Gegen Internetnutzer wegen Filesharings vorzugehen ist eine aufwendige Angelegenheit. Da liegt es nahe, direkt den Provider in die Pflicht nehmen. Das dachten sich auch vier führende Tonträgerhersteller und verlangten von einem Internetzugangsanbieter, seinen Kunden den Zugang zu einem Filesharing-Portal zu sperren. Dem schob das LG Köln jedoch Ende August einen Riegel vor. Denn ein Internetzugangsanbieter hafte grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen Dritter.
Vier Rechteinhaber – ein Gedanke
Vier führende Tonträgerhersteller taten sich als Rechteinhaber verschiedener Musikstücke zusammen und klagten gegen ein Telekommunikationsunternehmen. Dieses vermittelte unter anderem als „Internet-Access-Provider (ISP)“ Endkunden den Zugang zum Internet.
In dessen unendlichen Weiten fand sich unter einer bestimmten IP-Adresse und einigen dazugehörigen URLs ein bestimmter Internetdienst. Über diesen konnten die Nutzer nach überwiegend rechtsverletzenden Musik-, Film-, Buch- oder Softwaredateien suchen. Die Webseite bot dabei einen Index von mehreren tausend Links zu Dateien in Filesharing-Netzwerken an. Weil sich unter den Dateien auch solche befanden, an denen die Klägerinnen die ausschließlichen Rechte besaßen, wollten sie sich gegen das Angebot wehren. Sie gingen dafür gerichtlich gegen den ISP vor. Weil der Provider den Zugang zu den Webseiten vermittelt, trage er dazu bei, dass die geschützten Rechte der Klägerinnen verletzt würden und hafte als Störer nach § 97 Abs. 1 UrhG, so die Argumentation.
Internetzugangsanbieter kein Störer
Das LG Köln wies die Klage jedoch ab. Der beklagte ISP sei nicht als Störer für die Rechtsverletzungen der Kunden verantwortlich. Dazu tätigte das Gericht zunächst einige allgemeine Ausführungen zu den Voraussetzungen der Störerhaftung:
Nach der herrschenden Rechtsprechung kann bei der Verletzung absoluter Rechte als Störer in Anspruch genommen werden, wer in irgendeiner Weise – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (…). Da die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, setzt die Haftung des Störers für Handlungen Dritter eine Verletzung ihm obliegender Prüfpflichten voraus (…). Die Reichweite der jeweiligen Prüf- oder Verhaltenspflicht richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des Störers und der Eigenverantwortlichkeit desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung unmittelbar vorgenommen hat (…).
Nach diesen Erwägungen sei der ISP aber gerade nicht als Störer anzusehen. Zwar leiste er einen adäquat-kausalen Beitrag zur Rechtsverletzung, indem er den Zugang zum Internet als technische Dienstleistung vermittle. Das genüge jedoch nicht, um ihn als Störer haften zu lassen. Denn diese technische Dienstleistung („reines Durchleiten“) sei nötig, um überhapt Zugang zum Internet zu erhalten. Die eigentlichen Rechtsverletzungen geschähen aber durch die Nutzer. Würde man hier bereits die Störereigenschaft bejahen, „hätte dies eine Überdehnung der Grundsätze der Störerhaftung zur Folge, die nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BGH in Bezug auf Dritte gerade nicht gerechtfertigt ist“.
Die Klägerinnen forderten insbesondere, es müssten so genannte Netzsperren eingerichtet werden. Solche Vorsorgemaßnahmen müsse die Beklagte im Hinblick auf zukünftige Rechtsverletzungen aber nicht treffen:
Im Rahmen der rechtlichen Bewertung der Störereigenschaft ist jedoch zu berücksichtigen, welche Maßnahmen die Beklagte ergreifen müsste, um ihre Vorsorgepflichten zu erfüllen, um nicht als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden zu können. Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten im Ergebnis zur Erreichung des verfolgten Zwecks die Errichtung von DNS- und IP-Sperren, mit denen die Abrufbarkeit von Internetlinks zu Internettauschbörsen auf der Internetseite „anonym1.“ verhindert werden soll (…).
Die Umsetzung solcher Vorsorgemaßnahmen hätte zur Folge, dass die Beklagte die Datenkommunikation zwischen ihren Kunden auf Begehung von gerügten Verletzungshandlungen kontrollieren müsste, wodurch sie Kenntnis von den Umständen der Telekommunikation einschließlich ihres Inhalts erhielte (…).
Dafür bedürfe es allerdings einer gesetzlichen Grundlage. Die zivilrechtlichen Vorschriften zur Störerhaftung reichten dafür jedenfalls nicht aus. Im Übrigen sei eine solche Prüfung dem Internetanbieter schon gar nicht zumutbar:
Aufgrund der Vielzahl von Rechtsverletzungen im Internet hätte die Etablierung einer entsprechenden Vorsorgepflicht zur Folge, dass die Beklagte eine Vielzahl von technischen Sicherheitsvorkehrungen in Form von Datenfiltern einrichten müsste, die wiederum immer neuen Gegebenheiten und neuen Verletzungsformen angepasst werden müssten.
Schließlich seien die beabsichtigten Sperren auch gar kein taugliches Mittel, um solchen Rechtsverletzungen vorzubeugen:
Da die begehrten Maßnahmen nicht so weit gehen können, den Zugang zum Internetanbieter „anonym1“ für sämtliche Inhalte zu sperren, was auch ein zulässiges Angebot und damit Rechtspositionen Dritter betreffen würde, führt bereits die Änderung eines Zeichens der URL dazu, dass das gleiche rechtswidrige Angebot von Musiktiteln unter der gleichen Internetdomain, wenn auch mit einer anderen URL abrufbar bliebe. Die mangelnde Tauglichkeit des Mittels wird im vorliegenden Fall daran deutlich, dass die Klägerinnen den Klageantrag mehrfach ändern und auf immer neue URL erweitern mussten, um dem rechtswidrigen Angebot auf der verfahrensgegenständlichen Internetdomain zu begegnen.
Fazit
Warum Netzsperren insgesamt ungeeignet sein sollen, wurde an anderen Stellen bereits umfangreich dargelegt. Ob man diese Auffassung teilt oder nicht: Über die Internetanbieter den Kampf gegen Raubkopierer austragen zu wollen, dürfte nicht das richtige Mittel sein. Zu groß wäre irgendwann der Flickenteppich bei zahl- und wahllosen Sperren, zu undurchschaubar die Umstände, ob eine Sperre im konkreten Fall tatsächlich angebracht wäre. Dem ISP in vielen tausenden Einzelfällen eine Prüfung aufzubürden, würde dem Grundgedanken auf (wertungs-)freien Internetzugang zuwider laufen.
Bezeichnend erscheint es da, dass die Rechteinhaber selbst ihre Anträge immer wieder ändern mussten, weil sich die zugrunde liegende URL im Laufe des Prozesses immer wieder änderte. In einem solchen Fall darf der ISP nicht zum Hilfssheriff der Rechteinhaber mutieren. Die Störereigenschaft des ISP hier abzulehnen, war insofern richtig und wichtig.
Das Urteil des LG Köln im Volltext.
„Netzsperren und das Urheberrecht“ bei Telemedicus.
Das LG Hamburg urteilte bereits 2008 in einem ganz ähnlichen Fall.