Das LG Saarbrücken hat in einer etwas kuriosen Entscheidung festgestellt, dass auch der Registrar einer Domain für mögliche Urheberrechtsverletzungen des Domaininhabers verantwortlich sein kann. Geklagt hatte laut einem Bericht von Torrentfreak die Universal Music GmbH gegen den Registrar Key-Systems. Grund für die Klage war ein Bittorrent-Index und Tracker, der unter der Domain h33t.com betrieben wurde. Dort fand sich auch ein Album des durch die Klägerin vertretenen Künstlers zum Download. Da die Klägerin ein Vorgehen gegen den Domaininhaber und Admin-C für aussichtslos hielt, klagte sie gegen den Registrar.
Mit dem Urteil vom 15.01.2014 wird eine einstweilige Verfügung vom 30.08.2013 bestätigt, in der es Key-Systems verboten wurde, Dritten den Download eines Musikalbums per Bittorrent zu ermöglichen. Wörtlich heißt es:
[…] es Dritten zu ermöglichen, das Musikalbum […] des Künstler sowie die darauf enthaltenen im einzelnen aufgeführten Tonaufnahmen mittels einer BitTorrent-Suchseite und/oder eines BitTorrent-Trackers zu vervielfältigen und/oder öffentlich zugänglich zu machen wie unter der URL […] geschehen.
Um die Bedeutung dieses Urteils zu verstehen muss man sich zunächst die für das Domainrecht besondere Konstellation vor Augen führen. Üblicherweise geht es bei der Rechtsprechung zur Störerhaftung für Domains eher um Verletzungen aus Namens-, Marken-, Kennzeichen- oder Titelrecht – nicht hingegen um das Urheberrecht wie im vorliegenden Fall. Im Domainrecht geht es normalerweise um die Namen von Domains, nicht aber um Inhalte, die über sie erreichbar sind.
In solchen namensrechtlichen Streitigkeiten gibt es allerdings schon einige Entscheidungen, die sich mit den verschiedenen Beteiligten bei dem Registrierungsprozess von Domains befassen. So hatte der BGH in der Entscheidung ambiente.de eine Haftung der DENIC als Vergabestelle (für „.de“-Domains) nach markenrechtlichen Gesichtspunkten größtenteils abgelehnt. Eine Haftung käme allenfalls als Störer in Betracht, da die DENIC mit der Registrierung eine zurechenbare Ursache für die Rechtsverletzung gesetzt habe. Allerdings sei eine Prüfungspflicht erst nach Hinweisen durch Dritte auf mögliche Rechtsverletzungen und auch dann nur bei offenkundigen Rechtsverstößen nötig.
Ein eindeutiger Rechtsverstoß soll dann vorliegen, wenn bereits ein rechtskräftiger, gerichtlicher Titel vorliegt, eine unzweifelhaft wirksame Unterwerfungserklärung des Domaininhabers gegeben ist oder die Rechtsverletzung derart eindeutig ist, dass sie sich dem Sachbearbeiter aufdrängen muss. Entsprechende Entscheidungen die eine Störerhaftung der DENIC bejahen gibt es bislang kaum. Ein Beispiel für einen eindeutigen Rechtsverstoß war die Entscheidung des OLG Frankfurt regierung-oberfranken.de. Hier waren verschiedene Domains mit einer Kombination aus „Regierung“ und den Namen diverser bayrischen Regierungsbezirken durch einen in Panama ansässigen Unternehmer registriert worden. Der BGH bejahte hier eine Verletzung des Namensrechts. Eine Entscheidung vom LG Wiesbaden (r-e-y.de) hingegen verneinte eine Haftung der DENIC für Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Inhalte unter einer „.de“-Domain.
Allerdings handelt es sich im vorliegenden Fall bei der Beklagten Key-Systems nicht um die entsprechende Vergabestelle für „.com“-Domains, sondern um einen Registrar. Dieser wird je nach Top-Level-Domain (TLD) von der zuständigen Vergabestelle, also entweder der ICANN oder dem Domain Name Registry (bspw. der DENIC für „.de“) akkreditiert und führt die Registrierungen für den Endkunden durch. Die zuständige Domain Name Registry für „.com“ ist VeriSign, Inc.
Fraglich ist also, ob die Privilegierungen, die eine Vergabestelle wie die DENIC im Hinblick auf eine mögliche Haftung hat auch auf die Key Systems übertragbar sind. Die DENIC unterfällt unter anderem dem Haftungsprivileg aus § 8 TMG, wie das VG Düsseldorf festgestellt hat. Darüber hinaus gelten auch noch andere Privilegien, da die DENIC in einem besonderen öffentlichen Interesse handelt.
