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LG Hamburg: Der Streit GEMA vs. Youtube im Detail

Vergangene Woche hat das Hamburger Landgericht im Streit GEMA gegen Youtube entschieden. Danach muss Youtube sieben Videos vom Netz nehmen, die GEMA-Musik enthielten. Youtube sei zwar nicht voll für die Videos der Nutzer verantwortlich, so das Gericht. Doch der Videohoster muss eingreifen, sobald er darüber benachrichtigt wird, dass ein Video fremde Urheberrechte verletzt.

Was bisher geschah…

Das Prinzip von Youtube ist simpel: Nutzer laden Filme hoch, Youtube stellt die Plattform dafür. Enthalten diese Videos Musik, deren Komponisten von der GEMA vertreten werden, soll Youtube pro Klick bezahlen, so die Forderung der GEMA. Youtube selbst sieht sich in einer neutralen Position – nach dem Motto „keine Verantwortung für unsere Nutzer“. Die GEMA sieht das anders. Nach ihrer Ansicht ist Youtube überhaupt erst wegen der Inhalte der GEMA-Musiker für die Nutzer attraktiv. Ein großer Teil von Googles Werbeeinnahmen sei damit den Komponisten zu verdanken.

Youtube muss unverzüglich sperren…

Und tatsächlich erteilt das Urteil dem Freifahrtschein des Videoriesen eine Absage. Zwar lädt Youtube weder die Filme selbst hoch noch macht sie sich der Dienst anderweitig zu eigen – etwa durch redaktionelle Kontrolle. Dennoch haftet Youtube im Einzelfall als Störer: Die Plattform schafft eine Gefahrenquelle und ist deshalb nicht bar jeder Verantwortung. Das Gericht folgt hier ausdrücklich dem BGH. Sobald Youtube weiß, dass ein Nutzer GEMA-relevantes Material geschaltet hat, ist der Plattformbetreiber in der Pflicht – und zwar unverzüglich.

Im konkreten Fall wollte die GEMA den Videohoster verpflichten, zwölf Videos vom Netz zu nehmen. Außerdem sollte Youtube verhindern, dass Nutzer entsprechende Titel erneut öffentlich zugänglich machen können. Für sieben Titel gab das Gericht der GEMA Recht; es rügte, dass Youtube erst nach gut sechs Wochen Kenntnis eingegriffen und die Videos vom Netz genommen hatte. Youtube hätte unverzüglich eingreifen müssen.

… und ordentlich vorsorgen!

Das LG Hamburg verpflichtet Youtube,

„durch den Einsatz einer Software künftige Uploads zu verhindern, die eine mit der gemeldeten Musikaufnahme übereinstimmende Aufnahme enthalten.”

Damit muss Youtube seinen künftigen Traffic auf zuvor gemeldete Songs überprüfen. Nicht zu verwechseln sei – so das Gericht – der Sachverhalt mit dem Fall „SABAM vs. Netlog NV”. Dort hatte der EuGH einem Recht auf unbegrenzte präventive Inhaltsfilterung eine Absage erteilt. Der Fall Youtube beziehe sich aber lediglich auf die Titel, die die GEMA bei Youtube moniert hatte – nicht darauf, zukünftige Uploads auf das acht Millionen Titel starke GEMA-Repertoire abzuklopfen, so das LG Hamburg.

Zwei Filter stehen Youtube zur Verfügung: Wortfilter und „Content-ID”. Der Wortfilter schlägt an, wenn die Kombination aus (gemeldetem) Titel und Komponisten in der Videobeschreibung zu finden ist. „Content-ID” kann Videos aufspüren, die mit den einschlägigen Songs untermalt sind. Bei Live- oder Cover-Versionen funktioniert das aber nicht. Nach Ansicht des Gerichts sei es Youtube zuzumuten,

„das jeweils als Rechtsverletzung gemeldete konkrete Video selbst als Referenzdatei in das Content-ID Programm einzustellen und sämtliche künftig hochgeladenen Videos mit übereinstimmenden Musikaufnahmen mittels dieser Software für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu sperren.”

Das ist auch Prävention, wenn auch erst ab Kenntnis.

Verpflichtung nur für die Zukunft

Seinen bisherigen Videobestand wird Youtube aber ausdrücklich nicht durchforsten müssen. Denn die Kontrollpflichten treffen einen Störer erst ab dem Zeitpunkt der Kenntnis, nicht für die Zeit davor. Außerdem dürfen Youtube

„keine Anforderungen auferlegt werden, die ihre grundsätzlich zulässige Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren.”

