Heute hat das BVerfG den § 6 Abs. 2 Nr. 4 des Hessischen Privatrundfunkgesetzes (HPRG) für verfassungswidrig erklärt. Die Norm verbot Parteien jede direkte und indirekte Beteiligung an privaten Rundfunkunternehmen. Dieses absolute Verbot ist nach Ansicht des Gerichts mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren. Damit gibt es den 232 Bundestagsabgeordneten Recht, die den Antrag auf eine Normenkontrolle gestellt hatten.
Auslöser der Klage war die Aufforderung der „Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk“ an die „Deutsche Druckerei und Verlagsgesellschaft“ (DDVG), ihre Beteiligung von 2, 3444 % an dem Radiosender FFH aufzugeben. Die DDVG befindet sich über ein Treuhandverhältnis faktisch im Eigentum der SPD. Bis zum 30. Juni 2009 muss der Landesgesetzgeber nun eine neue Regelung erlassen.
Formelle Verfassungsmäßigkeit…
Die Antragsteller waren der Ansicht, die Norm des HPRG sei schon formell verfassungswidrig: der Landesgesetzgeber hätte sie nämlich gar nicht erlassen dürfen. Regelungen über Parteien fielen gemäß Art. 21 Abs. 3 GG in die Kompetenz des Bundes. Dem folgten die Richter in Karlsruhe nicht:
Entgegen der Auffassung der Antragsteller wird mit der angegriffenen Vorschrift keine Neubestimmung der Rechtsposition politischer Parteien bezweckt. (…) Im Zusammenhang mit den weiteren in § 6 Abs. 1 und 2 HPRG geregelten besonderen Zulassungsbedingungen, durch die unter anderem auch andere staatsnahe natürliche und juristische Personen aus dem Kreis der Rundfunkveranstalter ausgeschlossen werden, wird deutlich, dass es um eine umfassende Regelung zur Gewährleistung der Staatsferne des Rundfunks geht.
Die Regelung ist also dem Rundfunk- und somit Landesrecht zuzuordnen. Weil sie generell die Beteiligung von Parteien am Rundfunk regle, liege auch kein nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verbotenes Einzelfallgesetz vor.
…aber materiell verfassungswidrig.
Dennoch verstößt das Verbot nach Ansicht des Gerichts gegen das Grundgesetz. Betroffen sind die Rundfunkfreiheit und die geschützte Stellung der Parteien (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 iVm Art. 21 Abs. 1 GG). Die Rundfunkfreiheit enthält einen Auftrag an den Staat, einen freien Rundfunk zu gewährleisten. Dazu gehören auch Vorkehrungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt und der Staatsferne: Jede politische Instrumentalisierung des Rundfunks soll ausgeschlossen werden. Laut dem Urteil gilt das auch für politische Parteien. Diese seien zwar kein Teil des Staates, wiesen jedoch ein gewisse Staatsnähe auf:
Sie sind ihrem Wesen nach auf die Erlangung staatlicher Macht ausgerichtet und üben entscheidenden Einfluss auf die Besetzung der obersten Staatsämter aus. Die Parteien beeinflussen die Bildung des Staatswillens, indem sie in die staatlichen Institutionen hineinwirken, vor allem durch Einflussnahme auf die Beschlüsse und Maßnahmen von Parlament und Regierung. Hierbei kommt es zu personellen Überschneidungen zwischen politischer Partei und Staatsorgan.
Bei den gesetzlichen Zulassungsregelungen zum privaten Rundfunk sind jedoch auch die grundrechtlichen Positionen der Parteien zu beachten:
Die Kommunikationsfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 GG ergänzen die besondere, durch den Mitwirkungsauftrag des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG geprägte Funktion der Parteien. Die Parteien sind dabei mehr als ein Sprachrohr des Volkes, sie werden auch als Mittler tätig: Sie sammeln die auf politische Macht und deren Ausübung gerichteten Meinungen, Interessen und Bestrebungen, gleichen sie in sich aus, formen sie und versuchen, ihnen auch im Bereich der staatlichen Willensbildung Geltung zu verschaffen.(…) Innerhalb dieses von den Parteien vermittelten mehrdimensionalen Prozesses steht es den Parteien frei, ob und, wenn ja, welcher Medien sie sich zur Erfüllung dieses Auftrags innerhalb der verfassungsrechtlich gesetzten Grenzen bedienen wollen.
Abwägung der Grundreche
In den Rundfunkgesetzen müssen nun der Grundsatz der Staatsfreiheit und die Rechte der Parteien gegeneinander abgewogen werden. Grundsätzlich steht dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum bei der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit zu. Das Verfassungsgericht hat jedoch mit 5 zu 3 Stimmen entschieden, dass ein absolutes Verbot eine unverhältnismäßige Regelung darstellt: Zwar seien Verbote, sofern sie Parteien eine Zulassung verwehren, nicht zu beanstanden. Wenn jedoch auch solche Unternehmen betroffen sind, an denen Parteien nur Beteiligungen besitzen, müsse auf den tatsächlichen Einfluss der Parteien auf das Programm abgestellt werden. Denn bloße Minderheitsbeteiligungen könnten die Institution eines freien Rundfunks nicht gefährden:
(…) Das absolute Beteiligungsverbot ist keine angemessene Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit. Diesem Verbot steht keine angemessene Förderung der objektiv-rechtlichen Ziele der Rundfunkfreiheit, namentlich der Gewährleistung von Meinungsvielfalt und Staatsfreiheit des Rundfunks, gegenüber. (…) Das Verbot jeglicher mittelbarer und unmittelbarer Beteiligung an privaten Rundfunkveranstaltern zwingt Parteien, bei auch nur sehr geringfügiger Beteiligung ihre Anteile zu veräußern, unabhängig davon, ob die Partei bei einer geringfügigen Beteiligung überhaupt Einfluss auf das jeweilige Rundfunkunternehmen ausüben könnte.