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LG Köln – bag.de kann vor dem Bundesarbeitsgericht einpacken

Vor bald zwei Monaten hat das LG Köln zu der Domain „bag.de“ entschieden (33 O 56/14). Die Entscheidung ist in zweierlei Hinsicht interessant. Zum einen trifft hier eine Abkürzung auf einen allgemeinen, aber englischsprachigen Begriff. Zum anderen hat das LG Köln einen Maßstab für die Anforderungen an die Bekanntheit einer Abkürzung festgelegt.

Sachverhalt

Geklagt hatte der Bund stellvertretend für das Bundesarbeitsgericht. Die Beklagte war eine Domainhändlerin. Diese hatte die Domain auf einer Handelsplattform für Domains (Sedo) geparkt und zum Verkauf angeboten. Inhalte waren unter der Domain nicht erreichbar, nur ein Verkaufshinweis und automatisch generierte Werbung, auch mit dem Schlagwort Bundesarbeitsgericht.

Das Bundesarbeitsgericht hat bislang die Domain „bundesarbeitsgericht.de“ inne und verwendet seit 1995 selbst die Bezeichnung „BAG“. Zudem verwendet auch das Bundesamt für Güterverkehr diese Abkürzung.

Der Bund berief sich auf ein Namensrecht aus § 12 BGB und machte Unterlassungs- und Löschungsansprüche gegen die Beklagte geltend.

Die Beklagte erwiderte, die Abkürzung „bag“ sei vielfach gebräulich und nicht eindeutig dem Bundesarbeitsgericht zuzuordnen. Zudem sei „bag“ ein bekannter generischer, also allgemein verwendeter, Begriff aus der englischen Sprache.

Tenor

Das LG Köln gab der Klage statt und entschied, dass die Beklagte es zu unterlassen hat die Second-Level-Domain (SLD) „bag“ in Kombination mit der Top-Level-Domain (TLD) „.de“ zu verwenden. Zudem wurde die Beklagte zur Freigabe der Domain „bag.de“ verurteilt.

Bisherige Rechtsprechung

Man könnte jetzt zunächst auf die Idee kommen, den Klassiker „regierung-oberfranken.de“ als Maßstab zu nehmen. Allerdings lag dort gerade keine Abkürzung vor, sondern eine eindeutige Zuordnung. Anders wäre der vorliegende Fall natürlich, wenn es um bundesarbeitsgericht.de ginge, was hier aber gerade nicht der Fall war.

Weiterhin relevant werden könnte eine Entscheidung des OLG Braunschweig zu der Domain „fh-wf.de“ als Namensverletzung der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel. Hiermit könnte man zwar über die Zuordnungsproblematik hinwegkommen, allerdings bleibt immer noch das Problem das „bag“ auch ein generischer englischsprachiger Begriff ist. Insofern ist auch diese Entscheidung nur begrenzt hilfreich.

Gleiches gilt auch für die neuere Entscheidung des BGH zu „sr.de“ , da hier wiederum nur ein Kürzel und nicht gleichzeitig auch ein fremdsprachiges Wort betroffen war.

Gründe

Zunächst hatte das Gericht festgestellt, dass grundsätzlich auch dem Kürzel „BAG“ ein Namensrecht zustünde:

Der Klägerin steht ein Namensrecht im Sinne von § 12 BGB an dem Kürzel „BAG“ zu, da hiermit eines ihrer obersten Bundesgerichte, nämlich das Bundesarbeitsgericht, mit sprachlichen Mitteln individualisierend bezeichnet wird. Namensfunktion hat eine Bezeichnung, wenn sie geeignet ist, eine Person mit sprachlichen Mitteln unterscheidungskräftig zu bezeichnen. Dieses Recht entsteht mit der Aufnahme der Benutzung im Verkehr, wenn die Bezeichnung auf die beteiligten Verkehrskreise wie ein Name wirkt. Für Abkürzungen, die aus dem vollständigen Namen abgeleitet werden, gilt dieser Schutz ebenfalls, sofern die Abkürzung selbst Unterscheidungskraft aufweist

Hier ließe sich eigentlich schon hinterfragen, ob das Kürzel „bag“ Unterscheidungskraft aufweist. Schließlich ist das Bundesamt für Güterverkehr beim Bund selbst unter der gleichen Abkürzung geführt. Eine Abgrenzung der beiden Domains erfolgt momentan nur durch eine Third-Level-Domain „.bund“.

Hinsichtlich anderer Abkürzungsträger (etwa dem Bundesamt für Güterschutz) stellt das Gericht dennoch fest, dass eine einzigartige Namensträgereigenschaft gerade nicht Voraussetzung für § 12 BGB ist.

Dass auch andere Behörden möglicherweise mit diesem Kürzel bezeichnet werden bzw. dieses Kürzel sich auch in den Namen von Unternehmen und Vereinen findet, steht dem nicht entgegen. […] Im Übrigen ist es nicht und kann es auch nicht Voraussetzung des Namensschutzes sein, dass eine Namensverwendung nur durch einen einzigen Namensträger erfolgt. Dies belegt schon der Umstand, dass die wenigsten der im Bundesgebiet verwendeten Familiennamen nur einmal vorkommen dürften. Gleichwohl kommt auch häufig festzustellenden Namen, sofern sie nicht ihre Unterscheidungsfunktion verloren haben, weiterhin Unterscheidungskraft und damit der Schutz des § 12 BGB zu.

