Das LG Bonn (Az. 1 O 79/21) hat am 28. Juni entschieden, dass das Nationale Gesundheitsportal des Bundes, „gesund.bund.de“, gegen die Pressefreiheit verstößt. Geklagt hatte der „Wort & Bild Verlag”, der u.a. die Zeitschrift „Apotheken Umschau“ herausgibt. Am Ende ist „gesund.bund.de“ damit aber nicht.
„gesund.bund.de“ ist das „Nationale Gesundheitsportal“ des Bundes gemäß § 395 Abs. 1 SGB V. Laut dieser Vorschrift betreibt das Bundesgesundheitsministerium ein Informationsportal, das gesundheitsbezogene Informationen zur Verfügung stellt. Das Portal soll den Zugang zu einheitlichen, verständlichen und wissenschaftlich gesicherten Informationen gewährleisten (so BT-Drs. 19/27652, S. 137).
Das Portal enthält unter diversen Rubriken, wie „Krankheiten“, „Gesund leben“ und „Gesundheit Digital“ viele Artikel, Themenseiten und Videos. Bis zu einer Entscheidung des LG München I (Urteil vom 10.02.2021, Az. 37 O 15720/20) waren die Inhalte des Portals bei Google-Suchen besonders prominent erschienen, und zwar in sog. Knowledge Panels (Infoboxen). Dies entsprach dem erklärten Ziel von Jens Spahn, damals Gesundheitsminister: „Wer Gesundheit googelt, soll künftig bei dem Nationalen Gesundheitsportal landen.“ Aus Sicht des Gesundheitsministers womöglich sinnvoll, aber aus Sicht der privaten (Gesundheits-) Verlage eine offene Kampferklärung.
Screenshot von „gesund.bund.de“ am 20.07.2023; Quelle: gesund.bund.de
Wenig überraschend suchte einer von Ihnen Rechtsschutz: Der „Wort & Bild Verlag“ hat sich auf Berichterstattung über Gesundheits-Themen spezialisiert und verlegt (neben dem Flaggschiff „Apotheken Rundschau“) u.a. „medizini“, den „Diabetes Ratgeber“ und das „HausArzt PatientenMagazin“. Aus öffentlichen Kassen finanzierte Konkurrenz ist dem Verlag deshalb ein Dorn im Auge: Er klagte auf Unterlassung.
Das LG Bonn hatte nun zu klären, ob „gesund.bund.de“ mit der Pressefreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist. Die Pressefreiheit enthält nach der Rechtsprechung u.a. das Gebot der „Staatsferne der Presse“. Private Medienanbieter können bei Verstößen gegen dieses Gebot gem. §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG auf Unterlassung klagen.
Staatsferne bedeutet nicht nur, dass staatliche Stellen keine „Presse“ im Sinne des GG herausgeben dürfen (sog. Betätigungsverbot). Der Staat darf seine Öffentlichkeitsarbeit auch nicht so gestalten, dass diese als „funktionales Äquivalent“ private Medienangebote verdrängt.
Mit anderen Worten: Staatliche Informationsangebote, die so gestaltet sind, dass sie aus Sicht der Bürger den Kauf einer Zeitung oder den Abruf eines privaten Internetangebots erübrigen, verletzen die Pressefreiheit.
Die maßgebliche Frage für das LG Bonn lautete damit: Tritt das Nationale Gesundheitsportal „gesund.bund.de“ als „funktionales Äquivalent“ an die Stelle privater Medienangebote? Das Gericht bejaht dies. Laut der Urteilsbegründung führen die Inhalte des Nationalen Gesundheitsportals in den Rubriken „Krankheiten A-Z“ und „Gesund leben“ zu einem „Substitutionseffekt zu Lasten der privaten Anbieter“. Kurz: Die Inhalte von „gesund.bund.de“ verdrängen private Angebote.
Das LG Bonn führt dazu weiter aus:
„Hierin begründet liegt die Gefahr eines Leserverlustes bei den privaten Anbietern ähnlicher Portale wie etwa der Klägerin. Denn die Beklagte bietet eine Fülle von Informationen, wegen derer Leser im Netz gerade die Seiten der Klägerin oder ihrer privaten Konkurrenten aufrufen. Damit macht sie das Angebot der privaten Anbieter jedenfalls aus subjektiver Hinsicht eines Lesers entbehrlich.”
Da die angesprochenen Rubriken „Krankheiten A-Z“ und „Gesund leben“ den Schwerpunkt des Portals ausmachten, verstoße das Nationale Gesundheitsportal insgesamt gegen das Gebot der Staatsferne der Presse. Deshalb untersagte das LG Bonn dem Bund, „gesund.bund.de“ in einer Form zu betreiben, die der von der Klägerin vorgelegten Aufzeichnung des Portals aus dem Februar 2021 entspricht.
Den ebenfalls beantragten Schadensersatz wies das Gericht allerdings ab. Der Grund war simpel: Aus Sicht des Gerichts hatte der klagende Verlag nicht konkret genug vorgetragen, dass ihm durch das Portal Einnahmen entgangen waren.
Das Urteil des LG Bonn bedeutet für „gesund.bund.de“ nicht das Ende: Das Bundesgesundheitsministerium darf das Portal weiterhin betreiben. Dabei muss es allerdings sicherstellen, dass dies nicht mehr so geschieht wie im Februar 2021. Denn das hat das LG Bonn verboten.
Das Bundesgesundheitsministerium wollte das Urteil auf Anfrage nicht kommentieren. Wie es mit „gesund.bund.de“ weitergeht und ob das Ministerium Berufung gegen das Urteil einlegen wird, ist damit noch offen. Klar ist aber: Bleibt es bei dem Urteil des LG Bonn, muss das Ministerium zum einen viele Inhalte löschen. Zum anderen dürfen neue Inhalte den privaten Konkurrenzangeboten nicht zu sehr ähneln.
Das Nationale Gesundheitsportal „gesund.bund.de“
Das Urteil des LG Bonn im Volltext
Das Urteil des LG München I im Volltext
Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Zusatzausbildung „Recht und Kommunikation”, die Telemedicus gemeinsam mit Bird & Bird anbietet. Weitere Informationen zur Zusatzbildung finden sich hier. Die Beiträge geben inhaltlich lediglich die Auffassung der jeweiligen AutorInnen wieder.