Darf ein Unternehmen die Weiterveräußerung von Download-Dateien durch AGB untersagen? Das Landgericht Bielefeld hatte sich mit dieser Frage im März zu beschäftigen. Es entschied: Ein Verbot in den AGB ist möglich – die Downloads dürfen also nicht weiterveräußert werden (Az.: 4 O 191/11). Eine interessante Entscheidung, die vor allem aufgrund des Grundsatzurteils des EuGH in Sachen UsedSoft vom letzten Sommer zunächst für Überraschung sorgte.
Der Handel mit gebrauchten Dateilizenzen hat in den letzten Jahren immer wieder für neue Diskussionen gesorgt. Die Rechteinhaber versuchten immer wieder es zu unterbinden, dass ihre bereitgestellten Downloads von den Kunden weiterverkauft werden. Vor ein paar Wochen sorgte die Entscheidung eines New Yorker Bezirksgerichts für Schlagzeilen, das es dem Internet-Startup ReDigi verboten hatte, gebrauchte Musik zu veräußern.
Letztes Jahr entschied der EuGH dazu, dass jedenfalls Download-Software weiterveräußert werden kann. Doch anstatt damit eine Frage zu klären taten sich eine Vielzahl weiterer Fragen auf.
Die Usedsoftentscheidung des EuGH
Die Usedsoft-Entscheidung des EuGH gilt als Wendepunkt im Bereich des Gebrauchtsoftware-Handels. Damals hatte der EuGH in einer Auslegungsfrage entschieden, dass der Erschöpfungsgrundsatz bei Software auch Downloads umfasst.
Dem Ganzen ging voraus, dass ein Unternehmen seinen Kunden Software als Download mit dazugehöriger Lizenz angeboten hatte. Einige Kunden veräußerten ihre Lizenz an einen Gebrauchtsoftwarehändler und löschten ihre Version. Der Gebrauchtsoftwarehändler veräußerte die Lizenz an seine Kunden, die sich nun die Software von dem urspünglichen Unternehmen herunterluden.
Die Sache ging durch die Instanzen bis zum BGH, der sich nun an den EuGH wandte. Das Problem stellte sich nämlich beim Erschöpfungsgrundsatz. Danach soll eine Weiterverbreitung dann möglich sein, wenn Vervielfältigungsstücke mit Zustimmung des Berechtigten in den Verkehr gelangt sind. Für den BGH stellte sich hier die Frage, ob ein Download auch ein Vervielfältigungsstück ist. Der EuGH entschied, dass auch unkörperliche Programmkopien Werkstücke seien und deshalb für diese ebenso der Erschöpfungsgrundsatz gelte.
Der Sachverhalt in diesem Fall
In dem Fall, der das LG Bielefeld beschäftigte, ging es um einen ähnlichen, aber in einem wichtigen kleinen Detail anderen Fall. Dort hatte ein Anbieter von Multimediadateien diese zum Download angeboten. In diesem Fall handelte es sich um Hörbücher. In seinen AGB nahm der Anbieter eine Klausel auf, nach der ein einfaches, nicht übertragbares Nutzungsrecht eingeräumt werde. Der Nutzer dürfe die Daten in keiner Weise für Dritte kopieren, öffentlich zugänglich machen oder weiterleiten. Weiterhin verwendete das Unternehmen weitgehend Begriffe aus dem Kaufrecht.
Hiergegen klagte der Dachverband der Verbraucherzentralen. Zum Einen würden die AGB den im Download-Vertrag bezweckten Erfolg gefährden. Es solle nämlich eigentlich ein Warenkauf ermöglicht werden. Zum Anderen benachteilige die Klausel den Vertragspartner des Verwenders unangemessen. Sie verstoße nämlich gegen den Erschöpfungsgrundsatz aus § 17 Abs. 2 UrhG. In seiner Begründung bezieht sich der Kläger auf die Usedsoft-Entscheidung. Aus dieser ergebe sich, dass der Erschöpfungsgrundsatz für Werkstücke jeglicher Form gelten solle. Eine Differenzierung zwischen Computerprogrammen und sonstigen Daten solle gerade nicht erfolgen. Das beklagte Unternehmen sah dies nicht so, da der EuGH nur zur Erschöpfung bei Computerprogrammen entschieden habe. Diese richte sich nach § 69 c Nr. 3 S. 2 UrhG. Ob allerdings auch nichtverkörperte Werkausgaben von Multimediadateien erschöpft sind, war nicht Gegenstand der Vorlage und der Entscheidung.