Eine Haftungspriviligierung der Beklagten lehnte das LG Saarbrücken im vorliegenden Fall aber ab:
Es kann dahinstehen, ob der Verfügungsbeklagten das Haftungsprivileg der Denic e.G. zugute kommt (vgl. BGH, Urteil vom 17.05.2001, I ZR 251199 – ambiente.de) weil zum einen auch die Denic e.G. Überschüsse erwirtschaftet, die sie an ihre Genossen ausschüttet, und zum anderen auch die Tätigkeit der Verfügungsbeklagten als Registrar im Interesse der Allgemeinheit liegt.
Ein seltsames Argument. Im Wesentlichen argumentiert das Gericht, dass die Beklagte mit der DENIC durchaus vergleichbar ist. Beide erwirtschaften Gewinn, beide handeln zumindest auch im öffentlichen Interesse. Die konsequente Schlussfolgerung wäre gewesen, eine Haftungsprivilegierung für die Beklagte anzunehmen. Stattdessen lässt das Gericht diese Frage offen. Logisch lässt sich das kaum erklären.
Die Beklagte verteidigte sich aber auch mit einem weiteren Argument gegen die Klage: Der Zugriff auf den Inhalt des Betreibers h33t.com sei weiterhin auch anhand der IP-Adresse möglich und daher nicht von ihr abhängig – die Domain macht den Zugriff auf eine Webseite einfacher, ist aber keine notwendige Voraussetzung. Sie habe auch keinen Einfluss auf den Inhalt der Webseite. Möglich wäre nur eine Dekonnektierung oder Löschung der Domain.
Das LG Saarbrücken bejahte dennoch die Störereigenschaft. Argument:
Die Beklagte hat durch Registrierung der Domain […].com in adäquat kausaler Weise dazu beigetragen, dass der Registrant und die Besucher dieser Domain sowie die Nutzer des Trackers mithilfe dieser Domain Urheberrechtsverletzungen begehen können. Auch wenn der Inhalt dieser Domain auch unmittelbar unter Eingabe der lP-Adresse erreichbar gewesen sein sollte, wie die Verfügungsbeklagte vorträgt, hat jedenfalls die Registrierung der Domain durch die Verfügungsbeklagte ebenfalls die Zugänglichmachung von deren Inhalt ermöglicht.
Etwas kritisch sollte man hier das „Ermöglichen” betrachten. Ein DNS-Server ermöglich eigentlich nur die „Übersetzung“ eines Domainnamens in die IP-Adresse (siehe auch http://openjur.de/u/667338.html Rn. 37). Insofern ist hierin eine Erleichterung der Zugänglichmachung, aber keine Ermöglichung im engeren Sinn zu sehen. Für einen „adäquat kausalen” Tatbeitrag dürfte aber auch das ausreichen – die Möglichkeit einer Urheberrechtsverletzung wird durch die Domain nicht unerheblich erhöht.
Für die Eindeutigkeit der Rechtsverletzung durch den Domaininhaber hatte das Gericht dann vergleichsweise starke Argumente. Die Domain war schon Gegenstand eines Verfahrens in Großbritannien. Dort hatte sich der High Court of London bereits mit den Rechtsverletzungen auf der Webseite befasst und englischen Providern die Sperrung der Domain aufgegeben. Außerdem spreche der kurze Zeitraum zwischen Veröffentlichung der Werke im Bittorrent-Netzwerk und deren Listing auf der Webseite dafür, dass hier aktiv Urheberrechtsverletzungen betrieben werden. Obendrein sei auch keinerlei Stellungnahme des Domaininhabers zur Rechtsverletzung erfolgt.
All das hätte für die Beklagte nach Ansicht des Gerichts Anlass genug sein müssen, um auf Beschwerden zu reagieren und die Domain vom Netz zu nehmen. Rechtlich sei sie an der Dekonnektierung oder Löschung aufgrund der schwerwiegende Vertragsverletzung durch die Betreiberin der Domain auch nicht gehindert. Somit sei sie im Rahmen der Störerhaftung haftbar für die Urheberrechtsverletzung des Domaininhabers.
