Am Montag wurde im Amtsblatt der Europäischen Union die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher (2011/83/EU) veröffentlicht. Die Nationalstaaten haben nun bis zum 13. Dezember 2013 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Mit der Verbraucherrechte-Richtlinie kommen zahlreiche Neuerungen auf Verbraucher und Shop-Betreiber zu.
Vollharmonisierung
Die Verbraucherrechte-Richtlinie verfolgt ein großes Ziel: Die Vollharmonisierung des E-Commerces in Europa. Viele Regelungen, die bislang Spielraum für die nationalen Gesetzgeber ließen, wurden nun eindeutiger gefasst. Verbraucher sollen sich in Zukunft darauf verlassen können, dass alle wesentlichen E-Commerce-Vorschriften überall in der EU gleich sind. Umgekehrt soll auch für Shop-Betreiber der grenzüberschreitende Handel innerhalb der EU bedeutend vereinfacht werden.
Button-Lösung
Die Verbraucherrechte-Richtlinie sieht eine Art Button-Lösung vor, wie sie auch in Deutschland schon diskutiert wurde. Die Idee dahinter: Um Verbraucher vor Abofallen zu schützen, müssen sie beim Bestellvorgang ausdrücklich darauf hingewiesen werden, wenn durch einen Klick eine Zahlungsverpflichtung entstehen soll. In der Richtlinie heißt es in Art. 8 Abs. 2 dazu:
„Der Unternehmer sorgt dafür, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist. Wenn der Bestellvorgang die Aktivierung einer Schaltfläche oder eine ähnliche Funktion umfasst, ist diese Schaltfläche oder entsprechende Funktion gut lesbar ausschließlich mit den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu kennzeichnen, die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist. Wenn der Unternehmer diesen Unterabsatz nicht einhält, ist der Verbraucher durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden.”
Eine Formulierung fällt dabei besonders auf: Der Verbraucher soll durch den Vertrag „nicht gebunden sein”. Was genau das heißt, lässt die Richtlinie offen. Die Bundesregierung hatte für Deutschland vorgeschlagen, dass im Fall eines fehlenden Hinweises auf die Zahlungspflicht kein Vertrag zustande kommen soll. Das könnte allerdings für den Verbraucher auch einige negative Folgen haben. Die Formulierung aus der Richtlinie, dass der Verbraucher nicht gebunden sein soll, deutet hingegen eher auf eine Art Widerrufsrecht hin. Schließlich soll nach dem Wortlaut nur der Verbraucher nicht gebunden sein – der Unternehmer hingegen schon. In Erwägungsgrund 39 heißt es dazu:
„Es ist wichtig, dass sichergestellt wird, dass die Verbraucher bei Fernabsatzverträgen, die über Webseiten abgeschlossen werden, in der Lage sind, die Hauptbestandteile des Vertrags vor Abgabe ihrer Bestellung vollständig zu lesen und zu verstehen. Zu diesem Zweck sollte in dieser Richtlinie dafür Sorge getragen werden, dass diese Vertragsbestandteile in unmittelbarer Nähe der für die Abgabe der Bestellung erforderlichen Bestätigung angezeigt werden. Es ist außerdem wichtig, in Situationen dieser Art sicherzustellen, dass die Verbraucher den Zeitpunkt erkennen, zu dem sie gegenüber dem Unternehmer eine Zahlungsverpflichtung eingehen. Aus diesem Grunde sollte die Aufmerksamkeit der Verbraucher durch eine unmissverständliche Formulierung auf die Tatsache gelenkt werden, dass die Abgabe der Bestellung eine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer zur Folge hat.”
Welche genauen Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die „Button-Lösung” haben soll, bleibt an dieser Stelle also offen.
Klarstellung zu M-Commerce
Vor allem im mobilen E-Commerce stellt sich oft das Problem, dass die zahlreichen Informationspflichten kaum sinnvoll zu erfüllen sind. In Erwägungsgrund 36 heißt es dazu in der Richtlinie:
„Bei Fernabsatzverträgen sollten die Informationspflichten so angepasst werden, dass den technischen Beschränkungen, denen bestimmte Medien unterworfen sind, Rechnung getragen werden kann, wie zum Beispiel der beschränkten Anzahl der Zeichen auf bestimmten Displays von Mobiltelefonen oder dem Zeitrahmen für Werbespots im Fernsehen. In diesen Fällen sollte sich der Unternehmer an Mindestanforderungen hinsichtlich der Information halten und den Verbraucher an eine andere Informationsquelle verweisen, beispielsweise durch Angabe einer gebührenfreien Telefonnummer oder eines Hypertext-Links zu einer Webseite des Unternehmers, auf der die einschlägigen Informationen unmittelbar abrufbar und leicht zugänglich sind.”