Das Gericht hatte sich also mehrere Fragen zu stellen. Erstens: Was ist überhaupt Zweck dieses Download-Vertrages? Denn nur, wenn dieser klar ist, kann auch die Frage geklärt werden, ob wesentliche Pflichten eingeschränkt wurden und dies eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des AGB-Verwenders darstellt. Zweitens: Weicht die angegriffene AGB-Klausel von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung ab und benachteiligt den Vertragspartner unangemessen?
Zur Gefährdung des Vertragszwecks
Das LG Bielefeld führt zum Vertragszweck aus:
Die konkrete rechtliche Einordnung des Vertrags als ein Sach-oder Rechtskaufvertrag, als Lizenzvertrag oder Vertrag sui generis kann dabei dahinstehen. Wesentliche Vertragspflicht der Beklagten ist die Pflicht zur Verschaffung des dem Kunden versprochenen Rechts (…). Der primäre Vertragszweck ist im vorliegenden Fall der Erwerb einer Nutzungsmöglichkeit an einem Hörbuch oder E-Book. Dies beinhaltet die Ermöglichung des Downloads und des beliebig oft wiederholenden Anhörens oder Ansehens der Datei auf dem heimischen Datenträger; mehr jedoch nicht. Der Beklagten obliegt es, hierfür die rechtlichen Voraussetzungen insoweit zu schaffen, als dass der Kunde den Download der Hörbuchdateien vornehmen und die Datei auf dem eigenen Datenträger speichern kann.
Hieraus folgt für das Gericht, es solle jedenfalls kein Eigentum erworben werden. Der Verbraucher solle vielmehr lediglich die Möglichkeit zum Download und persönlichem Gebrauch haben. Für diesen sei auch erkennbar, dass er gerade kein körperliches Werkstück erhält. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners lehnt das Gericht mit folgender Begründung ab:
Das nachvollziehbare Interesse der Beklagten an der Verhinderung eines unkontrollierbaren und möglicherweise urheberrechtsverletzenden Sekundärmarktes überwiegt vorliegend das sekundäre Weiterveräußerungsinteresse des Verbrauchers.
Dass das Unternehmen kaufrechtliche Begriffe verwendete, sei weiterhin unerheblich. Diese würden sich nämlich erkennbar nicht dafür eignen, den Kunden in die Irre zu führen. Vielmehr sollen sie das Laienverständnis erleichtern, da kaufrechtliche Begriffe besser nachvollziehbar seien. Interessant sind hierzu die folgenden Ausführungen:
Indem die Beklagte die kaufrechtliche Sprache verwendet, aber gleichzeitig inhaltlich die dem Kunden eingeräumte begrenzte Rechtsposition darstellt und ihm in aller Deutlichkeit das Verbot des Weiterverkaufs und des Kopierens für Dritte mitteilt, verhindert sie, dass der Verbraucher falsche Vorstellungen oder ein schutzwürdiges Vertrauen in Bezug auf eine freie Verfügungsbefugnis über das erworbene Hörbuch entwickelt.
Erschöpfungsgrundsatz als wesentlicher Grundgedanke einer gesetzlichen Regelung
Weiterhin sah das Gericht in der beanstandeten Klausel keine unangemessene Abweichung von einem wesentlichen Gedanken einer gesetzlichen Regelung. Als eine solche Regelung könnte in diesem Fall der Erschöpfungsgrundsatz aus § 17 Abs. 2 UrhG infrage kommen. Hier fängt nun die Diskussion über den Erschöpfungsgrundsatz an, die bei gebrauchter Software ihren Anfang nahm. Die Ansicht des Gerichts dazu:
Nach Ansicht des Gerichts tritt die Erschöpfungswirkung nach § 17 Abs. II UrhG bei der Online-Übermittlung von Medien wie insbesondere Hörbüchern weder im Falle des reinen Herunterladens, noch bei einer vom Nutzer anschließend hergestellten Verkörperung in einem gesonderten Werkstück selbst ein.
