Im Fall des „Technoviking“ hat das Landgericht Berlin den beklagten Künstler wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild zur Unterlassung einer weiteren Vermarktung sowie zur Herausgabe des hieraus erzielten Gewinns verurteilt. Darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche lehnten die Richter ab. Die Aufführung des streitigen Films zu künstlerischen Zwecken ist dem Beklagten dagegen weiterhin gestattet, sofern eine hinreichende Entfremdung der Person des Klägers gewährleistet ist.
Zum Internet-Meme avanciert eine Mediendatei, wenn sie aufgrund ihrer extremen Beliebtheit durch Verlinkung und Remixe einen besonders hohen Verbreitungsgrad gefunden hat. Das Ergebnis dieses soziokulturellen Evolutionsprozesses der Informationsweitergabe ist häufig Ausdruck einer digitalen Spaßgesellschaft. Zu dieser Auslese des Informationsdarwinismus zählt neben „Lolcats“, „Star Wars Kid“ und „Gangnam Style“ etwas abgeschlagen auch der „Technoviking“.
Die vom Beklagten 2006 auf YouTube eingestellte, etwa vierminütige Filmaufnahme entstand 2000 im Rahmen der Berliner Fuckparade. Sie zeigt den Kläger, einen martialisch wirkenden Mann, dessen äußeres Erscheinungsbild an das eines Wikingers erinnert, wie er zunächst einen betrunkenen Rempler zurechtweist und anschließend gefolgt von weiteren Personen tanzend durch die Stadt zieht. Ursprünglich unter dem Titel „Kneecam No. 1“ veröffentlicht, verbreitete es sich unter neuem Namen rasant: Der „Technoviking“ war geboren.
Der Beklagte wiederum sammelte und archivierte die zahlreichen Remixe, Bearbeitungen und Diskussionsbeiträge rund um die Figur, um sie künstlerisch und wissenschaftlich in Form von Installationen, Ausstellungen und Vorträgen auszuwerten. Neben Zahlungen von YouTube erzielte er seit 2009 Einnahmen aus dem Verkauf von Merchandise-Artikeln.
Im Dezember 2009 forderte der Technoviking (Kläger) den Beklagten auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben sowie Auskunft über die erzielten Gewinne zu erteilen. Mit Mahnbescheid vom Januar 2012 forderte er sodann rund 2.500 Euro Lizenzeinnahmen. Dem widersprach der Beklagte, so dass der Rechtsstreit nun vor dem Landgericht Berlin ausgetragen wurde. Neben weiteren 10.000 Euro Lizenzeinnahmen forderte der Kläger nun auch Schadensersatz in ähnlicher Höhe wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild.
Der Kläger sah sich durch die Veröffentlichung der Aufnahme und deren späterer Vermarktung in seinen Rechten verletzt. Die Aufnahme sei ohne sein Wissen und somit ohne seine Einwilligung erfolgt. Zudem habe sich die Veröffentlichung negativ auf sein Berufs- und Privatleben ausgewirkt.
Hiergegen wendete der Beklagte ein, er habe vergeblich versucht den Kläger ausfindig zu machen und zu kontaktieren. Aus dem Filmmaterial gehe zudem hervor, dass der Kläger die Aufnahmen bemerkt und sogar für die Kamera posiert habe. Dieses Verhalten lasse auf eine konkludente Einwilligung schließen. Auch zeigten die Merchandise-Artikel nicht das Bildnis des Klägers, sondern lediglich eine von seiner Person losgelöste Kunstfigur, deren Verkaufserfolg zudem bescheiden ausgefallen sei.
Die Veröffentlichung der Aufnahme auf YouTube verletzt den Kläger in seinem Recht am eigenen Bild, so das LG Berlin. Der Beklagte sei daher verpflichtet die weitere Verbreitung zu unterlassen. Eine künstlerische oder wissenschaftliche Nutzung ist dagegen weiterhin zulässig, so das Gericht, sofern eine hinreichende Entfremdung der Person des Klägers sichergestellt ist. Dabei geht das Gericht in seiner Begründung ausführlich auf die Besonderheiten des Rechts am eigenen Bild und dem aus dem Kunsturheberrechtsgesetz abgeleiteten abgestuften Schutzkonzept ein (§§ 22, 23 KUG).
Danach gilt: Zur Veröffentlichung des Abbilds einer Person bedarf es grundsätzlich deren Einwilligung (§ 22 KUG). Hiervon wiederum sieht das Gesetz zwei Ausnahmen vor (§ 23 KUG): Handelt es sich (1) um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte oder (2) dient die Verbreitung und Zurschaustellung einem höheren Interesse der Kunst. Die Beurteilung erfordert stets eine umfassende Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten (Art. 1, 2 GG, Art. 8 EMRK) des Abgebildeten und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit (Art. 5 GG). Ein Abbild verletzt jedoch nur dann das Recht am eigenen Bild, wenn die abgebildete Person auch erkennbar ist, etwa aufgrund seiner Gesichtszüge oder anderer individueller körperlicher Merkmale. Auch der Kontext der Abbildung oder ein Zusammenhang zu früheren Veröffentlichungen sind zu berücksichtigen.
