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LG München I: Kein Anspruch auf Quick-Freeze

Zentrales Werkzeug im Kampf gegen illegales Filesharing ist der sog. Drittauskunftsanspruch: Nach § 101 UrhG können Rechteinhaber von Providern unter bestimmten Voraussetzungen die Herausgabe von Kundendaten zu einer bestimmten IP-Adresse verlangen. In der Praxis hat sich dieses Verfahren mehr oder weniger bewährt – allerdings gibt es einen großen Haken: Die Provider müssen zwar die Kundendaten herausgeben, wenn das Verfahren zum Drittauskunftsanspruch durchlaufen wurde, sie sind aber nicht dazu verpflichtet, diese Daten überhaupt zu speichern.
So kann es passieren, dass ein Rechteinhaber zwar einen Anspruch auf die Herausgabe der Kundendaten hat, der Provider diese Daten aber überhaupt nicht mehr vorliegen hat. In der Praxis kommt deshalb oft das sog. „quick freeze”-Verfahren zum Einsatz: Entdeckt ein Rechteinhaber, dass eines seiner Werke illegal in eine Tauschbörse eingestellt wurde, benachrichtigt er den Provider, dieser möge die Daten zu der entsprechenden IP-Adresse bitte nicht löschen.

In diesem Zusammenhang stellen sich eine ganze Menge Rechtsfragen: Ist dieses Vorgehen datenschutzrechtlich überhaupt erlaubt? Und: Hat der Rechteinhaber auch einen Anspruch auf ein solches Speichern auf Zuruf? Mit letzterer Frage hat sich das Landgericht München I Ende August beschäftigt und kam zu dem Schluss: Ein solcher Anspruch besteht nicht.

Der Fall

Es ging um einen typischen Filesharing-Fall. Antragsteller war ein Unternehmen, das verschiedene Filme in Deutschland verwertet. Auf einer Filesharing-Plattform hatte es einige Nutzer ermittelt, die seine Filme illegal verbreitet hatten. Daraufhin hatte es sich an den entsprechenden Provider der Nutzer gewandt, damit dieser die Kundendaten der Nutzer sichert und nicht – wie sonst bei dem Provider üblich – nach Beendigung der Verbindung löscht.

Der Provider reagierte nicht auf diese Anfragen und löschte die Daten. Im einstweiligen Rechtsschutz versuchte das Verwertungsunternehmen nun, den Provider zur Speicherung „auf Zuruf” zu verpflichten. Begründung: Wenn ein Provider nach § 101 UrhG zur Herausgabe von Kundendaten verpflichtet werden kann, müsse auch die Möglichkeit bestehen, diese Daten vor der Löschung zu bewahren. Aus dem Auskunftsanspruch ergebe sich daher ein Anspruch auf die Sicherung der Daten.

Die Entscheidung

Das LG München I sah das anders: § 101 UrhG regle ausschließlich den Drittauskunftsanspruch – über die Speicherung der Daten mache er keine Aussage. Die Gerichte könnten eine Speicherverpflichtung auch nicht einfach in diese Vorschrift „hineinlesen”. Denn:

„Die Konstruktion einer derartigen Speicherungsverpflichtung hätte nämlich einen […] nicht grundrechtsirrelevanten Eingriff in die Rechte der Anschlussinhaber zur Folge. Angesichts der nicht abschätzbaren, aber jedenfalls nicht von vornherein negierbaren Gefahren dafür, dass allein die Speicherung eine Identifizierung der Anschlussinhaber durch Dritte, insbesondere durch Hackerangriffe, ermöglicht, ist besondere Vorsicht bei der begehrten Ausdehnung der Anwendung von bisher hierfür bestehenden gesetzlichen Vorschriften veranlasst, auch wenn diese offensichtlich den Zweck eines wirksamen Schutzes der Inhaber von nach dem UrhG geschützten Rechten nur unzureichend erfüllen.”

Auch eine Analogie käme hier nicht in Betracht. Denn erstens erfordert das Datenschutzrecht eine sog. „bereichsspezifische Rechtsgrundlage”. Die Erhebung von Daten muss also ausdrücklich und für den konkreten Anwendungsfall gesetzlich geregelt werden. Außerdem erfordert eine Analogie eine „planwidrige Regelungslücke”. Planwidrig sei das Fehlen einer Regelung zum Speichern der Daten aber nicht:

„Der Bundesrat hatte nämlich im Zusammenhang mit der Einführung der Vorratsdatenspeicherung darauf hingewiesen und sich für eine Berücksichtigung urheberrechtlicher Belange auch in § 113b TKG ausgesprochen (vgl BR-Drs. 798/1/07).”

Fazit

Filesharing ist nach wie vor ein juristisches Minenfeld mit zahlreichen offenen Fragen. Kaum ist ein Gesetzesloch geflickt, tut sich ein neues auf. Die Entscheidung des LG München I ist nicht die erste, die dem „Speichern auf Zuruf” eine Absage erteilt. Sie bietet jedoch eine sehr gute Übersicht über den aktuellen Streitstand in Literatur und Rechtsprechung.

LG München I, Beschluss vom 20.08.2011, Az. 21 O 7841/11.

Wir danken für die Einsendung!

, Telemedicus v. 21.10.2011, https://tlmd.in/a/2090

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