Das Online-Portal MyVideo muss für Musik-Lizenzen nur einmal bezahlen: Das LG München hat Ende Juni festgestellt, dass Nutzungsrechte für die „öffentliche Zugänglichmachung” im Internet (§ 19a UrhG) auch die dadurch bedingten „Vervielfältigungen” (§ 16 UrhG) erfassen. Damit reicht es aus, Online-Lizenzen für Titel des Labels EMI bei der Verwertungsgesellschaft GEMA zu erwerben. Die Richter haben der Klage von MyVideo statt gegeben und parallele Ansprüche der europäischen CELAS abgelehnt: Die Beklagte könne nicht geltend machen, dass MyVideo von ihr zusätzlich Vervielfältigungsrechte für die Musiktitel erwerben müsse.
Was man nicht hat…
Laut Urteil kann die CELAS diese Kopierrechte auch gar nicht einräumen, geschweige denn deren Verletzung rügen – und zwar aus einem einfachen Grund: Sie besitzt diese Rechte selbst nicht. Um zu dieser Einsicht zu gelangen, muss man die Vertragsstruktur zwischen CELAS, GEMA und dem Musik-Label EMI aufdröseln. Ursprünglich liegen sämtliche Verwertungsrechte bei den Urhebern der Musikstücke. Diese haben ihrem Label umfassende Nutzungsrechte eingeräumt. Um die Lizenzen nicht selbst verwalten zu müssen, hat EMI Verträge mit nationalen Verwertungsgesellschaften abgeschlossen. In Deutschland ist die GEMA zur Wahrnehmung dieser Rechte befugt. Sie erteilt Lizenzen, kassiert die Gebühren und leitet diese an die Rechteinhaber weiter.
Allerdings sahen die Verträge zwischen EMI und GEMA vor, dass einzelne Rechte auch wieder zurückgeholt und auf andere Weise vermarktet werden können. Von dieser Option hat EMI im Jahr 2005 Gebrauch gemacht: Von nun an sollte die CELAS für Online-Lizenzen zuständig sein. Bei der CELAS handelt es sich um einen Zusammenschluss der deutschen GEMA und der britischen Verwertungsgesellschaft MCPS-PRS. Im Rahmen dieser Rück- und Weiterübertragung sind jedoch die Rechte zur öffentlichen Zugänglichmachung grundsätzlich bei der GEMA verblieben, sodass MyVideo sie von dieser erwerben konnte. Die CELAS hat nach eigenem Vortrag nur die „Vervielfältigungsrechte für den Online-Bereich” erhalten.
Unzulässige Rechtsabspaltung
Und hier greifen die Münchener Richter ein. Eine solche gesonderte Übertragung des Kopierrechts „im Online-Bereich” sei unzulässig:
„Die von der Beklagten vorgetragene Aufspaltung der Online-Nutzungsrechte hinsichtlich der anglo-amerikanischen Künstler, die bei der EMI unter Vertrag stehen, in Vervielfältigungsrechte nach § 16 UrhG und in das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung nach § 19 a UrhG ist unzulässig, da es eine Nutzungsart „mechanische Vervielfältigungsrechte im Onlinebereich, ohne Recht auf öffentliche Zugänglichmachung” nicht gibt.”
In Deutschland bestimmt § 31 UrhG, welche Art von Lizenzen für Werke vergeben werden können; diese müssen eine bestimmte „Nutzungsart” umfassen. Dabei ist eine wirtschaftliche Betrachtung und die Verkehrsauffassung maßgeblich, sodass man unter Nutzungsart „jede wirtschaftlich-technisch selbständige und abgrenzbare Art und Weise der Auswertung des Werkes” versteht. Nutzungsrechte sollen also so klar umrissen sein, dass der Lizenznehmer sich sicher sein, dass die umschriebene Werkverwertung von der Erlaubnis umfassend gedeckt ist. Die Richter gehen hier von einer einheitlichen Nutzungsart bei Online-Aktivitäten aus:
„§ 19a UrhG stellt eine besondere Ausgestaltung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe für den Onlinebereich dar. Für die öffentliche Wiedergabe im Onlinebereich wird auf Grund der Tatsache, dass sich ein Nutzer in der Regel an einem anderen Ort befindet, als das öffentlich zugänglich gemachte Ausgangswerk, in aller Regel eine Vervielfältigung erforderlich sein. In der Kommentarliteratur wird deshalb teilweise vertreten, dass das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung zugleich auch Vervielfältigungshandlungen beinhalte.”
GEMA als One-Stop-Shop
Bei dieser Bewertung hatten die Richter gerade auch das Interesse potentieller Lizenznehmer im Blick: Eine Aufspaltung der Online-Verwertung von Musik in zwei unterschiedliche Lizenzen würde zu einer doppelten Inanspruchnahme und großen Unsicherheiten führen. Diese Spaltung sei aber rein rechtlicher Natur und nicht etwa durch wirtschaftliche oder technische Gegebenheiten geboten.
Doch die Entscheidung birgt noch einen weiteren Vorteil für den Nutzer: Auf dieser Grundlage ist es möglich, Musik-Lizenzen für Internetauftritte ausschließlich von der GEMA (als sog. One-Stop-Shop) zu erwerben – weitere Verträge mit europäischen Gesellschaften sind demnach nicht nötig. Die von der GEMA vergebenen Nutzungsrechte für die öffentliche Zugänglichmachung sind laut Urteil ausreichend, weitere Nutzungsrechte nicht betroffen.
Allerdings bedeutet das zugleich, dass die CELAS in den meisten Fällen überflüssig wird: Sie wurde zwar gerade mit dem Zweck gegründet, paneuropäische Lizenzen für den Online-Bereich zu vergeben; nach diesem Urteil ist man auf deren Rechte jedoch gar nicht angewiesen, wenn man bereits von einer nationalen Verwertungsgesellschaft die Lizenz zur öffentlichen Zugänglichmachung erworben hat.