Ein Artikel in der Financial Times Deutschland stellt die These auf, dass die in geschäftlichen Emails häufig verwendeten Disclaimer („This message is intended for the use of the addressee only…“) rechtlich wirkungslos seien. In diesem Zusammenhang wird auch der bloggende Rechtsanwalt Dominik Boecker zitiert:
Was viele nicht wissen: Allen ausgefeilten Formulierungen zum Trotz verhelfen Disclaimer keineswegs zum Haftungsausschluss. „Juristisch gesehen haben Disclaimer keine bindende Wirkung für den Empfänger“, sagt der auf Internetrecht spezialisierte Rechtsanwalt Dominik Boecker. Denn rechtlich relevant sei grundsätzlich nur das, was zwischen den Vertragspartnern einvernehmlich abgemacht ist.
Das ist auch erst mal richtig: Ein Haftungsausschluss setzt einen Vertrag voraus, und ein Vertrag erfordert die Zustimmung von beiden Seiten. Entsprechend kann durch einen Email-Disclaimer auch keine Haftung ausgeschlossen werden.
Daraus zu schließen, dass solche Anhänge keinerlei rechtliche Wirkung hätten, ist aber falsch.
Denn, auch wenn vertragliche Bindungswirkung nicht eintritt, so hat auch eine einseitige Willenbekundung immer mindestens Deklarationswirkung. Ein solcher Email-Anhang erleichtert im Prozess die Beweisführung, und er spielt auch da eine Rolle, wo auch eine einseitig geäußerte Willensbekundung rechtliche Folgen hat. Bei geschäftlichen Emails ist das vor allem da der Fall, wo es um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse geht, also z.B. in den §§ 17 ff. UWG; 203 ff. StGB. Was ein solches Geheimnis ist, legt nämlich (auch) derjenige fest, der die Information ursprünglich hält:
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens stehende Umstände oder Vorgänge, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt, für Außenstehende aber wissenswert sind, die nach dem bekundeten Willen des Betriebs- oder Geschäftsinhabers geheim zu halten sind.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. 1. 2005 (Hervorhebung nicht im Original)
Daraus folgt nicht unbedingt, dass jede Information, die um einen entsprechenden Disclaimer ergänzt wurde, automatisch als „Geheimnis“ gelten wird – wohl aber, dass der Adressat einer solchen Email sich in jedem Fall nicht darauf berufen kann, er haben ja gar nicht gewusst, dass die Email auch Vertrauliches enthalten könnte. Auch bei solchen Informationen, die sich in der Grauzone zwischen „geheim“ und „nicht geheim“ bewegen, dürfte ein solcher Disclaimer Wirkung entfalten.
Wesentlich wichtiger ist aber trotzdem, dass solche Disclaimer eben eine, rechtlich nicht relevante, Abschreckungswirkung haben. Wer eine solche Email bekommt, obwohl er nicht der gewünschte Empfänger ist, wird sich sicher zweimal fragen, ob er die Informationen weiterleitet.
Der ARD-Ratgeber Recht zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.