Diese Argumentation mag zwar nachvollziehbar sein. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Entscheidung ähnlich ergangen wäre, wenn der Bund nicht auch Träger des Bundesamtes für Güterverkehr wäre und somit eine kontradiktorische Lage gegeben wäre. Etwas überspitzt formuliert: Wäre die Entscheidung ebenso ergangen, wenn die entscheidenden Richter Spediteure gewesen wären? Die Prüfung der Unterscheidungskraft wird hier zielgruppenorientiert vorgenommen. Dies macht durchaus Sinn, wenn man von einem bestimmbaren Publikum ausgeht. Allerdings lässt sich dem Internetnutzer, der „bag.de“ ansteuert nicht entnehmen, welchen Hintergrund er hat. Insofern geht eine markenrechtliche Verkehrskreis-Beurteilung hier fehl. Dies wirkt umso seltsamer, da das Gericht hier einen Anspruch aus Namensrecht bejaht, allerdings immer wieder auf markenrechtliche Begründungen zurückfällt (wie im folgenden die Verkehrsdurchsetzung).

Weiter befasst sich das Gericht mit der lang andauernden und bundesweiten Verwendung der Abkürzung und kommt zu dem Schluss, dass jedenfalls den juristisch und arbeitsrechtlich Interessierten die Abkürzung bekannt sei. Hinsichtlich der Anforderungen an den Bekanntheitsgrad stellt das Gericht sodann fest:

Eine Bekanntheit in allen denkbaren Verkehrskreisen oder gar eine Verkehrsdurchsetzung ist nicht Schutzvoraussetzung.

Auch den Einwand, dass eine eindeutige Namenszuordnung aufgrund der Verwendung des englischen Wortes „bag“ im Deutschen nicht erfolgen könne lässt das Gericht nicht gelten:

Die Buchstabenfolge verfügt auch über originäre Unterscheidungskraft, da eine bestimmte beschreibende Verwendung nicht festgestellt werden kann. […]
Denn es ist nichts dafür vorgetragen, dass dieser Begriff bereits derart Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat, dass er ohne weiteres und losgelöst von seiner konkreten Verwendung als beschreibende Angabe im Sinne der aufgezeigten Bedeutungen verstanden wird. […] Dass die ebenfalls aufgeführte Internetseite „bag.com“ überhaupt für interessierte Verkehrskreise in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt ist, ist nicht vorgetragen. […] Dass der Begriff auf solchen Seiten beim Angebot von Taschen beschreibend Verwendung findet, vermag nicht zu belegen, dass er auch generell in diesem Sinne verstanden wird. Nach der Lebenserfahrung der Mitglieder der Kammer ist dies jedenfalls nicht der Fall.

Diese Ausführung wirkt ergebnisorientiert. Zu bedenken ist allerdings, dass, wenn man schon unter der TLD „.de“ englisch- oder anderssprachigen Begriffen den Vorzug vor deutschen Abkürzungen überlässt, nur noch ein beschränkter und überaus zufälliger Raum hierfür verbleibt. Ob country-code-Domains damit wieder eine gewisse Relevanz erlangen könnten bleibt offen.

Schließlich stellt das Gericht auch die unberechtigte Namensanmaßung fest. Dies verwundert nicht, da keine Nutzung der Domain durch die Inhaberin erfolgt war. Da das Gericht auch bereits eine eindeutige Zuordnung der Abkürzung zum Bundesarbeitsgericht bejaht hatte wurde auch eine Zuordnungverwirrung festgestellt. Im Rahmen der Interessensabwägung sei zudem das Weiterverkaufsinteresse der Beklagten nicht schutzwürdig.

Fazit

Die Entscheidung ist in sich schlüssig, wenn sie auch in weiten Teilen ergebnisorientiert wirkt. Die Ablehnung von „bag“ als generischem Begriff der deutschen Sprache ist wohl der Absicht zuzuschreiben, Raum für deutsche Abkürzungen zu erhalten. Hierauf lässt auch der Tenor schließen, der explizit nur die Verwendung der SLD „bag“ mit der TLD „.de“ umfasst. Was hingegen den Bekanntheitsgrad angeht, bereitet die Entscheidung Bauchschmerzen. Leider wurde hier aber nicht ein ähnlich berechtigter Namensträger, also beispielweise das Bundesamt für Güterverkehr sondern eben ein Domain-Parker beklagt. Eine Nutzung der Domain schließlich hätte wohl nur Auswirkung auf die Zuordnungsverwirrung und die Interessenabwägung gehabt. Ansprüche aus Markenrecht hingegen wäre selbst bei Bestand der Marke BAG nicht ausschlaggebend gewesen, da die Klägerin damit gerade keine Löschung erreicht hätte (vgl. „sr.de„).

Das Urteil des LG Köln (Az.: 33 O 56/14) in der Telemedicus-Datenbank.
Die Entscheidungsanmerkung bei der Prozesspartei CMS-HS.
Entscheidungsbesprechung bei Domain-Recht.de.
Entscheidungsanmerkung von RA Stadler.

Mit Dank an Thomas Stadler für Input.

, Telemedicus v. 23.10.2014, https://tlmd.in/a/2851

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