Menschen gemeint sein, andererseits aber auch die Wiedergabe besonders blutiger Gewaltszenen. Unklar ist ebenfalls, was "reißerisch" bedeuten soll; ob hier die Maßstäbe für "reißerische Werbung" aus dem Wettbewerbsrecht übernommen werden können, erscheint wegen der unterschiedlichen Bezüge (Gewaltdarstellung einerseits, Werbung andererseits) zweifelhaft. Hier drohen Konflikte mit dem grundgesetzlichen Gebot der Bestimmtheit und Klarheit von Rechtsnormen. Der Begriff der "selbstzweckhaften Gewalt" ist insoweit ebenfalls missverständlich, als dass Gewalt in Computerspielen zumindest den Zweck hat, das Spielgeschehen abzubilden und – sofern vom Spieler selbst ausgeübt – voranzubringen. Als "Zweck" müsste, wenn die Vorschrift überhaupt einen Anwendungsbereich besitzen soll, einschränkend nur ein Zweck auf der Erzähl-Ebene, nicht aber auf der Erzähler-Ebene anzusehen sein.
Die Einordnung solcher Darstellungen als potenziell jugendgefährdend, welche "Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit" nahelegen, reicht demgegenüber sehr weit, so dass gefragt werden muss, ob nicht sogar vollkommen harmlose Darstellungen umfasst werden – immerhin haben auch Mario und Luigi die Riesenschildkröte nicht verklagt oder angezeigt, sondern die Prinzessin auf eigene Faust befreit.
Der Entwurf – bzw. die Teile, die bisher bekannt sind – zeigt erneut die Überforderung des Gesetzgebers im Umgang mit gewalttätigen Computerspielen. Unverstand gegenüber einem neuen Unterhaltungsgenre? Vielleicht, aber vor allem ist es die Vielfalt der Darstellungsformen, die eine sachgerechte juristische Unterscheidung erschwert. Mit dem neuen Entwurf scheint sie nur teilweise gelungen zu sein.