14 Tage Widerrufsrecht
Artikel 9 Abs. 1 der Richtlinie:
„Sofern nicht eine der Ausnahmen gemäß Artikel 16 Anwendung findet, steht dem Verbraucher eine Frist von 14 Tagen zu, in der er einen Fernabsatz- oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag ohne Angabe von Gründen und ohne andere Kosten als in Artikel 13 Absatz 2 und Artikel 14 vorgesehen widerrufen kann.”
Das ist für Deutschland zunächst nicht neu. Schon jetzt besteht ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Neu ist allerdings, dass der Zeitraum von 14 Tagen nun in der Europäischen Union einheitlich geregelt ist. Bislang sieht die Fernabsatzrichtlinie (97/7/EG) ein Widerrufsrecht von mindestens 7 Tagen vor. Das hat zur Folge, dass etwa in Spanien ein siebentägiges Widerrufsrecht besteht, der Verbraucher in Italien dagegen zehn und in Deutschland sogar 14 Tage Zeit hat. Mit der neuen Verbraucherrechte-Richtlinie wird sich das ändern.
Ein weiterer Vorteil speziell für deutsche Shop-Betreiber: Nach Art. 9 Abs. 2b) der Verbraucherrechte-Richtlinie beginnt die Widerrufsfrist einheitlich mit dem Erhalt der Ware zu laufen. In Deutschland gab es an dieser Stelle häufig Probleme. Denn nach § 355 Abs. 3 BGB beginnt die Frist erst dann, wenn der Verbraucher ordnungsgemäß über seine Rechte informiert wurde. Das kann zur Folge haben, dass die Widerrufsfrist bei einer falschen Belehrung nie zu laufen beginnt – es kann also eine Art unendliches Widerrufsrecht entstehen (siehe z.B. BGH, Az. VIII ZR 103/10, Urt. v. 02.02.2011). Damit soll bald Schluss sein. Stattdessen soll sich die Widerrufsfrist bei fehlender oder falscher Belehrung auf 12 Monate verlängern (Art. 10 der Verbraucherrrechte-Richtlinie).
Erklärung des Widerrufs
Neu sind auch Regelungen zur Art und Weise wie der Widerruf künftig erklärt werden kann. Grob gesagt bleibt es dabei, dass es keine echten Formvorschriften für Verbraucher gibt. Zwar stellt die Richtlinie ein Musterformular zur Widerrufserklärung bereit, der Verbraucher kann seinen Widerruf aber trotzdem auch per E-Mail, telefonisch oder durch Rücksendung der Ware – verbunden mit einem Hinweis auf seinen Widerruf – erklären. In Erwägungsgrund 44 heißt es dazu:
„Die Einführung eines harmonisierten Musterformulars für den Widerruf, das der Verbraucher benutzen kann, sollte das Widerrufsverfahren vereinfachen und für Rechtssicherheit sorgen. Aus diesen Gründen sollten die Mitgliedstaaten über das unionsweit einheitliche Musterformular hinaus keine weiteren Anforderungen an die optische Gestaltung des Widerrufs — etwa in Bezug auf die Schriftgröße — stellen. Dem Verbraucher sollte es jedoch nach wie vor freistehen, den Vertrag mit seinen eigenen Worten zu widerrufen, vorausgesetzt, seine an den Unternehmer gerichtete Erklärung, aus der seine Widerrufsentscheidung hervorgeht, ist unmissverständlich. Diese Anforderung könnte durch einen Brief, einen Telefonanruf oder durch die Rücksendung der Waren, begleitet von einer deutlichen Erklärung, erfüllt sein”
Hervorhebung nicht im Original
Kosten von Hin- und Rücksendung
Muss der Verkäufer beim Widerruf auch die Versandkosten erstatten? Und wer trägt die Kosten für die Rücksendung der Ware? Um die Kosten von Hin- und Rücksendung beim Widerruf gab es in den vergangene Jahren immer wieder Ärger.
