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Längere Schutzfristen: Schlecht für Kunst und Konsumenten

In der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung wird Martin Kretschmer zu seinem Protest gegen verlängerte Schutzfristen für ausübende Künstler interviewt. Bereits Mitte Juni hatte sich der Professor der Universität Bournemouth zusammen mit anderen namhaften Urheberrechtsexperten in einem Brief an den Präsidenten der Europäischen Kommission gewandt; darin kritisieren sie den Vorschlag des Binnenmarktkommissars McCreevy, den Urheberrechtsschutz von 50 auf 95 Jahre auszudehnen. Nach Ansicht Kretschmers würde eine solche Verlängerung ausschließlich der Musikindustrie, nicht aber den Künstlern selbst zugute kommen. Seine Studie zum Einkommen von Autoren zeige nämlich, dass…

„[…] das Einkommen von Kreativen nicht vom Schutz abhängt, den das Urheberrecht gewährt, sondern in erster Linie von ihren Verträgen mit Verwertern, also Verlagen, Musikfirmen und anderen. […] Wenn eine Schutzfrist übertragbar ist, profitieren davon in erster Linie die Verwerter, nicht die Musiker, weil ja die Verwerter den verlängerten Schutz genießen. Kann man Rechte direkt übertragen, landen sie dort, wo die Verhandlungsmacht sitzt.“


Kulturelle Vielfalt in Gefahr

Kretschmer kritisiert auch, dass sich die geplante Verlängerung der Schutzdauer negativ auf die Konsumenten auswirken würde; er rechnet mit einer Erhöhung der Preise für Musikaufnahmen. Außerdem befürchtet er eine Einschränkung der kulturellen Vielfalt: Zum einen müsste man auf überarbeitete Wiederauflagen (sog. Re-Masters), die nach Ablauf der Schutzfrist herausgegeben werden, noch länger warten. Daneben stimuliere eine rückwirkende Verlängerung keine Neuschaffungen, sondern nütze nur bestehenden Ansprüche.

Eine solche Wirkung verstößt nach Ansicht Kretschmers gegen das Innovationsprinzip des Urheberrechts: Das zieht seine Rechtfertigung nämlich gerade daraus, Künstlern einen Anreiz dafür zu geben, Kultur zu schaffen und sie durch Veröffentlichung der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Aus all diesen Gründen hält Kretschmer andere Wege für geeigneter, um die Situation von Künstlern zu verbessern:

„Ich halte es für einen vielversprechenden Weg, Einnahmen aus Zweitvergütungssystemen zu überdenken, etwa eine Kultur-Flatrate für spezifische Online-Nutzungen analog zur Vergütung für Privatkopien. […] Zum anderen sind sozialsichernde Systeme wichtig wie die Künstlersozialversicherung. Mit dem Urheberrecht hat dies aber nichts zu tun.“

Ausführliche Informationen zum Brief an Josè Manuel Barroso bei Telemedicus.

Telemedicus über die Petition der Initiative „Sound Copyright“ gegen die Verlängerung.

, Telemedicus v. 13.10.2008, https://tlmd.in/a/1003

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