Mitte Mai hat das LG Hamburg über die Verantwortlichkeit bei der Einbindung von Youtube-Videos entschieden. Ein Urteil mit Signalwirkung: Das Gericht sah in dem Einbinden des Videos eine Verbreitung im presserechtlichen Sinn und verlangt von Bloggern, journalistische Sorgfaltspflichten zu erfüllen.
Kern des Rechtsstreits war ein rechtswidriges Youtube-Video. Der Beklagte, ein Rechtsanwalt, hatte auf seinem Medienrechts-Blog einen redaktionellen Beitrag über den Kläger veröffentlicht. Das Video enthielt einen Beitrag von ZDF WISO, in dem es um den Kläger ging und in dem unter anderem heimliche Videoaufnahmen aus dessen Geschäftsräumen zu sehen waren. Gegen diesen Beitrag vom ZDF war der Kläger ebenfalls schon wegen einer Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes vorgegangen. Nun warf er auch dem Anwalt eine Rechtsverletzung vor – weil dieser den Beitrag von Youtube eingebunden und damit verbreitet hatte. Der beklagte Anwalt hielt dagegen: Das Einbinden von Youtube-Videos sei schon kein „öffentliches Zugänglichmachen” im Sinne des Urheberrecht – erst recht sei es deshalb keine Verbreitung im presserechtlichen Sinn.
Das LG Hamburg sah das anders. Auch das Einbinden von Youtube-Videos sei eine Verbreitung. Interessant: Mit keinem Wort unterschied das Gericht zwischen einem einfachen Link und dem Einbinden von Videos.
Dem Einwand des Beklagten, das Video sei nicht öffentlich zugänglich gemacht worden, folgte das Gericht nicht:
„Indem er [der Beklagte] einen Hyperlink auf eine sich auf einem externen Server befindliche Fernsehberichterstattung über den Kläger im Rahmen einer eigenen redaktionellen Berichterstattung über den Kläger integrierte, verbreitete er diesen Fernsehbeitrag. Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass im Setzen eines Hyperlinks kein öffentliches Zugänglichmachen des Beitrags liege.“
Demnach kennt das Presserecht ein anderes „öffentlich Zugänglichmachen” als das Urheberrecht. Nach der Ansicht des BGH in der Paperboy-Entscheidung stellt ein Hyperlink keine Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des Urhebererechts dar. In der juristischen Literatur wird diese Ansicht zum Teil auch auf Inline-Links – wie beim Einbinden von Youtube-Videos – übertragen. Diese Differenzierung nahm das LG Hamburg erst gar nicht vor.
Als Abgrenzung zur Paperboy-Entscheidung führte das LG Hamburg daher zum presserechtlichen Verbreitungsbegriff aus:
„Der Beklagte leistet hier einen Beitrag für den Abruf des Fernsehbeitrags. Er verlinkt gezielt und konkret im Rahmen einer eigenen Berichterstattung auf den streitgegenständlichen Beitrag und nicht lediglich auf eine Internetseite, von der aus der Nutzer weitere Rechercheschritte unternehmen musste, um den konkreten Beitrag aufzufinden. (…). Er eröffnet dem Nutzer aber nicht nur eine zusätzliche Möglichkeit, den Beitrag aufrufen zu können. Darüber hinaus dient der Link dem Beklagten insbesondere als Verweisfunktion auf weiterführende Informationen, (…).“
Ob sich der beklagte Anwalt die Inhalte des Beitrages auch zu eigen gemacht hatte, ließ das LG Hamburg offen und beschränkte sich auf die Verantwortlichkeit nach den Grundsätzen der Störerhaftung.
Hier verwies das Gericht auf die Schöner Wetten-Entscheidung des BGH. Darin stellte der BGH klar, dass bei der Linkhaftung besonders die Pressefreiheit zu berücksichtigen ist. Dem folgte das LG Hamburg aber nicht: Während der BGH fordert, dass keine zu strengen Anforderungen an die Prüfungspflichten gestellt werden dürfen, wenn Hyperlinks nur den Zugang zu allgemein zugänglich Quellen erleichtern, nahm das LG Hamburg weitreichende Recherchepflichten zur Sachverhaltserforschung an.
Das LG Hamburg hat den presserechtlichen Verbreitungsbegriff auf die Einbindung von Youtube-Videos bezogen. Daher hat es auch strenge journalistische Sorgfaltspflichten herangezogen. Zugespitzt formuliert sollen für einen Blogger die gleichen journalistischen Sorgfaltspflichten wie für einen Spiegel-Redakteur gelten. Wenn es um die Sorgfaltspflichten geht, scheint ein Blogger also die selben Pflichten, wie ein Presseunternehmen zu haben. Den Schutz der Pressefreiheit sollen Blogger aber offenbar nicht in gleichem Maß in Anspruch nehmen können. Damit hatte selbst der Beklagte als juristischer Profi nicht rechnen können. Und so reagierte er wie erwartet und legte Berufung ein. Es bleibt also spannend.
Zum Urteil des LG Hamburg vom 18.05.2012 im Volltext.
Thomas Stadler ausführlich zu den Hintergründen des Streits.
Urteilsbesprechung von Dr. Ralf Petring.