Die Kontrollpflichten müssen also verhältnismäßig sein. Das ist wohl nicht der Fall, wenn Youtube-Mitarbeiter selbst reinhören müssten; wohl aber, wenn „Content-ID” künftige Uploads auf gemeldete Song-Matrizen prüft. „Uploads verhindern” meint wohl, dass die hochgeladenen Videos zu keinem Zeitpunkt online gehen dürfen. Fest steht jedenfalls: Youtube darf Rechteinhaber nicht mehr lapidar darauf vertrösten, solche Kontrollmechanismen selbst einzusetzen.

Insgesamt geht das LG Hamburg einen Mittelweg, indem es die Täterhaftung verneint, Youtube aber ab Kenntnis eines Urheberrechtsverstoßes in Verantwortung nimmt. Insoweit überrascht das Urteil nicht. Die Hamburger Richter geben Youtube aber starke Kontrollpflichten auf – sobald dem Videohoster tausendfach Verstöße gemeldet werden, wird der Verwaltungsaufwand enorm.

GEMA-Replik auf den Youtube-Sperrhinweis, Quelle: gema.de

In deinem Land nicht verfügbar

Bis 2009 bestanden vertragliche Vereinbarungen zwischen der GEMA und Youtube, allerdings nur vorläufig. Nachdem die ausliefen, konnte man sich nicht mehr einigen. Seitdem führt Youtube selbst Sperrlisten und geht damit dem Streit ganz aus dem Weg: Der Großteil des vergütungspflichtigen Materials ist nicht mehr sichtbar. Dass man auf keinen grünen Zweig kam, zeigt auch der raue Ton im Umgang miteinander.

Der vielgeächtete Youtube-Hinweis, die GEMA habe „die erforderlichen Musikrechte nicht eingeräumt“, ist rechtlich zumindest ungenau: Die GEMA muss Rechte einräumen und kann sie gar nicht verweigern. Es besteht ein Kontrahierungszwang. Die GEMA kann Youtube also gar nicht verbieten, Musik zu streamen. Falsch ist damit die weit verbreitete Annahme, die GEMA würde Videos sperren. Da ist die Youtube-Formulierung vielleicht absichtlich schlampig.

Kein Grund zum Ausruhen

Das Urteil ist nur eine Etappe im schon lang andauernden Streit zwischen der Verwertungsgesellschaft und Youtube. Beide Seiten geben sich zufrieden. Youtube deshalb, weil es nicht als Täter haftet und seinen bisherigen Videobestand nicht auf Rechtsverletzungen überprüfen muss. Die GEMA, weil das Gericht Youtube letztlich doch Filter- und Sperrmaßnahmen auferlegt.

Sind das Gründe, zufrieden zu sein? Nein. Das „deutsche“ Youtube ist nach wie vor beschnitten, die Nutzer sind ob der vielen Sperrmeldungen schlicht genervt. Daran wird sich erst einmal nichts ändern. Doch auch Songschreiber werden kein Interesse daran haben, dass ihre Werke nicht auf Youtube zu finden sind. Im Gegenteil, hier verschaffen sie sich Gehör und damit Publikum. Solange aber Youtube und GEMA um die Wette schmollen und sich in Polemik üben, ist Musikschaffenden nicht geholfen. Dass die nicht leer ausgehen wollen, wenn sie online gehört werden, kann ihnen keiner verübeln. Aber ob ihnen gedient ist, wenn die Bühne gleich ganz fehlt, darf ebenso bezweifelt werden.

Außerdem: Von Landesgrenzen im Netz auszugehen, ist ewig antiquiert. Ab dem ersten Internetanschluss über der deutschen Grenze ist wieder alles anders. Oder man tut einfach gleich so, als säße man im Ausland.

Das Problem lässt sich nicht vor Gericht lösen

Immerhin – Googles Deutschland-Chef Kay Oberbeck hat Gesprächsbereitschaft angemeldet: „Wir wollen wieder mit der GEMA an den Verhandlungstisch”. Und Gespräche sind auch nötig. Denn der Fall zeigt, wie sehr es knirscht bei der Online-Rechtewahrnehmung. Den Hamburger Richtern ist das jedenfalls nicht in die Schuhe zu schieben. Die hätten den ersehnten Frieden nämlich gar nicht stiften können. Das müssen die Kontrahenten endlich selbst tun.

Das Urteil Az. 310 O 461/10 im Volltext.
Zur Pressemitteilung des LG Hamburg.

, Telemedicus v. 25.04.2012, https://tlmd.in/a/2244

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