Vor diesem Hintergrund sei eine Einwilligung des Klägers nicht ersichtlich. Die bloße Wahrnehmung sowie der Blick in die Kamera begründeten keine konkludente Einwilligung in die Aufnahme, geschweige denn deren spätere Veröffentlichung. Gleiches gilt für die enorme Resonanz, die den Kläger auch nicht zu einer Person der Zeitgeschichte erhebt – zumindest nicht rückwirkend.
„Das passive Schauen in die Filmkamera bzw. deren Wahrnehmen sind aber noch lange keine konkludente Billigung einer Filmfertigung und damit auch keine stillschweigende Einwilligung. Jedenfalls mit einer Veröffentlichung hat sich der Kläger auch nicht (sei es ausdrücklich oder konkludent) einverstanden erklärt. Aus der offenbar erfolgreichen Mediatisierung des Videos kann im Hinblick auf eine Zustimmung des Klägers auch nichts hergeleitet werden.”
Schließlich bleibt dem Beklagten auch die Berufung auf den künstlerischen Aspekt seiner Tätigkeit versagt. Die Aufnahme zeigt lediglich ein Abbild der Realität. Es fehlt somit an einer für den Kunstbegriff typischen individuell-gestalterischen Leistung. Mit der kommerziellen Verwertung der Figur tritt dann endgültig der Persönlichkeitsrechtsschutz in den Vordergrund. Einzige Ausnahme bilden die im Comic-Stil gehaltenen Darstellungen. Hier liegt sowohl eine gewisse Entfremdung als auch eine künstlerische Gestaltung vor.
Aus diesem Grund sprach das Gericht dem Kläger einen Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns von immerhin rund 10.000 Euro zu, der lediglich infolge bereits geleisteter Zahlungen sowie Ansprüchen des Sozialträgers gekürzt wurde.
„Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 10.621,51 Euro aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB. Diesen Betrag hat der Beklagte unstreitig durch die nicht gerehmigte Vermarktung des Bildnisses des Klägers erlangt. Die unbefugte kommerzielle Nutzung seines Bildnisses stellt einen Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild dar und begründet […] einen Anspruch aus Eingriffskondiktion auf Zahlung der üblichen Lizenzgebühr […]. Hinsichtlich der Schadensberechnung kann der Abgebildete aber auch entsprechend § 97 UrhG den konkreten Schaden ersetzt verlangen oder den vom Beklagten als Verletzer durch den Eingriff erzielten Gewinn begehren […].”
Einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich des weiteren Verkaufs von Merchandise-Artikeln sah das Gericht als bereits erfüllt an. Auch die Forderung einer Geldentschädigung für die Verletzung des Rechts am eigenen Bild wies das Gericht zurück. Ein derartiger immaterieller Schadensersatzanspruch setze eine besonders schwerwiegende Verletzung voraus, bei der sich ein befriedigender Ausgleich der erlittenen Beeinträchtigung nicht auf andere Weise erzielen lasse. Für die Beurteilung maßgeblich seien Art und Schwere der Verletzung, Anlass und Beweggründen des Verletzers sowie der Grad des Verschuldens. Die entscheidende Frage, ob dies auf den vorliegenden Fall zutrifft, hat das Gericht offen gelassen. Das Vorgehen des Klägers sei ersichtlich nicht auf Folgenbeseitigung sondern primär auf eine finanzielle Entschädigung gerichtet. Gemessen am Zeitpunkt der Kenntniserlangung habe er erst mit erheblicher Verzögerung Klage erhoben, was auf einen Mangel an Ernstlichkeit schließen lasse.
Internet-Meme wie der „Technoviking“ sind Ausdruck einer humoristischen Internetkultur, die im Wesentlichen auf einer universellen medialen Verfügbarkeit von Momentaufnahmen beruht. Häufig werden dabei Grenzen überschritten, was vor allem dann problematisch ist, wenn es nicht nur die des guten Geschmacks sondern die Persönlichkeitsrechte anderer betrifft.
Im Gegensatz zu der Vielzahl der durch die Veröffentlichung peinlicher Partyaufnahmen oder Nacktfotos Bloßgestellten macht das Opfer im vorliegenden Fall nicht einmal eine schlechte Figur. Auch wenn die wenigsten dieser Darstellungen zum Internet-Meme avancieren, so finden sie sich im Internet doch zu Hauf und um die Blamage perfekt zu machen, genügt oft schon ein kleiner Adressatenkreis. Das Urteil des Berliner Landgerichts legt die Voraussetzungen einer zulässigen Veröffentlichung und deren Bewertungsmaßstäbe lehrbuchartig dar, lässt dann aber die entscheidende Frage offen: Wann wiegt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung im Einzelfall schwer genug, um eine Geldentschädigung zu rechtfertigen?
Ihr dürfte in der Praxis weitaus größere Bedeutung zukommen. Angesichts der viralen Verbreitungs- und Vervielfältigungsmöglichkeiten des Internets wirken Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche oftmals wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Die finanzielle Kompensation wird in vielen Fällen daher die einzige Form von Genugtuung sein, auf die die Betroffenen hoffen können. Hier dürfte künftig die Musik spielen.
Das Urteil des LG Berlin vom 20. Mai 2013 (Az.: 27 O 632/12) im Volltext.