Das LG Berlin hat am vergangenen Dienstag im Fall Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen Facebook entschieden. Das Urteil bestätigt: Facebook nimmt es mit dem deutschen Recht alles andere als genau. Die erste Schlappe vor einem deutschen Gericht ist perfekt. Grund genug, einen genaueren Blick auf die Entscheidung zu werfen.
Zunächst ging es in der Entscheidung um den (mittlerweile geänderten) „Freundefinder“. Mit diesem Dienst können Facebook-Nutzer Einladungen an ihre Freunde verschicken. Dabei versendet der „Freundefinder“ E-Mails an alle Kontakte eines Nutzers, die mit ihrer Mail-Adresse noch nicht bei Facebook angemeldet sind. Diese Mails enthalten die Aufforderung, sich bei Facebook zu registrieren. Reagiert der Empfänger der Mail nicht, bekommt er später eine Erinnerungsmail. Das Landgericht sah hierin das Versenden unzulässiger Werbemails nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG.
Facebook schob die Verantwortlichkeit für den Mailversand auf die einzelnen Nutzer. Die Mails würden von ihnen verschickt – nicht von Facebook. Mit anderen Worten: Seinen „Freundeskreis“ zu erweitern, ist eine rein private Angelegenheit zwischen den Nutzern und ihren Freunden. Eine geschäftliche Handlung seitens Facebook liegt nicht vor. Diese ist aber Voraussetzung für die Anwendbarkeit des UWG. Dieser Argumentation folgte das LG Berlin nicht:
„(Die Einladungs- und Erinnerungsmails) haben zwar aus Sicht der Nutzer einen sozialen Zweck, dienen gleichzeitig aber der Förderung des Absatzes von Dienstleistungen der Beklagte, da sie auf eine Vergrößerung ihrer Nutzerschaft gerichtet sind. (…) Nach § 7 UWG kommt es allein auf das Interesse des jeweiligen Empfängers der Direktwerbung an, das nach Abs. 2 Nr. 3 UWG aber ausdrücklich erklärt werden muss.“
Das Landgericht entließ die Nutzer wiederum nicht ganz aus der Verantwortung: Da sie die Adressen stellten, seien sie Mittäter im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB, während die Plattform Erstellung und Versand der Nachrichten übernehme.
In der Nutzung der Adressen sah das LG außerdem einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 BDSG, da bei den Mailempfängern keine Einwilligung über die Nutzung ihrer Daten vorgelegen habe. Facebook hatte vertreten, dass deutsches Datenschutzrecht gar nicht anwendbar sei. Zwar habe man durch die AGB deutsches Recht für anwendbar erklärt, diese Rechtswahl gelte jedoch nicht für das öffentliche Datenschutzrecht. Nicht deutsches, sondern irisches Datenschutzrecht sei daher anzuwenden. Das LG führt hierzu aus:
„Der Einwand der Beklagten, eine solche Rechtswahl könne nicht das öffentliche, sondern nur das Privatrecht betreffen, geht, schon deshalb fehl (…), weil es sich bei den (…) Bestimmungen des BDSG und des TMG um solche handelt, die zumindest auch zwischen privaten Personen gelten. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG bestimmt sogar ausdrücklich, dass dieses Gesetz unter anderem für nicht-öffentliche Stellen gilt.“
Es ist schon bemerkenswert: Das Landgericht hat alle streitgegenständlichen AGB-Klauseln für unzulässig erklärt. Im Einzelnen:
Ob Fotos, Videos, Musik, Texte – alle Inhalte, die der Nutzer hochlädt, darf Facebook für sich und für andere verwenden. Die Nutzer der Plattform räumen vollumfänglich sämtliche Rechte ein; auch mit der Möglichkeit der Unterlizenzierung. Das LG hat festgestellt, dass diese Klausel gegen den urheberrechtlichen Zweckübertragungsgedanken aus § 31 Abs. 5 UrhG verstößt. Danach soll der Umfang der Rechte, die ein Urheber einem Dritten einräumt, klar bestimmt sein. Und genau das sei hier nicht der Fall,
„(…) da in der beanstandeten Klausel nicht zum Ausdruck kommt, welche urheberrechtlichen Nutzungsbefugnisse nach dem Willen der Vertragspartner übertragen werden sollen; vielmehr ist darin schlicht von der „Nutzung aller IP-lnhalte“ die Rede. Eine derart weitgehende Übertragung widerspricht aber dem Kern des Zweckübertragungsgedankens.“
Man kann wegen der überraschenden Qualität einer solchen Klausel wohl auch zur Unzulässigkeit über § 305c BGB kommen. Im Ergebnis ist das jedenfalls zu begrüßen.
