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LG Hamburg zu Bushido-Plagiaten

Bereits am 23. März hat das LG Hamburg den Rapper Bushido, dessen Verlag und Tonträgerhersteller wegen Urheberrechtsverletzungen verurteilt. Nun sind die beiden Entscheidungen (Az. 308 O 175/08 und Az. 310 O 155/08) im Volltext veröffentlicht. Darin äußert sich das Gericht ausführlich zur Schutzfähgkeit kurzer Tonfolgen; außerdem widmet es sich intensiv der Frage, inwiefern das Sampling bzw. die Verwendung von Werken als sog. Loops Urheberrechte verletzt.

In den Verfahren hatten sich die Künstler der französischen Band „Dark Sanctuary” gegen die Übernahme von Teilen ihrer Songs in Bushido-Titeln gewehrt. Auch der Tonträgerhersteller sah sich in seinem Leistungsschutzrecht (§ 85 UrhG) betroffen. Das Landgericht hat diesen Klagen weitgehend statt gegeben und die Beklagten zu Unterlassung, zur Nennung der Autorenschaft sowie zur Auskunftserteilung, Vernichtung und zum Rückruf verurteilt. Außderm hat es eine Pflicht zum Ersatz des entstandenen materiellen und immateriellen Schadens festgestellt.
Auch Franzosen dürfen in Deutschland klagen

Zunächst stellt das Gericht fest, dass nach §§ 32, 35 ZPO keine Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit bestehen. Schließlich würden die Songs bundesweit, also auch in Hamburg verkauft. Außerdem können sich die französischen Künstler nach § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG auf das deutsche Urheberrechtsgesetz berufen; entsprechendes gilt nach §§ 125, 126 UrhG auch für europäische ausübende Künstler und Tonträgerhersteller. Voraussetzung ist jedoch auch in diesem Fall, dass zunächst überhaupt ein schutzfähiges Werk vorliegt. Bei kompletten Songs kann die erforderliche Schöpfungshöhe nach § 2 UrhG unproblematisch bejaht werden. Hier hat Bushido jedoch nur kurze Ausschnitte aus den Stücken verwendet. Dennoch hat das Landgericht den meisten Passagen Indvidualität und damit Werkqualität zugesprochen. So führt es beispielsweise aus:

„Nach ihrem Gesamteindruck, den die Kammer anhand des Notenbildes […] sowie des Höreindrucks der Passage gewonnen hat, handelt es sich bei der betroffenen Passage um eine individuelle Tonfolge mit Wiedererkennungseffekt, die jedenfalls in der konkret gewählten Instrumentierung und Rhythmisierung sowie aufgrund der Verwendung der charakteristischen Trillerfigur auf der Zählzeit „3 und“ schöpferisch eigentümlich im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG ist.”

Oder:

„Gleiches gilt […] insbesondere für die zweite Passage, die noch um eine weitere Mittelstimme bereichert ist. Bereits diese Instrumentierung, verbunden mit dem auch hier gegebenen Individualität mit Wiedererkennungseffekt führt dazu, dass die Passage über eine schulmäßige Anwendung von Harmonielehreregeln hinausgeht. Die Oberstimme der ersten Passage ist Melodie im klassischen Sinne mit einem individuell ausdrucksstarken Spannungsbogen, im zweiten Segment wird der dreistimmige zum fünfstimmigen Kontrapunkt verdichtet.”

Hingegen:

„[… D]ie hier betroffene Passage […] ist urheberrechtlich nicht als Werk der Musik gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG geschützt. Die Passage umfasst lediglich zwei Takte, die jeweils aus einer ganzen Note in der Bassstimme und zwei halben Noten in der Oberstimme bestehen, wobei die Noten der Oberstimme den beiden auf dem Bass errichteten Akkorden e-Moll und C-Dur angehören. Allein das Hinzufügen des zusätzlichen Tons fis‘ als „akkordfremde Durchgangsnote“ […] genügt hier nicht, um die Passage aus dem Bereich des musikalischen Allgemeinguts herauszuheben. Dabei ist zu beachten, dass einzelne Töne und Akkorde im Interesse der Allgemeinheit frei bleiben müssen, andernfalls würde es zu einer inakzeptablen Behinderung schöpferischen Schaffens kommen […]. Auch die Instrumentierung vermag der bezeichneten Passage keine hinreichende Eigentümlichkeit zu verleihen. Das einmalige Erklingen eines Glockenschlags ist insofern nicht ausreichend.”

