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LG Frankfurt: AGB des Samsung App Store teilweise unwirksam

Das Landgericht Frankfurt hat sich Anfang Juni mit den AGB des App Stores von Samsung befasst und einige Klauseln für unwirksam erklärt. Hintergrund war eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der schon im Sommer letzten Jahres mehrere App Stores untersucht und bemängelt hatte.

Die Entscheidung ist eine der ersten, die sich mit den speziellen vertraglichen Anforderungen bei Apps befasst und hat einige interessante Aspekte zu bieten.

Die Vorgeschichte

Wer den App Store von Samsung benutzen möchte, muss gleich eine ganze Menge verschiedene AGB akzeptieren. Darunter die Samsung-Servicebedingungen, die Apps-Nutzungsbedingungen für Käufer und die Endanwender-Lizenzvereinbarung für Applikationen (lange scrollen). Der vzbv hatte mehrere Klauseln aus diesen Bedingungen moniert und Samsung nach seiner Prüfung abgemahnt. Daraufhin gab Samsung jedoch nur eine teilweise Unterlassungserklärung ab – die übrigen zwölf Klauseln griff der vzbv daraufhin vor dem Landgericht Frankfurt an.

Das LG Frankfurt nahm sich nun alle beanstandeten Klauseln nacheinander vor und erklärte sie allesamt für unwirksam.

Update-Klauseln

In Ziff. 15.1 der Samsung Apps-Nutzungsbedingungen für Käufer hieß es:

„Die Software, die Sie im Rahmen der Services nutzen, kann Updates von Samsung automatisch herunterladen und installieren. […] Sie willigen ein, diese Updates im Rahmen der Nutzung des Services anzunehmen und gestatten Samsung die Bereitstellung.”

Samsung ließ sich also pauschal die Erlaubnis einräumen, Updates für Apps auf dem Endgerät des Nutzers einzuspielen. Das ist durchaus üblich und in der Sache auch nicht verkehrt: Updates erhöhen die Sicherheit und automatische Updates sorgen dafür, dass der Nutzer sich nicht selbst darum kümmern muss.

Dennoch kassierte das LG Frankfurt die Klausel. Begründung: Es sei keine Einschränkung für die Art der Updates vorgesehen.

„Die Einwilligung zu einer automatischen Installation von Updates verstößt gegen § 308 Nr. 4 BGB, da dieser Änderungsvorbehalt ohne Rücksicht darauf vereinbart wurde, ob er für einen Verbraucher zumutbar ist. Da keinerlei Einschränkung, des Umfangs einer Änderung erfolgt, etwa auf Modifikationen der Software, kann die mit einer App angebotene Leistung über technische Anpassungen hinaus inhaltlich völlig geändert werden.”

Dieses Ergebnis ist wenig überraschend, aber dennoch von hoher praktischer Relevanz. Die meisten Anbieter von App Stores behalten sich das Recht vor, Inhalte im Notfall auch zurückzuziehen. In der Praxis kommt das auch durchaus vor: Amazon hat beispielsweise schon 2009 einzelne E-Books automatisch von Kindle-Geräten automatisch löschen lassen – wegen urheberrechtlicher Probleme.

Im Fall von Samsungs App Store stellte das LG Frankfurt aber klar: Der Kunde ist Käufer der Apps. Und als Käufer hat er ein dauerhaftes Recht die von ihm erworbenen Apps zu nutzen. Wenn Samsung sich das Recht vorbehält, Apps zu ändern, dürfe das nicht so weit führen, dass automatisch ohne sein Wissen Änderungen aufgespielt werden, deren Funktion er nicht kennt.