Die bisher geltende Fernabsatzrichtlinie ist diesbezüglich nicht eindeutig: Zwar dürfen die Kosten für die Rücksendung der Ware dem Verbraucher auferlegt werden, zwingend ist das aber nicht. In Deutschland hat das zur sog. 40-Euro-Klausel (§ 357 Abs. 2 S. 3 Alt. 1 BGB) geführt: Nur wenn der Warenpreis unter 40 Euro liegt, dürfen die Rücksendekosten auf den Verbraucher abgewälzt werden. Andernfalls muss der Unternehmer die Kosten tragen.
Was die Erstattung der Hinsendekosten – also die Kosten der ursprünglichen Lieferung – betrifft hat der EuGH im April 2010 für eine Klärung gesorgt: Übt ein Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, muss der Unternehmer auch die Versandkosten erstatten. Ein wesentliches Argument des EuGH: In der Regel muss der Verbraucher nach dem Willen der Fernabsatzrichtlinie die Kosten für die Rücksendung tragen. Da ist es nur gerecht, wenn der Verkäufer dafür die Versandkosten erstatten muss. Das Problem: Mit der deutschen 40-Euro-Klausel wird diese Argumentation unterlaufen. Der Verbraucher muss schließlich nur bei Waren unter 40 Euro die Rücksendekosten tragen. In allen anderen Fällen, muss der Verkäufer also sowohl Hin- als auch Rücksendekosten tragen.
Dieses Problem soll durch die Verbraucherrechte-Richtlinie gelöst werden. In Zukunft soll der Verbraucher einheitlich die Kosten für die Rücksendung der Waren bezahlen (Art. 14 Abs. 1, 2. Teil), im Gegenzug muss der Verkäufer die Hinsendekosten zurückerstatten (Art. 13 Abs. 1). Es gelten allerdings zwei Einschränkungen:
Frist für Rückzahlung
Der Unternehmer muss den Kaufpreis im Fall des Widerrufs innerhalb von 14 Tagen zurückerstatten. Und zwar auf dem selben Weg, wie er den Kaufpreis erhalten hat. Wer also über Paypal bezahlt, erhält sein Geld auch über Paypal zurück (Art. 13 Abs. 1). Allerdings hat der Verkäufer bei Kaufverträgen ein Leistungsverweigerungsrecht, bis die Ware wieder bei ihm eingegangen ist (Art. 13 Abs. 3).
Fazit
Die Verbraucherrechte-Richtlinie enthält viele sinnvolle Änderungen. Für Shop-Betreiber dürften vor allem die Regelungen zu Hin- und Rücksendekosten eine Entlastung bedeuten. Und auch Verbraucher profitieren von europaweit einheitlichen Regelungen zum Widerrufsrecht. Dem EU-weiten Handel werden mit der Richtlinie einige Steine aus dem Weg geräumt.
Unklar ist hingegen, was genau die Button-Lösung bewirken soll. Die Erwägungsgründe sind oberflächlich und wenig hilfreich, eine der wichtigstens Fragen – nämlich die der Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die Vorschrift – ist völlig offen. Klar ist, dass es die EU mit vielen verschiedenen Rechtsordnungen zu tun hat – allzu präzise können die Vorgaben zur Rechtsfolge also gar nicht sein. Dennoch bleiben mehr Fragen offen, als beantwortet werden: Ist nur der Verbraucher nicht an den Vertrag gebunden, wenn die Button-Beschriftung fehlerhaft ist? Muss der Unternehmer dennoch leisten? Und wer trägt die Kosten für die Rückabwicklung? Muss der Verbraucher Wertersatz leisten? All diese Fragen sind offen und werden in der Praxis sicher noch für Ärger sorgen.
Neben den hier dargestellten Neuerungen gibt es noch eine ganze Reihe kleinerer und größerer Details, die mit der Verbraucherrechte-Richtlinie angepasst und ergänzt wurden. Eine hervorragende Übersicht bietet dazu das Shopbetreiber-Blog:
EU-Verbraucherrechterichtlinie verabschiedet – Endlich wird europaweiter Onlinehandel möglich.