Sampling & Loops als Rechtsverletzung

Das Gericht hatte weiter die Frage zu beurteilen, ob Bushido diese Tonfolgen wirklich übernommen hat. Dies hat es nach Hörvergleichen fast durchgängig bejaht und damit Verletzungshandlungen im Sinne von §§ 16, 17 UrhG (Vervielfältigung und Verbreitung), §§ 19, 19a UrhG (Vorführung und öffentiche Zugänglichmachung) sowie § 23 UrhG (Umgestaltung) angenommen. Im letzten Fall lag durch das Sampling auch kein Fall der erlaubten freien Benutzung nach § 24 UrhG vor. Dazu müsste das neu entstandene Werk ein so starke Eigentümlichkeit aufweisen, dass die Züge des übernommenen Stückes dahinter „verblassen” (vgl. BGHZ 141, 267 – Laras Tochter). Das Landgerichtet begründet wie folgt:

„Bei Anwendung dieser Maßstäbe scheidet eine freie Benutzung […] aus […]. Insbesondere das Transponieren um eine kleine Terz […] sowie das damit verbundene leicht veränderte Tempo lässt die Passage aus „L…“ nicht hinter „S…“ verblassen. Da der Charakter der Passage, insbesondere ihre Instrumentierung, vielmehr weiterhin erkennbar ist, liegen die Modifizierungen durch den Beklagten […] im Bereich der unfreien Benutzung im Sinne des § 23 UrhG. Hieran ändert sich auch nichts durch die Verbindung mit dem Sprechgesang des Beklagten […] und dem Schlagzeug-Beat, zumal diese erst nach den ersten Takten einsetzen. Von einem Verblassen hinter dem Sprechgesang kann keine Rede sein.”

Für solche Übernahmen im Wege des Sampling wäre eine Rechteeinräumung nötig gewesen. Zwischen den Beteiligten haben zwar vor den Prozessen Vergleichsverhandlungen statt gefunden. Ein „Sampling-Settlement-Agreement” stand zwar im Raum, wurde jedoch nicht unterzeichnet.

Schadensersatz für Zerstückelung

Damit liegen die Voraussetzungen für die geltend gemachten Ansprüche, insbesondere auf Unterlassung und Schadensersatz vor. Die genaue Höhe hängt von dem noch zu bestimmenden Ausmaß der Verletzungshandlungen ab. Dazu dienen die Auskünftsansprüche beispielsweise über die erzielten Einkünfte. Nach dem Urteil erhalten die Musiker von Dark Sanctuary auch einen Ausgleich für den entstandenen immateriellen Schaden (§ 97 Abs. 2 UrhG). Das setzt einen schwerwiegenden Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht voraus. In dem Urteil heißt es dazu:

„Allein der Umfang, in dem der Beklagte […] sich bei Werken der Kläger für seine eigenen Produktionen systematisch „bedient“ hat, zeugt von einem nachhaltig fehlenden Respekt vor der Leistung der Kläger. Durch die „Zerstückelung“ der Kompositionen der Kläger sowie das Transponieren und den hiermit zum Teil verbundenen „Mickeymauseffekt“ hat er entstellend in die Werke der Kläger eingegriffen. Zudem hat der Beklagte die Kompositionen durch die Verbindung mit seinen Rap-Texten in einen vollkommen anderen Kontext gestellt, gegen den die Kläger gut nachvollziehbar erhebliche Einwände haben. […] Sowohl Inhalt als auch Sprache, insbesondere die zahlreichen verwendeten „Kraftausdrücke“ führen dazu, dass die Texte von Gewalt geprägt sind. So werden Bezeichnungen wie z.B. „Homos“, „Nutte“, „Fotze“, „du Stück Scheiße“ oder „Missgeburt“ verwendet, die in der Bevölkerung gemeinhin als diskriminierend bzw. obszön gelten.”

Hinzu komme, dass auch das Recht der Künstler auf Nennung ihrer Urheberschaft (§ 13 UrhG bzw. § 74 UrhG für die Anerkennung als ausübender Künstler) verletzt worden sei: So werde bei der GEMA nur Bushido selbst als Komponist der beanstandeten Songs geführt. Allein diese Eingriffe begründen eine Schadensersatzpflicht von ca. 65.000 Euro.

Die Entscheidung Az. 308 O 175/08 (zur Verletzung von Urheberrechten) im Volltext.

Die Entscheidung Az. 310 O 155/08 (zur Verletzung von Leistungsschutzrechten) im Volltext.

Zum Bericht bei Spiegel Online mit einem Tonbeispiel.

, Telemedicus v. 21.04.2010, https://tlmd.in/a/1715

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