Für Update-Klauseln in AGB heißt das: Die Fälle, in denen Updates automatisch eingespielt werden dürfen, müssen in den AGB so genau wie möglich beschrieben werden. Ein automatisches Update, das eine App verbessert, Sicherheitslücken beseitigt oder neue Funktionen einführt, wird rechtlich sicher keine Probleme machen. Wichtig ist nur, dass Update-Klauseln auch tatsächlich auf solche Fälle beschränkt sind. Das vollständige Löschen von Apps dürfte hingegen nur in absoluten Ausnahmesituationen und nur mit Zustimmung des Nutzers zulässig sein – etwa wenn ein vergleichbarer Fall zu einem Produktrückruf vorliegt.

Einstellen von Leistungen

In den Ziff. 15.2 und 17.1 hieß es in den Samsung Apps-Nutzungsbedingungen für Käufer:

„Wir behalten uns das Recht vor, die Services jederzeit einzustellen oder zu ändern.”

Auch diese Klausel hielt das Gericht richtigerweise für unwirksam. Argument: Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten.

„Ein Käufer geht davon aus, dass er das, was er erlangt und bezahlt hat, behalten darf. Eine Abwägung der Interessen der Beklagten an einer Änderung oder Abschaltung und der Interessen des Kunden an einer Fortsetzung der Nutzung findet nicht statt. Die Beklagte setzt einseitig ihr Interesse daran durch, ohne wichtigen Grund uneingeschränkt sämtliche in Ziffer 1.1 der Geschäftsbedingungen definierten Services kurzfristig einzustellen.”

Auch das ist auf den ersten Blick nicht überraschend: Wenn Samsung mit dem Nutzer einen Vertrag eingeht, kann Samsung sich nicht pauschal vorbehalten, einfach nicht mehr zu leisten; schon gar nicht, wenn der Vertrag nicht nur kostenlose, sondern auch kostenpflichtige Dienste betrifft. Nach der Regelung in den AGB wäre es möglich gewesen, dass Samsung keine Dienste mehr bereitstellt, obwohl der Nutzer weiter zahlen muss. Das kann nicht sein.

Im Detail hat die Begründung aber noch einen interessanten Aspekt parat: Denn das Gericht stellt klar, dass Samsung nicht nur Vermittler von Apps ist, sondern selbst als Verkäufer auftritt. Samsung könne sich daher nicht darauf berufen, keinen Einfluss darauf zu haben, ob Apps von ihren jeweiligen Entwicklern dauerhaft angeboten werden.

Die Frage, wer beim Kauf von Apps eigentlich der Vertragspartner des Nutzers ist, ist schon länger ein heiß umstrittenes Problem. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die App Stores dem User gegenüber als Verkäufer auftreten. Und so sieht es auch das Landgericht Frankfurt. Allerdings: Samsung erfasst mit seinen AGB ausdrücklich auch die Nutzung von Apps, die von Drittanbietern angeboten werden. Apple und Google machen das beispielsweise anders und stellen (mehr oder weniger deutlich) klar, dass sie selbst mit den Apps anderer Anbieter nichts zu tun haben wollen. Die Feststellung des LG Frankfurt ist also nur bedingt auf andere App Stores anwendbar. Dennoch: Ein interessanter Punkt.

Einwilligung in In-App-Werbung

Vor allem bei Android – dem mobilen Betriebssystem, für das Samsung seinen App Store anbietet – ist Werbung innerhalb von Apps absolut üblich. Dementsprechend ließ sich Samsung in Ziff. 19.3 der Samsung Apps-Nutzungsbedingungen für Käufer folgende Einwilligung erteilen:

„[Samsung ermöglicht den Zugang zu den Services und deren Nutzung.] Im Gegenzug willigen Sie ein, dass Samsung in den Services Werbung schäften kann.”