Als Grund dafür sehen die Bielefelder, dass kein körperliches Vervielfältigungsstück in den Verkehr gebracht werde. Damit liege in der Online-Übermittlung keine Verbreitung, sondern lediglich eine öffentliche Wiedergabe. Das Abspeichern der Daten auf einem Datenträger sei eine Vervielfältigung. Der Erschöpfungsgrundsatz beziehe sich jedoch nur auf Verbreitung. Eine analoge Anwendung scheide bereits aufgrund der europarechtlichen Vorgaben aus der Richtlinie 2001/29/EG aus, da diese den Erschöpfungsgrundsatz auch nur bei der Weiterverbreitung vorsieht.
Schließlich setzt sich das Gericht mit der Usedsoft-Entscheidung auseinander, kommt dadurch jedoch auch zu keinem anderen Ergebnis. Die Usedsoft-Entscheidung bezog sich nämlich auf eine Auslegung der Regelungen für Computerprogramme. Diese finden ihre europarechtlichen Vorgaben in der Richtlinie 2009/24/EG. Der Erschöpfungsgrundsatz in § 17 Abs. 2 UrhG basiert aber auf einer anderen Richtlinie. Deren Vorgaben zum Erschöpfungsgrundsatz sind jedoch noch nicht ausgelegt worden, weshalb das Gericht hier keine Vorgaben sah. Außerdem unterschieden sich die Erwägungsgründe der beiden Richtlinien. Es sei davon auszugehen, dass die Richtlinie 2001/29/EG die Erschöpfung auf körperliche Werkstücke beschränke.
Das Urteil des Landgerichts Bielefeld zeigt eine neue Wendung in dem fortwährenden Bestreben der Online-Lizenzgeber, den Weitervertrieb ihrer Werke zu beschränken. Allerdings geht es diesmal nicht um den Erschöpfungsgrundsatz für Software, sondern den allgemeinen für die anderen Werke. Dass das Gericht hierbei die Antwort des EuGH auf die Auslegungsfrage als nicht geltend für diesen Fall ansah, ist nachvollziehbar. Es wirkt jedoch ein wenig so, als hätte sich das Gericht ganz gerne um eine Entscheidung in dieser wichtigen Frage herum gedrückt.
Hier hätten auch Argumente dafür gesprochen, den Erschöpfungsgrundsatz einheitlich zu bewerten. Hierfür spricht auch der europarechtliche Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit. Multimediadateien und Softwaredateien unterscheiden sich nicht besonders in ihren Eigenschaften. Auch die Bezahlung dieser Dateien wird üblicherweise darauf angelegt sein, dass diese abbezahlt werden und der Anbieter keine weiteren Leistungen erhält.
Ob allerdings die Argumentation des Gerichts zur Verständlichkeit des Angebots passt, erscheint sehr fragwürdig. Einerseits werden kaufrechtliche Begriffe verwendet, um die Sache verständlicher zu machen. Andererseits soll der Kunde, wenn er diese einfache Konstellation deshalb verstanden hat, nicht annehmen dürfen, dass er die Dateien weiterverkaufen darf?
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen will dieses Urteil auch nicht so hinnehmen. Wie aus einem Tweet hervorgeht, beabsichtigt er, in Berufung zu gehen.
Das Urteil des LG Bielefeld (Az.: 4 O 191/11) in unserer Datenbank.
Eine weitere Besprechung von RA Sebastian Dosch auf kLAWtext.
Telemedicus zur Usedsoft-Entscheidung des EuGH.
Hintergrundwissen auf der Themenseite „Gebrauchtsoftware“.