Allerdings stellte das Gericht auch klar: Die Beklagte trifft keine umfassende Prüfungspflicht, sämtliche bei ihr registrierten Domains auf Rechtsverletzungen zu untersuchen. Sie müsse nur auf wiederholte Verstöße des Domaininhabers im Hinblick auf das konkrete Album prüfen. Eine allgemeine Prüfungspflicht im Bezug auf das betroffene Werk für alle bei der Beklagte registrierte Domains sei im Rahmen des rechtmäßigen Geschäftsmodells und aufgrund einer fehlenden Darlegung der Klägerin nicht erforderlich.
Die Beklagte hatte sich zudem dagegen gewehrt, dass es ihr schlicht nicht möglich sei, die nach Antrag geforderte Verhinderung der Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung durch Dritte zu verhindern. Hierfür genüge ja die einfache Eingabe der IP-Adresse. Hinsichtlich dessen hat das LG Saarbrücken den Antrag der Klägerin umgedeutet:
Die Auslegung des Verfügungsantrages ergibt danach i.V.m S. 17 der Begründung des Vefügungsantrages, dass sich der streitgegenständliche Unterlassungsantrag lediglich auf die Domain […].com und die im Antrag aufgeführten Subdomains bezieht.
Hier geht es letztlich nur um die Klarstellung was für die Beklage überhaupt technisch möglich ist.
Interessanter ist in diesem Absatz allerdings folgendes:
Der Antrag wird aber sodann durch einen Hinweis auf die konkret beanstandete Verletzungshandlung („wie unter der URL … , bzw. … und … geschehen) näher bestimmt.
(Hervorhebung nicht im Original)
Hier liegt der Kern des Problems. Bei domainrechtlichen Streitigkeiten geht es regelmäßig um Verletzungen durch die Domains selbst. Hier hingegen geht es um die Verletzung durch Handlungen die unter dem Domainnamen, also einer Webseite die unter dem Domainnamen abrufbar ist, stattfinden. Problematisch ist also nicht die Domain h33t.com per se, sondern der dort zur Verfügung gestellte Inhalt.
Das LG Saarbrücken setzt sich hier nicht mit einer möglichen Haftungsprivilierung aus etwa § 8 TMG auseinander und wickelt jegliche Privilegierung schlicht mit dem Argument der eindeutigen Rechtsverletzung ab. Dies mag bei einer Verletzung durch den Domainnamen selbst durchaus angebracht sein, da sich hier die Vergabestelle kaum auf reine Zugangsvermittlung berufen kann. Sie gibt den Domainnamen ja gerade selbst frei. Anders sieht es aber bei Inhalt unter einer per se rechtmäßigen Domain (also dem reinen Namen) aus. Das Gericht begegnet dem Einwand der Beklagten damit, dass die Klägerin nicht auf die aussichtslosere Möglichkeit der Klage gegen die Betreiberin auf den Seychellen, den Hostprovider in den Niederlanden oder die kostenträchtige Klage gegen die in den USA ansässige Registrierungsstelle verwiesen werden könne. Es mag zutreffen, dass andere Beteiligte noch schwerer haftbar zu machen sind, in der Sache ist es aber kein Argument.
Die Entscheidung ist in mehrerer Hinsicht problematisch. Schließlich bewirkt die Dekonnektierung oder Löschung nicht das Ende der Urheberrechtsverletzung, sondern nur den erschwerten Zugang zum Angebot des Betreibers. Für den Domain-Registrar ist es also schlicht unmöglich, den Zugang bestimmter Inhalte unter einer bestimmten URL zu verhindern. Wird die Domain gelöscht, kann sie an anderer Stelle wieder registriert werden.
Ein weiteres Problem: Der eigentliche Domaininhaber ist längst schon wieder unter einer neuen Domain online. Das Vorgehen gegen den Domain-Registrar bewirkt also nur eine Verdrängung der rechtswidrigen Inhalte von einer Domain auf eine andere – und treibt den Betreiber damit nur weiter in den „Untergrund”. Es bekämpft ein Symptom aber nicht die Ursache des Problems.
Unabhängig davon stellt dieser Fall auch eine unerfreuliche Vermischung von Urheber- und Domainrecht dar. Die Grundsätze des Domainrechts sind auf Streitigkeiten um Namen ausgelegt und nicht auf den Streit um Inhalte. Ein Punkt, den das LG Saarbrücken kaum berücksichtigt.
Ob die Entscheidung Bestand haben wird ist unklar, soweit bekannt ist sie noch nicht rechtskräftig. Eine Klärung der Haftung von Domainregistraren für Domain-Inhalte wäre im doch sehr kasuistischen Domainrecht jedenfalls wünschenswert.