Die Klausel „Über Werbung auf Facebook“ – hier ist die personalisierte Werbung mithilfe der Nutzer-Profildaten geregelt – verstößt laut LG wegen ihrer undeutlichen Formulierung gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB:
„Der Kläger beanstandet zu Recht (…), dass der Verbraucher nicht umfassend über die Art und Weise der Nutzung der Daten sowie über die Reichwerte der Erklärung informiert wird. (…) Dies verbirgt die Beklagte (…) hinter der undeutlichen Formulierung „deinen Namen und dein Profilbild in Verbindung mit kommerziellen oder gesponserten Inhalten zu verwenden“.“
Das Gericht hat es deshalb für hinfällig erachtet, die Klausel auf ihre datenschutzrechtliche Zulässigkeit hin zu prüfen.
Um Änderungen bestimmter Nutzungsbedingungen überhaupt mitzubekommen, musste man bei Facebook Fan der Seite „Facebook Site Governance“ werden; andere Änderungen wurden nach einem Zeitraum von drei bis 30 Tagen nach Benachrichtigung der Nutzer wirksam – von deren Einverständnis keine Rede. Auch hier monierte das Gericht einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB:
„(Die Beklagte will sich) mit dieser Klausel offenbar eine unbeschränkte Änderungsbefugnis einholen.“
Auch die Bestimmung, dass Facebook Konten dichtmachen kann, wenn Nutzer gegen „Inhalt oder den Geist dieser Erklärung“ verstoßen oder „anderweitig mögliche rechtliche Risiken“ erzeugen, sei unwirksam. Das außerordentliche Kündigungsrecht laufe dem § 314 BGB zuwider, der für die fristlose Kündigung von Dauerschuldverhältnissen einen wichtigen Grund voraussetzt.
Schließlich waren da noch die Datenschutzrichtlinien. Abermals mangelte es an einer wirksamen Einwilligung, um das Verhalten der Nutzer auf Facebook selbst und auf Seiten von Werbepartner für die Werbeoptimierung auswerten zu dürfen:
„Die Einwilligung widerspricht (…) der (…) Bestimmung des § 4a Abs. 1 S. 2 BDSG bzw. der des § 13 Abs. 1 Satz 1 TMG (…)
(Sie) erfolgt allein (…) durch die vorformulierte Klausel „Indem du auf „Registrieren“ klickst, bestätigst du, dass du die … Datenschutzrichtlinien gelesen hast und diesen zustimmst“. Dabei fehlt aber jeder Hinweis darauf (…), dass überhaupt Daten erhoben und verwendet werden, geschweige denn zu welchem Zweck dies geschehen soll. Dies läuft dem Kern der genannten gesetzlichen Regelungen zuwider.“
Facebook hat bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Das Kammergericht Berlin wird sich aller Voraussicht nach also auch mit dem Fall beschäftigen müssen. Es ist gut möglich, dass der Streit durch alle Instanzen geht. Schließlich geht es nicht nur um die großen Fragen des Datenschutzes in sozialen Netzwerken, sondern auch um die Narrenfreiheit eines übermächtigen Players. Wer über 850 Millionen Menschen Bescheid weiß, muss sich ganz besonders an die gesetzlichen Regeln halten.
Das Urteil im Volltext.
Meldung bei surfer-haben-rechte.de (vzbv).