Der Deal Inhalt gegen Werbung ist an sich nichts besonderes. Ganz so knapp lässt er sich vertraglich aber nicht regeln. Und so erklärte das LG Frankfurt auch diese Klausel für unwirksam. Um welche Werbung es genau geht und welche Daten dadurch vom Nutzer erhoben werden, geht aus der Klausel nämlich nicht hervor:

„Die Einwilligung zur Schaltung von Werbung verstößt gegen § 4a BDSG, § 12f TMG und § 7 II UWG. Die Einwilligung erfolgt nicht in hervorgehobener Form; der Verbraucher wird nicht darüber informiert, welchen Datennutzungsprozessen er damit zustimmt. Die Einwilligung ist nicht auf Werbung für von der Beklagten angebotene Waren und Dienstleistungen beschränkt. Da die Beklagte Vertragspartner bezüglich aller genutzter Apps wird, handelt es sich um Werbung der Beklagten, wenn sie für in den Apps angebotene Leistungen/Inhalte wirbt. Dem Kunden wird nicht deutlich, dass die Hersteller der App-Inhalte Nutzerdaten erfassen und über die Beklagte darauf speziell zugeschnittene Werbung einsetzen können, auch wenn die Datenerfassung zur Nutzung der App nicht erforderlich ist.”

Einerseits stellt sich also das Problem, dass die Datennutzung nicht hinreichend transparent ist. An dieser Stelle zeigt sich aber auch, wie weitreichend die Frage ist, wer genau Verkäufer einer App ist. Denn, so das Gericht, die Klausel macht auch nicht deutlich, dass die Werbung hier in Zusammenarbeit mit den Entwicklern der Apps geschaltet wird – und dadurch möglicherweise Daten des Nutzers nicht nur von Samsung, sondern auch von dem Entwickler der App erhoben werden.

Änderungsvorbehalt

Ein weiteres Problem stellte in den Samsung AGB der Änderungsvorbehalt dar. Samsung behielt sich vor, die AGB zu ändern. Das ist üblich – die saubere rechtliche Umsetzung aber ausgesprochen anspruchsvoll. In den AGB hatte Samsung beispielsweise geregelt, dass die fortgesetzte Nutzung von Apps einer Zustimmung zu neuen AGB entspreche. Dass eine solche Konstruktion nicht funktioniert, war zu erwarten. Entsprechend knapp hält das LG Frankfurt auch seine Ausführungen: Zu sehr drängt sich die Unwirksamkeit dieser Klauseln auf.

Haftungsbeschränkungen

Auch die Haftungsbeschränkungen in den Samsung-AGB waren für das LG Frankfurt keine sonderlich anspruchsvolle Aufgabe. Samsung hatte seine Haftung einerseits auf den typischerweise vorhersehbaren Schaden, hinsichtlich der Nutzung von Apps auf den Preis der App bzw. maximal 50 Euro beschränkt. Die Formulierungen waren allerdings derart verschachtelt, dass sich den Haftungsbeschränkungen nicht entnehmen ließ, dass sie nicht auf Schäden an Leben und Gesundheit gelten sollen. Ein klassischer Fehler, der den Haftungsausschlüssen zum Verhängnis wurde.

Fazit

Die Entscheidung ist ausgesprochen lesenswert, wenn man sich mit den vertraglichen Hintergründen beim Geschäftsmodell App genauer auseinandersetzen möchte. Für die Erstellung von App-Verträgen ist sie auch eine gute Anleitung, wenn man ein abschreckendes Beispiel für völlig misslungene App-AGB sucht.

Ansonsten zeigt sich, dass die Rechtsfragen um Apps noch eine einzige juristische Baustelle sind. Welcher Vertragstyp liegt Apps zu Grunde? Wer ist eigentlich Verkäufer? Wie sind die vertraglichen Konstellationen und welche Auswirkungen haben sie? Auf diese Frage gibt das LG Frankfurt erste Antworten, allerdings in ihrer Begründung nur knapp und beschränkt auf den Einzelfall Samsung. Das ist ein wichtiger erster Schritt, offene Fragen gibt es aber noch genug.

Die Entscheidung des LG Frankfurt Az. 2-24 O 246/12 im Volltext.

, Telemedicus v. 17.06.2013, https://tlmd.in/a/2592

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