LMS: Privater Rundfunk vernachlässigt seine öffentliche Aufgabe
Der Medienrat der Landesmedienanstalt Saarland (LMS) hat die privaten Rundfunkanbieter aufgefordert, sich wieder auf ihre öffentliche Aufgabe zu besinnen, namentlich der Wahrnehmung von Allgemeininteressen (sog. public value).
Die Experten des Medienrates befürchten, dass aufgrund des übermäßigen Renditestrebens der großen privaten Rundfunkveranstalter, die Programmqualität immer weiter abnehmen wird. Angesichts der Tatsache, dass private Programme für bestimmte Teile der Bevölkerung faktisch eine Art von Grundversorgung übernommen hätten, sei diese Entwicklung umso bedenklicher.
Umfang der öffentlichen Aufgabe für private Anbieter umstritten
Zwei zusammenhängende Entwicklungen könnten dafür sorgen, dass das duale System in eine Schieflage gerate: Durch das Beihilfeverfahren und die daraus resultierende Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Sender ihren gesellschaftlichen Mehrwert (public value), unter Mitwirkung externer Institutionen bestimmen zu lassen, könnte irrtümlich geschlossen werden, dass public value ausschließlich mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk erreicht werden könne. Zugleich deuteten Entwicklungen im privaten Fernsehen darauf hin, dass versucht werde, sich von der Mitwirkung an der Sicherung der Meinungsvielfalt loszusagen. Angesichts der neuen ausschließlich renditeorientierten Geschäftsmodelle, stelle sich die Frage, ob der private Rundfunk sich seiner Doppelnatur als Kultur- und Wirtschaftsgut entledigen möchte. Bei einem ausschließlich renditeorientierten Verhalten der Rundfunkveranstalter sei das für die demokratische Gesellschaft besonders wichtige Ziel der inhaltlichen Vielfalt gefährdet. Es stehe den Eigentümern des privaten Rundfunks aber nicht frei, sich von diesen Auflagen aufgrund ökonomischer Zwänge zu verabschieden.
Die LSM fordert daher auch von den privaten Rundfunkanbieter einen public value-Test: Rundfunkprogramme hätten – wie erst jüngst das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngsten Entscheidung vom 11. September 2007 betont habe – im Vergleich zu anderen Gütern nicht nur ökonomische Eigenschaften. Daher sei auch die Lizenzerteilung und damit die Erlaubnis für die Veranstaltung von privatem Rundfunk an die Beteiligung bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe gebunden. Es gehöre zu den häufig anzutreffenden Irrtümern, dass privatwirtschaftlicher Rundfunk lediglich der Gewinnmaximierung diene und keinen Auftrag zu erfüllen habe. Zwar habe der werbefinanzierte private Rundfunk, im Gegensatz zur Grundversorgungsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nur eine publizistische Ergänzungsfunktion. Die privatwirtschaftliche Finanzierung habe aber keineswegs zur Folge, dass sich der private Rundfunk nur noch auf ökonomische, gewinnorientierte Überlegungen und damit auf massenattraktive Programme beschränken dürfte. Vielmehr müssten auch die privaten Programme in angemessener Weise über gesellschaftlich relevante Themen aus Politik, Wirtschaft, Kultur berichten. Rundfunk in Deutschland müsse unabhängig von der Art seiner Finanzierung, auch in wirtschaftlich schwierigen Phasen, der Gewährleistung der Meinungsbildungsrelevanz dienen.
Was ist ein Vollprogramm
Angesichts fehlender Festlegungen im Gesetz und der Rechtsprechung, stelle sich zudem die Frage wie man ein Vollprogramm definieren solle: Entscheidend sei die Mischung des Programms. Während gerade Unterhaltungsangebote bei den privaten Veranstaltern im Regelfall nicht unterrepräsentiert seien, müsse darauf geachtet werden, dass auch Programmbestandteile wie Information und Kultur angemessen vertreten seien. Gefahren für die Vielfaltssicherung lägen insbesondere in den besonderen Vermittlungsformen der privaten Anbieter. Bedenklich seien sowohl die „boulevardesken Informations- und Kulturangebote“ als auch „wirklichkeitsverzerrende Darstellungsweisen mit Hang zum Sensationellen und Skandalösen“. Hinzu käme der durch die Werbefinanzierung ausgelöste Trend zur Massenattraktivität und die damit einhergehenden Standardisierung des Angebots.
Auch das Outsourcing gewisser Programmbereiche in Spartenkanälen (Information, Kinder, Wirtschaft) – wie im Übrigen auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk -, rechtfertige es nicht, diese dafür in Vollprogrammen nicht mehr vorzusehen. Insbesondere denjenigen Programmen, die zehn Prozent und mehr des Publikums erreichen, falle die Verpflichtung zu, für die Menge eines solchen Publikums ein Gesamtangebot zu machen. Programme mit einem Zuschauermarktanteil von zehn Prozent und mehr hätten für bestimmte Teile der Bevölkerung faktisch eine Art von Grundversorgung übernommen. Allein der Umstand, dass große private Fernsehveranstalter für bestimmte Altersgruppen mittlerweile die einzigen Fernsehsender geworden seien, zwinge sie dazu, einen zwar reduzierten, aber im Grundsatz nicht diskutablen Grundversorgungsauftrag für sich zu akzeptieren. Die Nutzerforschung habe erwiesen, dass die Zuschauer in der Regel nur sehr wenige Programme nutzen. Was in diesen wenigen Programmen nicht zu finden sei, hätte keine Chance, sie zu erreichen.
Fazit
Die LMS zeigt sich über die Entwicklungen im deutschen Fernsehmarkt schon seit längerer Zeit besorgt: Erst unlängst lieferte sie sich mit der Landesmedienanstalt von Rheinland-Pfalz (LMK) einen heftigen Schlagabtausch (Telemedicus berichtete). Die LMS vertrat die Ansicht, das Sat. 1 angesichts der Streichung diverser Informationsformate der Status als Vollprogramm entzogen werden müsse. Die LMK widersprach und verwies auf die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen. Würde man die Maßstäbe der LMS anwenden, müsste sämtlichen in Deutschland zugelassenen Vollprogrammen dieser Status umgehend aberkannt werden. In dem vorliegenden Strukturpapier scheint die LMS diese Diskussion fortführen zu wollen.
Zur Stellungnahme der LMS (pdf).
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